"Eine Frau in unbeschränkter Freiheit ist wie ein ungezügeltes Ross." Marie Espérance von Schwartz (1818–1899) – Abenteurerin, Salonnière, Reiseschriftstellerin und Tierschützerin

Zeitgenossen war Marie Espérance von Schwartz vor allem als Verfasserin von Reiseliteratur und treue Freundin des italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi (1807–1882) ein Begriff. Gleich in mehrfacher Hinsicht zeichnete sich von Schwartz als unerschrockene Pionierin aus und so wundert es nicht, dass sich ihr Name mehrfach in den von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt redigierten ►„Neuen Bahnen“, dem Organ des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und Herzstück des Louise-Otto-Peters-Archivs, findet. Ihr Erlebnisbericht über einen Abstecher nach Caprera im November 1868, wo der mittlerweile ergraute Held im Kreis seiner Getreuen lebte, wurde in drei Folgen unter der Rubrik „Briefe“ in den Heftnummern 1-3/1869 abgedruckt. Weiter finden sich Buchempfehlungen für zwei ihrer Werke und Würdigungen sowie Unterstützung ihrer (europaweiten) Bemühungen um den Tierschutz. Doch wer war diese Frau, die ewig Gestrigen als „Blaustrumpf“ oder, natürlich abwertend gemeint, als „Emanzipierte, die ausreitet und sogar Cigarren rauchen soll“ [sic] galt, von anderen jedoch wegen ihrer Warmherzigkeit, Generosität, treuen Freundschaft, ihrem Gerechtigkeitssinn, Mut und nicht zu vergessen, ihren wagemutigen Unternehmungen gerühmt wurde?

Herkunft und Erziehung

Marie Espérance von Schwartz, geborene Brandt, kam am 8. November 1818 (nach zeitgenössischen Quellen 1821) auf dem Landsitz ihrer Familie in Southgate, einem Vorort Londons, zur Welt. Der Vater, Emanuel Heinrich Brandt (1776–1852), war ein in England lebender Hamburger Bankier, der es als Selfmademan zu beträchtlichem Vermögen gebracht hatte. Die Mutter, Susanne-Stéphanie Sylvestre (1786–1858), entstammte einer Genfer Arztfamilie. In der verzweigten Familie, deren Mitglieder in verschiedenen europäischen Ländern lebten, wuchs die kleine Marie nahezu kosmopolitisch und mehrsprachig in Rom, Genf und Frankfurt am Main auf, genoss in Southgate die Freiheiten und den Umgang mit Tieren (die in London nicht gehalten werden durften) und erlebte die gastlichen Empfänge der Eltern in Cornwall Terrace, im Regent's Park von London gelegen. Dabei wurde sie durchaus puritanisch und altruistisch erzogen. Eine wichtige Rolle spielte ihre Tante mütterlicherseits, Marguerite Catherine Espérance Sylvestre (1790–1842), die in Genf, Weimar und St. Petersburg lebend, zeitweise für Erziehung und Bildung des Kindes verantwortlich war. Espérance Sylvestre war auch Erzieherin der Schwestern Marie und Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, bewegte sich in literarischen Kreisen, war mit Goethe und Alexander Puschkin bekannt und trat selbst als Herausgeberin der „Historisch-kritische Ausgabe der Briefkorrespondenzen Karl Viktor von Bonstettens und seines Kreises, 1753–1832“ hervor. Sie war es auch, die in der Nichte das Interesse für die Antike, insbesondere für den „Sehnsuchtsort“ Kreta weckte. Dies sollte ähnlich wie beim kleinen Heinrich Schliemann (1822–1890), der früh seinen berühmten „Traum von Troja“ träumte, ungeahnte Folgen haben. Noch aber wurde das Leben der jungen Marie Espérance Brandt von den Konventionen der Zeit bestimmt. Vielleicht wollte der Vater, den sie selbst als „beste[n], aber auch strengste[n] Mann“ bezeichnete, entsprechendes ahnend (von ihm stammt das titelgebende Zitat), seine lebhafte Tochter „im Zaum halten“. Jedenfalls wurde sie 1836 zu einer Verheiratung mit einem älteren Cousin gedrängt, den sie in Petersburg kennenlernte. Die Ehe war unglücklich und schon zwei Jahre nach der Hochzeit nahm sich der Gatte auf Grund eines geschäftlichen Misserfolgs das Leben. Die junge Witwe wandte sich daraufhin nach Rom, wo sie zunächst zurückgezogen ihre Bildung im Selbststudium vervollkommnete.

„Sie ist ein Perpetuum mobile“

Reisende und Salonnière

Hier in Rom bahnte sich eine Beziehung an, von der die einmal Enttäuschte sich wirkliche Zuneigung versprach. Am 24.09.1842 heiratete sie Ferdinand von Schwartz (1813–1883) – wie der Vater gleichfalls deutscher Bankier. Nun führte Frau von Schwartz den Titel einer Baronin. Auch wenn sich ihre Hoffnungen auf eine dauerhafte, liebevolle Beziehung nicht erfüllen sollten – das Paar trennte sich bereits 1849, die Scheidung erfolgte 1854 – wurde 1846 der Sohn Ernst geboren, der allerdings überwiegend in Internaten aufwuchs. Trotzdem bewahrte er eine lebenslängliche Anhänglichkeit an seine Mutter und setzte später ihre ethisch motivierten Tierschutzbestrebungen fort.

Das Ehepaar von Schwartz unternahm große Reisen nach Griechenland, Kleinasien und Nordafrika. Über diese abenteuerliche und riskante Expeditionen – beispielsweise überlebten sie nur knapp einen Schiffbruch und viele Strecken mussten zu Pferd bewältigt werden – veröffentlichte Marie von Schwartz 1849, allerdings noch anonym, das Buch „Blätter aus dem afrikanischen Reise-Tagebuch einer Dame“. Nun, nachdem sie ihre schriftstellerischen Ambitionen entdeckt hatte, frönte sie auch nach der Trennung von ihrem Mann weiter der Reiselust und dokumentierte ihre Erlebnisse, so z. B. in „Hundert und ein Tag auf meinem Pferde“, Hamburg 1860, die ihre Reise, besser ihren Ritt, von Rom nach Loreto, Florenz und Aix-les-Bains beschreibt oder in „Der junge Stelzentänzer, Episode während einer Reise durch die westlichen Pyrenäen“, Jena 1865. Inzwischen hatte sie ihren Namen gräzisiert und veröffentlichte unter den Pseudonym Elpis Melena: „Elpis“ für Espérance (deutsch: die Hoffnung) und „Melena“ für Schwar(t)z. In acht Sprachen bewandert, behielt sie sich ausdrücklich die Übersetzungsrechte für ihre Bücher vor und veröffentlichte bei unterschiedlichen Verlagen in mehreren Ländern.

Baronin von Schwartz alias Elpis Melena führte aber auch in ihrer Wohnung im Palast Lovatti an der Piazza del Popolo in Rom einen sehr „lebhaften und bewegten“ Salon, in dem sich Politiker, Geistliche, Musiker und Literaten trafen, unter ihnen der Komponist Franz Liszt (1811–1886), mit dem sie eine enge Freundschaft verband und die Schriftstellerin und Vorkämpferin für Frauenemanzipation Fanny Lewald (1811–1889). Letztere gab in ihrem 1869 erschienenem Buch „Ein Winter in Rom“ einen Einblick in das Wesen der „originellen“, “mannichfach unterrichtet[en], musikalisch[en] und weltgewandt[en]“ Gastgeberin: „Sie ist ein Perpetuum mobile, bei dem eine lebhafte Einbildungskraft und ein ganz vortreffliches Herz nebst einem guten Theil angeborner Rastlosigkeit die treibenden Kräfte sind. [...] Sie kann nicht leben, ohne einen Plan, einen abentheuerlichen Plan [...]“.

 „Alla generosa e caro amica Baronessa de Schwartz“

Freundschaft mit Garibaldi und Unterstützung seines Freiheitskampfes

Im Zuge der italienischen Unabhängigkeitsbewegung, des Aufstandes in Rom 1848 und der Verteidigung der Stadt gegen französische Truppen durch Giuseppe Garibaldi und sein Freiwilligenkorps begann sich von Schwartz ab 1849 lebhaft für den General mit dem revolutionär-romantischen Nimbus zu interessieren und trat mit ihm in Briefwechsel. Im Herbst 1857 besuchte sie ihn erstmals auf Caprera, eine bis dato unbewohnte Insel an der Nordküste Sardiniens, um ihn zur Herausgabe seiner Memoiren zu überreden und folgte seiner neuerlichen Einladung ein Jahr später. Fortan unterstützte sie Garibaldi, wo sie nur konnte, sei es finanziell oder durch ihre Schriften. Einen Heiratsantrag von ihm lehnte sie allerdings ab. Doch versicherte sie ihm, er möge nur rufen und sie komme, wohin auch immer. Dieses Versprechen hielt sie getreulich, folgte ihn an den Ort seiner Gefangenschaft, übernahm gefährliche Aufträge, übersetzte seine Korrespondenz, bemühte ihre gesellschaftlichen Verbindungen zur Unterstützung der Freiheitsbewegung, kümmerte sich für Garibaldis Tochter um eine Erziehungsstelle in der Schweiz, veranstaltete Sammlungen für die Ausrüstung der Mitkämpfer, beteiligte sich an der Pflege des Verwundeten, ja die Baronin bestickte sogar ein Paar Pantoffeln für den Rebellen und begab sich höchstselbst „an den Kochaltar“, um dem Geschwächten stärkende Suppen zuzubereiten. Im Gegenzug für ihre aufopfernde Freundschaft übergab ihr Garibaldi schließlich das gewünschte Manuskript mit oben zitierter Widmung. Umso größer war ihre Enttäuschung, als selbiges zurückgefordert und an Alexandre Dumas d. Ä. zur Verwendung in einem Roman anvertraut wurde. Es war ihr aber bereits die Übersetzung ins Deutsche gelungen und so erschienen die Memoiren 1861 und noch vor dem Buch ihres Konkurrenten. Da Garibaldis Erinnerungen 1848 endeten, ließ sie einen zweiten Band folgen, bei dem sie sich auf mündliche Überlieferungen, historische Quellen und eigenes Erleben stützte. Zu nobel, um nachtragend zu sein, geschweige ihre Unterstützung zu entziehen, gestaltete sich die weitere Verbindung zum verehrten Kämpfer jedoch später nicht mehr ganz so innig.

„Kreta ist mein Kismet“

Elpis Melena war bereits 47 Jahre alt, als ihr wohl größtes Abenteuer nahte, das sie über 20 Jahre lang in Atem halten sollte. Nun wollte sie endlich die Insel kennenlernen, von der sie als kleines Mädchen in atemraubenden Erzählungen hörte und die ihre Phantasie nachdrücklich anregte. Kreta – das war griechische Mythologie pur. Hier war der Geburtsort des Göttervaters Zeus, auf Kreta wurde die Königstochter Europa entführt, missglückte der Flug des Ikarus und im Labyrinth gelang es Theseus, den schreckenerregenden Minotaurus zu besiegen und, dank des Fadenballens der Ariadne, den Weg zurückzufinden. Es wurde also höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. In Rom veranstaltete Melena eine Abschiedsgesellschaft und der Freund Franz Liszt überreichte ihr, die drohenden Gefahren der Reise besorgt vor Augen, jedoch wissend, dass Einrede zwecklos war, einen Dolch, fein gearbeitet im Stil des Cinquecento.

1866 dauerte die osmanische Fremdherrschaft beinahe schon 200 Jahre an. Immer wieder aufflackernde Freiheitsbewegungen wurden grausam unterdrückt. Der Aufenthalt einer allein reisenden Frau, nur begleitet von ihrer wackeren römischen Dienerin Angelina, erschien als unglaubliches Wagnis. Schon die unter widrigsten Umständen erfolgte Anreise, die mit Geist und Witz in ihrem Kreta-Buch beschrieben ist, hätte wohl weniger kühne Naturen zur Aufgabe der Pläne bewogen. Umso mehr, als auf der Insel gerade wieder heftige politische Unruhen ausbrachen. Unbeirrt der Kämpfe ließ sie sich im Vorort Chalepa der damaligen Hauptstadt Chania nieder. Ihre ansehnlichen finanziellen Mittel ermöglichten den Zugang zur höheren Gesellschaft, einschließlich des regierenden Generalgouverneurs Ismail Pascha (1830–1895). Auf Protektionen verzichtete sie aber bewusst, denn sie wollte „nach allen Seiten hin selbständig“ und frei in ihrer Meinungsäußerung bleiben. Chania war geprägt von einem „europäisch-afrikanisch-asiatischen Menschengewühl“, bot große Kontraste und war bereits ein Abenteuer an sich. Doch ließ sich das leicht steigern, nämlich mit Expeditionen quer durch die Insel, sofern die Erlaubnis von den misstrauischen türkischen Behörden gegeben wurde. Die Ausflüge zu Pferd oder Maultier waren anstrengend und gefährlich, es gab kaum Infrastruktur und Unterkunftsmöglichkeiten. Trotzdem ließ sich Melena nicht beirren, genoss den „unbeschreiblichen Zauber [der] Natur“ und die „Herrlichkeit [des] Klimas“. Zu diesem Zeitpunkt sah sie sich noch als Reiseschriftstellerin, beschrieb antike Stätten, sehr kenntnisreich Fauna und Flora, eine Besteigung des Ida, den Vulkanausbruch auf Santorin oder schilderte die Beschwerlichkeiten der Schwammfischerei. Sie erläuterte die politischen Verhältnisse und interessierte sich vorurteilsfrei für die Menschen, die ihr begegneten und deren kümmerliche Lebensverhältnisse, begleitete die immer wieder aufflackernden Aufstände und den Freiheitswillen der einheimischen Bevölkerung, die allerdings vielfach zerstritten und uneinheitlich war, mit Sympathie. Entsetzt zeigte sie sich über manch fragwürdige und archaisch anmutende Bräuche, wie beispielsweise den der Blutrache.

Eine Erkrankung und Zunahme der gewalttätigen Unruhen zwangen sie zurück nach Rom, doch war hier kein Bleiben, denn: „die Seele stirbt vor Sehnen“ und im Frühjahr 1868 konnte sie endlich erleichtert aufseufzen: „Da lag sie wieder vor mir, die schönste aller Inseln“. Diesmal baute sie sich in Chalepa eine kleine neoklassizistische Villa, sie schien wirklich angekommen und wollte bleiben.

„…meine innersten Interessen liegen vielmehr auf humanitären als auf schriftstellerischem Gebiet“

Menschenfreundin und Tierschützerin auf Kreta

Zunächst nahm Elpis Melena ihre Expeditionen durch Kreta wieder auf, doch begann sich ihr Interessenschwerpunkt zu verlagern. Sie engagierte sich zunehmend für die Einheimischen und investierte Zeit, Kraft und Geld in karitative Einrichtungen, ließ Hütten für Obdachlose bauen und Arme ärztlich versorgen. Um den Kindern ein Mindestmaß an Bildung zu bieten, welche von den Besatzern verweigert wurde, übersetzte sie deutsche Schulbücher ins Neugriechische und kretische Volkslieder, Sagen und Volksgut ins Deutsche. Dabei mussten vielschichtigen Interessenkonflikten zwischen christlichen und islamischen Kretern beachtet und ein vielfältiges Netzwerk aufgebaut und genutzt werden. Selbst die zahlreichen Straßenhunde durften dank ihres Engagements auf tägliche Fütterung hoffen.

Und auch das große Elend der „Märtyrer der Minoinsel“, der geschundenen Pferde, Maultiere und Esel rührte ihr Herz. Diese Kreaturen bildeten oft die notwendigste Überlebensgrundlage ihrer Besitzer und wurden trotz ihrer stumm erbrachten Dienste erbarmungswürdig gehalten, gequält und misshandelt. Elpis Melena hatte sich schon als Kind von der „leidenden, geknechteten Thierwelt“ berührt gezeigt und hatte sich bereits in Rom  vehement für Verbesserungen beim Umgang mit Schlachttieren eingesetzt und sich diesbezüglich auch mit Vertretern der römischen Kurie angelegt. Nach 16 Jahren auf Kreta und schier unendlichen Bemühungen, die einheimischen Besitzer für das Elend ihrer Tiere zu sensibilisieren, gelang es ihr, den ersten Tierschutzverein auf der Insel (und damit im osmanischen Herrschaftsbereich) zu gründen. Auf ihrem eigenen Grundstück wurde ein „Asyl“ für die Lasttiere eingerichtet, diese, soweit möglich, gesund gepflegt und dann wieder an die Besitzer zurückgegeben. Nach anfänglichen Erfolgen ließ das Interesse einiger Mitstreiter nach und auch an Anfeindungen fehlte es nicht. Hinzu kam, dass nicht wenige Einheimische ihre wund geschundenen Tiere abgaben, um sie gesund und genährt wieder abzuholen, nur um sie wieder zu vernachlässigen und damit den Kreislauf endlos am Laufen hielten. Einige brachten gar herrenlose Tiere ins „Asyl“, um sie aufgepäppelt gewinnbringend zu verkaufen. Schließlich musste Melena frustriert das Scheitern des Projektes akzeptieren und nach 24 Jahren Leben auf der Insel (1868–1892) konstatieren, dass sie sich „sehr herabgestimmt“ fühlt, wo doch vorher ihr Herz in „Philhellenismus“ erglühte.

„Seid menschlich“

Elpis Melena in den „Neuen Bahnen“

Der eingangs bereits erwähnte in drei Heftnummern abgedruckte Erlebnisbericht Melenas in den „Neuen Bahnen“ (leider fehlen im Bestand die entsprechenden Seiten des ersten Teils) über einen Besuch bei Garibaldi ist kein Auszug aus ihren Büchern, sondern wurde eventuell explizit für deutsche Zeitungen geschrieben. Der Autorin war es wichtig, „etwas Gutes für diesen vor der Welt quasi geächteten Menschen zu (be)wirken“. Garibaldi selbst taucht übrigens auch in der Rubrik „Büchertisch“ der „Neuen Bahnen“ auf, so wurde in Nr. 18/1870 ein Roman von ihm rezensiert, an dem vor allem seine Lobpreisungen auf „das Weib“ Gefallen fanden. Aufmerksamkeit in der gleichen Rubrik fand Elpis Melenas Novelle „Gemma oder Tugend und Laster“ (Nr. 14/1878), eine leidenschaftliche Verurteilung der Vivisektion, die „…allen deutschen Frauen angelegentlich“ empfohlen wurde. Dieses Buch löste eine Welle in der europäischen Tierschutzbewegung im Kampf gegen diese schändliche und grausame Praxis am Tier aus. Hingewiesen wird in Nr. 9/1888 auf einen Aufruf Melenas, den sie wie viele Flugblätter zum Thema selbst verfasste und europaweit versandte und der mit dem Appell „Seid menschlich, erbarmt euch auch der gemarterten Schlachtthiere“ [sic] beginnt und sich an Gesetzgeber, Beamte, Geistliche, Lehrer u. a. richtet. Eine kurze Würdigung ihres Lebens findet sich anlässlich des 70. Geburtstages in Nr. 1/1891 (hier liegt allerdings eine zeitliche Ungenauigkeit der NB-Redaktion vor), zusammen mit dem Hinweis, dass 58 europäische Tierschutzvereine Elpis Melena eine prächtige Ehrentafel widmeten. (Melena hatte während ihrer Zeit in Kreta auch andere europäische Tierschutzaktivitäten großzügig unterstützt, so auch in Deutschland.)

Rezeption

Marie Espérance von Schwartz verließ Kreta 1892 und starb am 20. April 1899 in einem Hotel in Ermatingen in der Schweiz. Bis zuletzt traf die Einschätzung Fanny Lewalds auf sie zu: „[sie war] durch viele Enttäuschungen nicht erkaltet, sich gleichgeblieben in ihrer hilfreichen Theilnahme für Andere, die ihre warme Sonne scheinen ließ über Gerechte und Ungerechte“.

Lange Zeit sehr zu Unrecht in Vergessenheit geraten, wurden einige ihrer Schriften in den letzten Jahren wieder aufgelegt, mit einleitenden Begleittexten versehen und es erschien ein kleines Büchlein über ihr „kretisches Abenteuer“. Wer Kreta liebt und historisch interessiert ist, kommt eigentlich an ihren Büchern zum Thema nicht vorbei. Ihre vielfältigen Bemühungen um Verbesserungen im Tierschutz sind unvermindert aktuell und aller Fortschritt scheint angesichts des milliardenfachen Elends der Kreatur immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein. ► Aktuelles Beispiel: Affenexperimente 

Die verfallene Villa in Chania, in der sie neben ihrem Engagement wie einst in Rom einen (aber kleineren) literarisch-philanthropischen Salon pflegte, soll wieder restauriert und künftig kulturell genutzt werden.


Zum Weiterlesen, verwendete Literatur und Quellen (Auswahl)

Werke von Elpis Melena

  • Erlebnisse und Beobachtungen eines mehr als 20-jährigen Aufenthaltes auf Kreta, 1892; überarbeitete Neuausgabe, Berlin: Pandora Verlag, 2008.
  • Gemma, oder Tugend und Laster. Novelle, München 1877; Reprint 2019.
  • Kreta-Biene oder kretische Volkslieder, Sagen, Liebes-, Denk- und Sittensprüche, gesammelt und herausgegeben von Elpis Melena, München 1874; Neuausgabe, Berlin: Pandora Verlag, 2018.
  • Meine Rechtfertigung als Thierschützerin in Kreta, Riga 1894; Neuausgabe, Berlin: Pandora Verlag 2020.
  • Von Rom nach Kreta. Reiseskizze, Jena 1870.
  • Die Insel Kreta unter der ottomanischen Verwaltung, Wien 1867.
  • Garibaldi in Varignano 1862 und auf Caprera 1863, Leipzig 1864.
  • Garibaldi's Denkwürdigkeiten nach handschriftlichen Aufzeichnungen desselben, und nach authentischen Quellen, bearbeitet und herausgegeben, Bd. 1 und 2, Hamburg 1861; neuaufgelegt 1884.
    * Dieses Buch wurde von M. W. – wahrscheinlich Meta Wellmer, gleichfalls Autorin, Tierschützerin und Mitarbeiterin der „Neuen Bahnen“ – in Nr. 5/1884 empfohlen.
  • Hundert und ein Tag auf meinem Pferde, Hamburg 1860.
  • Memoiren eines spanischen Piasters, Braunschweig 1857.
  • Blätter aus dem afrikanischen Reise-Tagebuch einer Dame, Braunschweig 1849 (anonym veröffentlicht).

Außerdem


 

Kommentare

Danke für den Einblick in das Leben und Wirken der mir bisher unbekannten Marie Espérance von Schwartz (1818–1899) – einer beeindruckenden Zeitgenossin von Louise Otto-Peters. Wirklich sehr lesens- und wissenswert! Und ein wunderbares Beispiel dafür, welche Schätze und Hinweise die "Neuen Bahnen" enthalten. Viele weitere spannende Entdeckungen wünscht Gerlinde Kämmerer

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