Abendunterhaltungen - ein feministischer Freiraum in Leipzig
Auch 2024 lädt die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. wieder zu den Abendunterhaltungen ein.
Leipzig ist bekannt als die Stadt der Linden, der Bücher und des Handels. Was häufig vergessen wird ist, dass es auch eine Stadt der sozialen Bewegung war. Eine Stadt, in der sich Frauen schon im 19. Jahrhundert aktiv für ihre Rechte einsetzten. 1865 gründete hier Louise Otto-Peters mit Mitstreiterinnen den Leipziger Frauenbildungsverein und lud zur überregionalen Frauenkonferenz in ihre Stadt Leipzig ein. Es wurde der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) gegründet, der nicht weniger als den Beginn der organisierten Frauenbewegung in Deutschland markiert. Unter der Leitung von Louise Otto-Peters und ►Auguste Schmidt entstand so ein überregional agierender Frauenverein, der es sich zum Ziel machte, Mädchen und Frauen zu bilden. Sie sollten befähigt werden, aktiv am gesellschaftlichen Geschehen teilzuhaben. Denn die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts war stark patriarchal organisiert. Frauen war der Zugang zu höherer Bildung und zur politischen Partizipation fast vollständig verwehrt.
Aber Frauen wie Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt wurden aktiv und fingen an, neue, eigene Räume zu schaffen, in denen Frauen sich untereinander bilden, helfen und austauschen konnten. Ein solcher immaterieller Raum waren die Neuen Bahnen, das vierzehntägig erscheinende Vereinszeitung des ADF. Louise Otto-Peters gab es ab 1866 zusammen mit Jenny Heynrichs heraus. Der Name Neue Bahnen war Programm:
„Nicht die Sucht nach pikantem Unterhaltungsstoff“ sollte gestillt werden, vielmehr „…haben wir dies Blatt gegründet, damit wir die große Frage der neuen Frauenbewegung, ihre Berechtigung, ihrer Grundzüge, ihrer Bestrebungen und ihrer Resultate vor aller Augen offen darlegen, Irrthümer berichtigen, unklare Vorstellungen aufhellen und unsere Ansichten über die Stellung der Frauen, über ihre Rechte und Pflichten entwickeln können.“ ►Otto-Peters, Louise in Kollecker, Kerstin (2021): Vor 155 Jahren erschien die erste Nummer „Neue Bahnen. Organ des Allgemeinen deutschen Frauenvereins“.
In den Neuen Bahnen wurde auch über die sogenannten “Abendunterhaltungen” berichtet, die der Frauenbildungsverein in Leipzig ausrichtete. Es waren Abendveranstaltungen, zu denen u.a. Louise Otto-Peters, Auguste Schmidt und ►Henriette Goldschmidt einluden. Frauen wurde der Zugang zur Universität Leipzig bis 1906 erschwert bzw. grundsätzlich verweigert, also schufen sich die Frauen selbst einen Raum, wo sie fachliche Vorträge halten konnten. Bei einem künstlerischen Rahmenprogramm wurde von Frauen über Aktuelles, Vergangenes und Zukünftiges referiert - immer mit dem Fokus auf die Stellung der Frau zu diesen Themen. Ende Juni 1866 hielt Louise Otto-Peters z.B. einen Vortrag mit dem Titel “Pflichten der Frau bei der gegenwärtigen Kriegsgefahr”, während ►Clara Schmidt Lieder von Schubert, Schumann und Mendelsohn sang (Heft 13, S. 104). Die Titel der Vorträge wie “Freiheit, die ich meine” von Ulrike Henschke (Heft 17, S. 135) oder “Befreiungskriege der Niederlande” von Auguste Schmidt (Heft 18, S. 144) lassen vermuten, dass man sich bei den Abendunterhaltungen auch kritisch austauschte. Doch die sinnliche Komponente fehlte nie - jeder Vortrag wurde von Gesang oder Klaviermusik begleitet und nicht selten wurden auch Gedichte rezitiert.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 knüpft die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. an diese Idee an und lud schon zu zahlreichen Abendunterhaltungen ein. 2023 wurde die Tradition unter dem Motto ”Revolutionär - Widerständig - Politisch“ fortgeführt und Sie sind herzlich zu unseren Abendunterhaltungen auch in diesem Jahr 2024 mit einem vielfältigen Programm aus Literatur, Musik, Film eingeladen.
Gefördert vom Kulturamt der Stadt Leipzig.
Donnerstag, 03. Oktober 2024, 20:00 Uhr
Café Lux, Martinstraße 13, 04318 Leipzig
Literarische Lesung "Wunderblume Leben"
Die Wunderblume „Leben“ – so bezeichnet die Kurzgeschichte „Schulfreundinnen“ 1901 die Vielzahl an Schicksalen und Sehnsüchten, die junge Frauen der Jahrhundertwende hatten. Autorin dieser Geschichte ist Elsa Asenijeff. Eine Wahlleipzigerin, die sich selbst mit ihrem Schicksal nicht zufrieden geben wollte. Vielmehr strebte sie danach, ihr Leben eigenständig so zu gestalten und ihren Sehnsüchten nachzugehen. Sie sehnte sich nach einem Leben in Lust, Liebe und Leidenschaft und fand dafür berührende Worte, die in ihrer Dringlichkeit auch noch heute unter die Haut gehen.
Lydia Jakobi (Radio-Journalistin) wird eine bunte Auswahl an Texten von Elsa Asenjieff vorlesen. Nane Pleger (Literaturwissenschaftlerin) wird durch die Lesung mit Hintergrundinformationen zur Autorin und ihrem geschichtlichen Kontext führen.
Eintritt: 8€ / 4€ (ermäßigt)
Freitag, 18. Oktober 2024, 18:00 Uhr
KOMM-Haus, Selliner Str. 17, 04207 Leipzig
Filmvorführung "Nur eine Frau" (DEFA, 1958)
1954 brachte Hedda Zinner mit dem Roman „Nur eine Frau" Louise-Otto Peters vielen DDR-Bürger*innen wieder in Erinnerung. Vier Jahre später, 1958, wurde der gleichnamige DEFA-Film uraufgeführt. Er erzählt, angelehnt an den Roman, das Leben der Dichterin, Schriftstellerin, Journalistin, 1848er-Demokratin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters. 1819 in eine bürgerliche Familie in Meißen geboren, überschreitet sie als Frau viele Grenzen der modernen, patriarchalen Welt des 19. Jahrhunderts. Der Film gibt einen Einblick in den Kampf der Frauen, um ihr Rechte zu einer Zeit, in der ihnen noch der Zugang zu höheren Schulbildung verwehrt war.
Nane Pleger (Literaturwissenschaftlerin) wird den Film mit einer historischen Einführung begleiten und steht im Nachgang für ein Filmgespräch zur Verfügung.
Mehr zu dem Film: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/nur-eine-frau/
Anmeldung unter nane.pleger@louiseottopeters-gesellschaft.de
Sonntag, 03. November 2024, 14:00 Uhr
Edvard-Grieg-Begegnungsstätte e.V., Talstraße 10, 04103 Leipzig
„Ach wie beneide ich immer Leipzig um seine Musik" (Clara Schumann). Zehn Jahre Leipziger Frauenporträts online: Lesungen und Musik
Unter den 250 Frauenporträts im ►Online-Portal sind Ende 2024 auch 47 Biografien zur Musik abrufbar! Die Autor*innen Dr. Joachim Reisaus, Doris Mundus, Gerlinde Kämmerer, Sabine Knopf und Jörg Holzmann stellen fünf spannende Akteurinnen daraus vor: die Grieg-Forscherin Prof. Dr. Hella Brock (1919–2020), die Musikpädagogin Thekla Batka (1764–1852), die Mäzenin Hedwig von Holstein (1822–1897), die Sängerin Magdalena Jahns (1860–1940) sowie die Komponistin Henry Handel Richardson (1870–1946). Am Klavier: Dietmar Nawroth.
Eintritt: 10 € / 5 € (ermäßigt)
Webseite der Grieg-Begegnungsstätte e.V.
Veranstaltung zum Themenjahr „Stark! Weibliche Lebenswelten" der Leipziger Musikmuseen in Kooperation mit der Grieg-Begegnungsstätte Leipzig e.V., gefördert vom Kulturamt der Stadt Leipzig
Donnerstag, 21. November 2024, 18:30 Uhr
Festsaal Altes Rathaus, Markt 1, 04109 Leipzig
Nachklang einer Revolution. 1848/49 - Podiumsdiskussion
Donnerstag, 05. Dezember 2024, 19:00 Uhr
Edvard-Grieg-Begegnungsstätte e.V., Talstraße 10, 04103 Leipzig
Zärtliche Töne des Widerstands - ein Ethel-Smyth-Abend
Die Engländerin Ethel Smyth lebte in den 1870er Jahren in ihrer persönlichen musikalischen Hauptstadt Leipzig. Aus ihren Erinnerungen an Leipzig und an das Leben als Frau im Musikgeschäft wird Mary Louise Detterer, selbst Britin, auf Englisch vorlesen. Die Sängerin Ayda-Lisa Agwa und die Pianistin Manami Honda werden dazu von Smyth komponierte Lieder interpretieren. Durch den Abend führt die Literaturwissenschaftlerin Nane Pleger.
Eintritt 10 € / 5 € (ermäßigt)