Frauen in der Revolution 1848/49 und 1989
Das Thema Revolution 1848/49 wurde von Louise Otto-Peters inspiriert. Denn auch wenn die Geschichtsschreibung eine überwiegend männliche Sicht auf diese ereignisreiche historische Zäsur reproduziert, gab es etliche Frauen, die sich in diesen radikalen, demokratisierenden Umbruchzeiten engagierten und sich zu Wort meldeten. Frauen begnügten sich nicht nur mit der Verköstigung und dem Verstecken von Revolutionären, sondern waren selbst aktiv an der Revolution beteiligt. Oft kämpften sie mit der Feder, stiegen aber auch auf Barrikaden. Diesen Frauen ging es sowohl um das Erlangen einer deutschen nationalen Einheit (wie den männlichen Revolutionären auch) als auch um das Durchsetzen liberaler Forderungen nach Menschen- und Bürger:innen-Rechten. Hierbei gingen die revolutionären Frauen – siehe Louise Otto, die schon 1848 auch das Frauenwahlrecht forderte - oft weiter als ihre männlichen Mitstreiter, die unter Menschenrechten i.d.R. Männerrechte verstanden.
Die 1848er Revolution gilt als Wiege der Demokratie in Deutschland. Im Revolutions-Jubiläums-Jahr 2023 wird die Demokratiegeschichte einen großen Stellenwert im öffentlichen Erinnern einnehmen und auch wir beteiligen uns daran. So war Franziska Deutschmann im März 2023 als Referentin in einem Workshop der Europäischen Jahrestagung des “Jubiläumsnetzwerk 175 Jahre Revolution 1848/49” ins Berliner Humboldt-Forum eingeladen, um feministische Perspektiven der Revolution 1848/49, welche wir in unserem fem/pulse-Projekt aufgreifen, vorzustellen. In diesem Rahmen wurde das fem/pulse-Projekt als eines von fünf Bildungsprojekten ausgezeichnet.
► Im Mai erschien zudem unser erster Insta-Post zum Thema Frauen in der Revolution:
Im Jahr 2024 folgt der 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution von 1989 und auch hier wurden aktive Frauen dieser Zeit im öffentlichen Erinnern häufig unsichtbar gemacht.
Um dem entgegen zu wirken, fand in Kooperation mit Prof. Dr. Susanne Schötz und deren Student:innen der TU Dresden (Modul: „Frauen in der Revolution von 1848/49. Ereignisse, Entwicklungen, Wahrnehmungen“) sowie in Kooperation mit Prof. Dirk van Laak von der Universität Leipzig (Modul: "Erlebte Wende. Unterschiedliche Perspektiven auf die historische Zäsur von 1989") eine gemeinsame Beschäftigung mit Frauen/Geschlechterperspektiven auf/in Revolution statt. Am Ende beider Seminare trafen sich die Student:innen am 19.01.2024 in einem von uns organisierten Workshop im Haus des Netzwerks für Demokratische Kultur e. V. in Wurzen unter dem Titel "Revolution in Sachsen und ihre Akteur:innen - Haben Revolutionen ein Geschlecht?" und tauschten sich aus.
► Marie Bak, ERASMUS-Studentin der Uni Leipzig aus Aarhus, Dänemark, hat ihre Eindrücke in einem Bericht festgehalten. Hier ein kleiner Auszug:
"Nach einer Mittagspause begann der zweite Teil des Workshops mit Diskussionen in Kleingruppen. Hier wurden verschiedene Fragen diskutiert, beispielsweise ob und inwiefern das Engagement von Frauen in den Revolutionen als feministisch betrachtet werden kann und welche Kontinuitäten es zwischen den Revolutionen gab. Die Fragen führten zu einer spannenden Diskussion mit unterschiedlichen Überlegungen und Positionen, aber auch vielen Fragen. Welche Rolle spielte das Geschlecht der Frauen für ihr Engagement in der Revolution von 1848/49? Wie unterscheiden sich die Erfahrungen älterer und jüngerer Frauen und Männer in der Friedlichen Revolution vom 1989?
Wir sprachen darüber, wie verschiedene Erfahrungen und Sichtweisen einbezogen werden können – nicht nur weibliche, sondern auch andere (marginalisierte) Perspektiven, die bis heute oft nicht berücksichtigt werden. Wenn die ‚Geschichte‘ diese Erfahrungen nicht aufgreift und sichtbar macht. wird auch das Erinnern verzerrt und wir verpassen vielleicht die Chance, uns an neue Vorbilder zu erinnern und unsere Geschichte besser zu verstehen."
Zudem ist in Kooperation mit der Feministischen Bibliothek und Archiv MONAliesA ein zweiteiliger Archivworkshop mit dem Titel „an archive of our own“ – Leipziger feministische und Frauenarchive kennenlernen! entwickelt worden, der die beiden Leipziger Frauen- und feministische Archive bekannter machen will.
Mit den Workshops wollen wir Menschen sowohl feministische Frauenbewegungsarchive näher bringen als auch die Besucher:innen dazu befähigen, mit Quellen zu recherchieren und mit diesen arbeiten zu können. Im Jahr 2023 wurde der Workshop bereits dreimal erfolgreich umgesetzt und kann auch 2024 von und mit verschiedenen Zielgruppen angefragt und umgesetzt werden.
Inhaltlich soll der Workshop dazu befähigen, zu folgenden Fragen selbst zu recherchieren, zu forschen und gemeinsam zu analysieren:
Welche Frauen haben außer Louise Otto noch von Sachsen aus 1848 gewirkt? Welche Perspektive war für Frauen in Sachsen 1848 zentral? Wie brachten sich Frauen in der Friedlichen Revolution 1989 in Sachsen ein? An welchen Orten wirkten sie maßgeblich, welche Ziele verfolgten sie? Haben sich Frauen 1989 auf Frauen von 1848 bezogen? Inwiefern spielt es eine Rolle, dass es in beiden Revolutionen um nationale (Wieder-)Vereinigungsbestrebungen ging? Welche Rolle spielten insgesamt sächsische Frauen in beiden Revolutionen?
Es geht uns nicht darum historisch unzulässige Kontinuitäten zwischen zwei unterschiedlichen Kontexten zu ziehen – worum es uns hingegen geht, ist zu zeigen, wie groß die Beteiligung von Frauen in JEDER sozialen Bewegung war, dass Frauen nie bloß passive Zuschauerinnen oder Nutznießerinnen von Demokratisierungsprozessen waren, sondern sehr oft ganz besonders interessiert an „Fortschritt“ im Sinne eines Mehr an politischer Partizipation. Und auch hier geht es den fem/pulsen nie um eine bloße historische Richtigstellung, sondern darum, dass Sichtbarkeit ermutigt und dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, dass demokratische Errungenschaften ERKÄMPFT wurden und wir aufpassen müssen, diese nicht leichtfertig herzugeben.