Interview mit Prof. Dr. Susanne Schötz
geführt für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. von Laura Peter am 14. Juni 2023 in Leipzig
Nach dem Transkript überarbeitete und redigierte Fassung von Susanne Schötz, Kathrin Will und Laura Peter.
Rechte vorbehalten.
I: Wir führen heute ein Interview, mit Professor Dr. Susanne Schötz im Louise-Otto-Peters-Archiv in Leipzig am 14.06.2023, vormittags. Das Interview führt Laura Peter, anwesend ist Kathrin Will. Danke, dass Sie sich für dieses Gespräch bereit erklärt haben. (B: Ja, sehr gerne.) Zum Einstieg und zu Ihrem Hintergrund, können Sie uns erzählen, welchen Bezug Sie zu Leipzig haben?
B: Oh. (lacht) Naja, Leipzig ist die Stadt, wo ich studiert habe, wo ich Lehramt studiert habe. Ich wollte Lehrerin für Geschichte und Deutsch werden und habe hier von 1976 bis 1980 studiert. Ich muss jetzt hier überlegen. (lacht) Es ist schon wirklich lange her, damals noch an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Ich bin so mit der Stadt in Berührung gekommen und bekannt geworden, über mein Studium. Und ich war dann später Forschungsstudentin bei Hartmut Zwahr, das heißt, ich habe dann auch an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig promoviert, im Dezember 1985 und habe da dann die ersten Schritte hin zu einer akademischen Karriere gemacht, damals nicht als wissenschaftliche Mitarbeiterin, sondern erst als befristete wissenschaftliche Assistentin und dann als unbefristete wissenschaftliche Assistentin. Aber die Zeit der unbefristeten Assistenz dauerte nicht lange, weil die Friedliche Revolution 1989/1990 kam und danach natürlich ein grundsätzlicher Wandel an allen Universitäten einsetzte, auch an der Karl-Marx-Universität, die nicht mehr lange Karl-Marx-Universität war. Auch an der damaligen Sektion Geschichte, die komplett verändert, umstrukturiert wurde, wo sehr viele Kolleginnen und Kollegen entlassen wurden und wo eine Neuausrichtung des Faches passierte und natürlich auch alle unbefristeten Arbeitsverträge abgeändert wurden und ich das große Glück hatte, nach einer positiven Evaluation noch einen befristeten Arbeitsvertrag zu bekommen. Das war meine Situation und mein Bezug zu Leipzig. Aber ich habe auch schon promoviert zu einem Thema der Leipziger Sozialgeschichte, nämlich über Mittelschichten im neunzehnten Jahrhundert in Leipzig. Das ist eine lokalgeschichtliche, sozialgeschichtliche, massenbiografische Studie gewesen. Das heißt, ich habe mit biografischen Massenquellen des neunzehnten Jahrhunderts gearbeitet und mich mit Kleinbürgerinnen und Kleinbürgern befasst und bin so in die Leipziger Stadtgeschichte reingekommen und habe mich dann immer weiter auch für Stadtgeschichte interessiert. Ich bin Mitglied im Geschichtsverein geworden, als der sich 1990 neu gegründet hat und ja, ich bin so in die Stadtgeschichte reingewachsen und bin da dann wirklich sehr reingewachsen. Ich bin später vom Leipziger Oberbürgermeister in das Herausgebergremium einer neuen wissenschaftlichen Stadtgeschichte Leipzigs berufen worden, die anlässlich der tausendjährigen Ersterwähnung Leipzigs – also der schriftlichen Ersterwähnung, muss man ja sagen – 2015 publiziert werden sollte. Das waren vier Bände. Und ich war verantwortlich für die Herausgabe von Band drei, Leipzig im neunzehnten Jahrhundert zwischen Wiener Kongress und Erstem Weltkrieg. Der Band ist aber leider nicht 2015 fertig geworden, wie gar kein Band 2015 fertig wurde, bei diesem wirklich riesigen neuen Forschungsprojekt und Publikationsvorhaben der Stadt Leipzig, sondern mein Band ist dann 2018 übergeben worden. Und ich glaube, der letzte, zum zwanzigsten Jahrhundert in Leipzig, dann 2019. Also das ist eine lange Geschichte gewesen, die mich zehn Jahre meines Lebens zwischen 2009 und 2019 enorm beschäftigt hat und meine Arbeitskraft immer absorbiert hat.
I: Okay, danke. Was ist denn Ihre erste Erinnerung an die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft?
B: Das ist tatsächlich eine Erinnerung an Johanna Ludwig. Denn über Johanna Ludwig habe ich überhaupt Kenntnis von der Gesellschaft bekommen. Dass das so war, daran konnte ich mich erinnern, als Sie mich zum Interview eingeladen haben, vor einiger Zeit. Aber wann das eigentlich war, das musste ich tatsächlich in meinen alten Ordnern nachschauen. Und ich habe es gefunden. Ich weiß jetzt, an welchem Tag ich Johanna Ludwig kennengelernt habe. Das war am 24. September 1993, und zwar nicht hier in Leipzig, sondern in Dresden, in der Sächsischen Staatskanzlei. Da fand nämlich der zweite Gesprächskreis Frauenforschung statt, zu dem die damalige parlamentarische Staatssekretärin Friederike De Haas, also die parlamentarische Staatssekretärin in der Biedenkopf-Regierung für Gleichstellung von Frau und Mann, eingeladen hatte. Und da waren circa 30 Personen aus universitären und außeruniversitären Einrichtungen eingeladen, die Projekte zur Frauen- und Geschlechterforschung entweder vorhatten oder schon betrieben. Und da fand ein Austausch und eine große Vorstellungsrunde statt, wo alle vorgestellt haben, woran sie arbeiten, was sie gerade machen. Aber das Ziel damals war, dass Friederike De Haas als Parlamentarische Staatssekretärin gerne Frauen- und Geschlechterforschung stärken wollte und auch aufzeigen wollte, welche Mittel dafür zur Verfügung gestellt wurden und wo man eben Mittel beantragen könnte. Und da hat Johanna Ludwig die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft vorgestellt, die ja gerade gegründet worden war, im Januar 1993. Und sie hat als ein erstes großes Vorhaben beschrieben, dass der 175. Geburtstag gefeiert werden soll, 1994, am 26. und 27. März in Leipzig mit einer großen Feier der Leipziger Vereine und der Fraueninitiativen. Und sie hat da eben auch dazu aufgerufen, dass alle eingeladen sind, sich zu beteiligen. Ich habe mich dann auch daran beteiligt, also nicht an der eigentlichen Festveranstaltung, sondern sozusagen an der Vorveranstaltung zur Festveranstaltung. Denn ich war damals gemeinsam mit Karin Zachmann Regionalkoordinatorin des Arbeitskreises für historische Frauen- und Geschlechterforschung, Regionalkoordinatorin Ost. (So lautet die Bezeichnung heute.) Ein komischer Begriff. Eigentlich war eine Regionalgruppe des Arbeitskreises für historische Frauen- und Geschlechterforschung 1993, im Januar, in Dresden für Sachsen gegründet worden. Und die Idee war, dass die einzelnen neuen Bundesländer auch solche Regionalgruppen gründen. Aber dazu ist es nicht gekommen. Wir in Sachsen sind erst einmal die einzigen geblieben. Und wir haben dann im Frühjahr 1993 beschlossen, wir nennen uns Regionalgruppe Neue Bundesländer und haben alle anderen, die wir so kannten in Berlin, in Potsdam oder auch in Erfurt, einfach mit dazu eingeladen. Und wir haben dann im Dezember 1993 ein erstes Regionaltreffen hier in Leipzig gemacht. Das habe ich an der Uni Leipzig organisiert und wir haben bei diesem ersten Regionaltreffen beschlossen, wir machen einen zweiten wunderbaren Workshop am 26. März 1994, also zum Geburtstag von Louise Otto mit dem Thema „Frauen-Emanzipation im 19. Jahrhundert“. Und das haben wir dann gemacht. Und am 27. März fand dann die eigentliche Festveranstaltung der Vereine statt. Aber am 26. März hatten wir eben schon diesen Workshop. Und da haben zum Beispiel gesprochen die Ruth Götze über Louise Otto, der Heiner Thurm und der Manfred Leyh, die sich Auguste Schmidt befasst haben und dazu vorgetragen haben. Und andere auch. Und so sind wir miteinander bekannt geworden. Und wenn Sie mich jetzt fragen, für wen ich eigentlich eingeladen worden war, für welche Fraueninitiative, nach Dresden, in die Sächsische Staatskanzlei im September, wo ich die Johanna getroffen habe, muss ich passen. Ich weiß es nicht. Aber es gibt drei Möglichkeiten. (lacht) Ich war nämlich zur gleichen Zeit in drei verschiedenen Zirkeln aktiv. Das war einmal die Interessengemeinschaft Frauengeschichte, die es direkt an der Uni Leipzig gegeben hat, an dieser ehemaligen Sektion Geschichte, wo junge Mitarbeiterinnen sich ganz schnell klar waren, wenn jetzt alles umstrukturiert wird, dann möchten wir, dass auch Frauengeschichte gelehrt wird. Und wir haben dann informell diese Interessengemeinschaft gegründet, haben uns getroffen, haben feministische geschichtswissenschaftliche Texte gelesen und diskutiert und haben schon damals versucht, sofort in den Lehrveranstaltungen, die wir machten, das einzubauen, also sofort anzufangen, zur Frauengeschichte zu lehren. Das war unser Ziel. Also vielleicht war ich für die Interessengemeinschaft da? Aber ich weiß es nicht, denn es kann sein, dass die 1993 schon eher ein Papier-Tiger war, als noch wirklich existierte, weil zwischenzeitlich zwischen 1992 und 1994 die großen Abwicklungen passierten und ich weiß nicht, wer dann überhaupt noch an dem neu benannten historischen Seminar übriggeblieben war? Das kann ich gar nicht genau sagen. Ich war auch aktiv bei Alma - Frauen in der Wissenschaft, vielleicht war ich für Alma - Frauen in der Wissenschaft eingeladen? Oder ich war eben für diese Regionalgruppe Neue Bundesländer eingeladen. Das kann auch sein, weil es die ja eben auch seit Januar 1993 gab. Aber das weiß ich nicht mehr. Keine Ahnung. Aus der Einladung, die ich noch besitze, geht das nicht hervor.
I: Okay. Wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie Mitglied bei der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft geworden sind? Oder wann war das? War das nach der dem Geburtstag?
B: Also in allen Verzeichnissen, die ich gefunden habe, steht immer als Datum 26.03.1994. (lacht) Ich weiß es einfach nicht, ob es wirklich so war. Vielleicht ist es ja wirklich so gewesen, dass ich bei dieser Veranstaltung gesagt habe, ich möchte gerne Mitglied werden. Vielleicht war da auch Johanna anwesend, denn die anderen waren ja auch alle da. Also der Manfred Leyh, der Heiner Thurm war da, die Ruth Götze war da. Vielleicht war auch Johanna da? Ich weiß es nicht. Aber irgendwie muss ich da ja kundgetan haben, ich nehme das jetzt mal zum Anlass, ich möchte auch gern Mitglied werden. Ich vermute es.
I: Was haben Sie in der Zeit, die Sie jetzt Mitglied sind, für die Gesellschaft gemacht? Also welche Ämter und Aufgaben haben Sie so übernommen?
B: Naja, ich bin im Februar 2000 in den Vorstand gewählt worden, als stellvertretende Vorsitzende, und ich bin dann lange Jahre stellvertretende Vorsitzende gewesen, bis 2009. Und 2009 habe ich auf ihren Wunsch hin, also auf Johanna Ludwigs Wunsch, den Vorsitz in der Gesellschaft übernommen - bis 2014. Und dann bin ich einfach Mitglied geblieben. Und seit 2021 Mitglied im Beirat der Gesellschaft.
I: So allgemein, sind Sie stolz auf das, was Sie für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft geleistet haben? Und würden Sie sagen, dass das etwas Besonderes ist, was Sie gemacht haben?
B: Stolz? (überlegt) Also ich bin stolz auf die Gesellschaft. Ob ich stolz auf mich bin, das würde ich vielleicht gar nicht so sagen wollen. Aber ich bin stolz auf das, was die Gesellschaft geschafft hat. Sie hat es ja wirklich geschafft, Louise Otto-Peters wieder in die Erinnerungskultur der Stadt Leipzig einzuschreiben und klarzumachen, dass Leipzig ein Ort der deutschen Frauenbewegung war und das zur gleichen Zeit, als Leipzig auch ein wichtiger Ort der deutschen Arbeiterbewegung war. Dass Leipzig ein Ort der deutschen Arbeiterbewegung war, das ist auch zu DDR-Zeiten im kollektiven Gedächtnis und in der Erinnerungskultur gewesen. Mit Ferdinand Lassalle, der 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gegründet hat, mit Bebel, mit Liebknecht, die in Leipzig lebten und von hier aus agierten. Das ist sehr präsent gewesen in der Erinnerungskultur. Aber dass die alte Frauenbewegung genauso hier ihren Gründungsort hat, das ist ziemlich weggewesen. Louise Otto-Peters war keine Unbekannte in der DDR, sie ist als bürgerliche Demokratin gewürdigt worden. Aber nicht als die Top-Feministin des neunzehnten Jahrhunderts und nicht als Begründerin einer neuen sozialen Bewegung. Das ist nie so interpretiert worden und das hätte in der DDR auch ohnehin geringere Bedeutung gehabt, weil man einfach ein anderes Geschichtsbild hatte. Ein Geschichtsbild, das verbunden war mit der Arbeiterbewegung, mit der siegreichen Arbeiterklasse (lacht) auf dem Weg zum Sozialismus und Kommunismus als wesentlichste Gestalterin der gesellschaftlichen Entwicklung. Da war die Frauenbewegung etwas Nachrangiges, was nicht so Wesentliches, was schon aber auch irgendwo gewürdigt wurde: Ja, die haben sich auch engagiert zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und natürlich auch von Arbeiterinnen, was ganz wichtig war. Auch das hat die Frauenbewegung gemacht. Das hat man schon anerkannt. Aber es galt als nicht so wesentlich, weil die Frauenbewegung, zumindest der starke Zweig der bürgerlichen Frauenbewegung, nicht das Ziel hatte, die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft durch eine Revolution zu beseitigen. Das ist ein großer Unterschied im Geschichtsbild der DDR gewesen im Hinblick auf die Frauenbewegung, die bürgerliche Frauenbewegung. Und insofern finde ich, ist das bedeutsam gewesen, wieder Leipzig auch zu einem Ort der Frauenbewegung in der Erinnerungskultur der Stadt zu machen. Das ist ganz wichtig gewesen. Aber auch darüber hinaus. Also nicht nur, das wieder in Leipzig in Erinnerung zu rufen, sondern insgesamt wieder in Erinnerung zu rufen und insgesamt wieder zu einer stärkeren Beschäftigung mit den Anfängen der Frauenbewegung, der Frauen-Emanzipationsbewegung im neunzehnten Jahrhundert, wie soll ich sagen, aufzurufen oder anzuregen - zu animieren, sich mit dem Gedankengut auseinanderzusetzen. Das, glaube ich, das ist was sehr Wichtiges gewesen. Und auch die Formen, die da entwickelt wurden in den ersten Jahren, waren kluge Formen der Auseinandersetzung. Also, wo man wirklich erinnerungswürdige runde Daten, runde Geburtstage oder eben Todestage, Jubiläen zum Anlass genommen hat, um zu erinnern. Ich denke, wenn man so etwas nicht tut, dann bleibt es eben in Vergessenheit. Und Jubiläen sind so Orte, wo dann sehr viele draufschauen, die auch für den Tourismus wichtig sind und für die Stadtkultur. Da ist es ein kluges Konzept gewesen, eben mit Geburtstagen und Todestagen zu beginnen und so die Aufmerksamkeit zu generieren. Und dann auch kluge, wie soll ich sagen, Meilensteine zu entwickeln. Also das Konzept der ersten Jahre war ja immer, zu großen Ereignissen eine Ausstellung zu machen, um so in der Öffentlichkeit zu werben und präsent zu sein. Zur Ausstellung einen Katalog zu publizieren, damit das auch nicht verloren geht, sondern erhalten bleibt. Und dann wissenschaftliche Tagungen zu machen mit der Universität Leipzig, mit Ilse Nagelschmidt als Gleichstellungsbeauftragter, vorzugsweise in Zusammenarbeit, was sehr wichtig war. Auch mit Genka Lapön, als Gleichstellungsbeauftragter der Stadt oder mit Evelin Irmscher, als Gleichstellungsbeauftragter des Regierungsbezirks. Und neben diesen großen wissenschaftlichen Tagungen dann eben literarisch-musikalische Veranstaltungen in der Stadt zu machen an prominenten Orten, im Festsaal des Alten Rathauses oder in einer Alten Handelsbörse oder so. Also, wo man einfach mehr Menschen erreichen kann und sich selber als Gesellschaft präsentieren kann, aber natürlich vor allem den Gegenstand, an den man erinnern will, eben Louise Otto-Peters als eine Vordenkerin der Frauen-Emanzipationsbewegung in Deutschland und eine wichtige Akteurin dann in der deutschen Frauenbewegung, Mitbegründerin der Organisation der Frauenbewegung im neunzehnten Jahrhundert. Das war, denke ich, sehr wichtig. Und über Louise Otto-Peters dann auch die anderen Frauen mit in das Blickfeld zu nehmen, denn sie hat ja nicht allein gewirkt, sie hatte viele Verbündete in der Stadt. Und dann eben auch an Auguste Schmidt zu erinnern oder eine Henriette Goldschmidt zu würdigen oder eine Anna Kuhnow als erste Ärztin, als eine Frau, die mit einem Stipendium des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins Medizin im Ausland studieren konnte und sich als Ärztin in Leipzig niedergelassen hat und auch die Ärztin von Louise Otto-Peters war. Also das war ein Konzept, denke ich, das hat schon gut funktioniert. Oder eben auch dafür zu sorgen, dass ein Gedenkstein in der Nähe ihres ehemaligen Wohnhauses, Kreuzstraße, errichtet wird. Wobei ich mich daran erinnere, dass es das große Problem war, den Gedenkstein auch wirklich frei von Unkraut zu halten und dafür zu sorgen, dass der nicht überwuchert wird und dass der sichtbar ist. Es war ein ewiges Problem irgendwie. Oder dann auch für das Denkmal, das Louise-Otto-Peters-Denkmal zu sorgen, dass das schön bepflanzt wird, dass es in Ordnung ist und nicht ein Ort ist, wo jemand am Kinderspielplatz den Müll liegen lässt, sondern dass das alles gepflegt wird. Oder dann auch zum 100. Jubiläum der Denkmalserrichtung im Jahr 2000 ein schönes Fest zu organisieren. Und das Denkmal für Louise Otto-Peters war ja wirklich was Besonderes. Es war ja ein Denkmal, nicht für eine Fürstin oder eine ganz prominente Schauspielerin oder Dichterin, obwohl Louise Otto ja auch Dichterin war. Aber das Denkmal haben ihr die deutschen Frauen für ihr Wirken in der Frauenbewegung gewidmet. Und das war etwas Besonderes. Und eben auch daran zu erinnern, dass hier mal ein Denkmal für eine Frau errichtet wurde, was um 1900 noch sehr selten war, das ist wichtig gewesen, um wieder zu verdeutlichen, dass man wirklich eine Tradition hat in der Stadt, auf die man mit Freude und mit Stolz schauen kann. Und insofern würde ich sagen, bin ich auch stolz auf die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, dass sie das in den ersten zehn Jahren geschafft hat, selber als Gesellschaft sichtbar zu werden, aber auch ihren Gegenstand sichtbar zu machen - in der Stadt und über die Stadt hinaus. Also dann mit Vernetzungen nach außerhalb. Aber darauf kommen wir ja vielleicht noch zu sprechen. Und insofern bin ich darauf stolz, dass das erreicht wurde.
I: Sie haben jetzt schon ganz viele Jubiläen und Veranstaltungen angeschnitten und wir haben auch schon über den 175. Geburtstag kurz gesprochen. Können Sie vielleicht noch einmal sagen, welche Veranstaltungen Ihnen so persönlich besonders in Erinnerung geblieben sind, wo Sie vielleicht dabei waren und woran das gelegen hat?
B: Oh ja, (lacht) das ist eigentlich unwahrscheinlich viel in den ersten zehn Jahren gewesen. Ich habe versucht, einfach für mich klarzumachen, was das alles gewesen ist und was es da so alles an Initiativen gegeben hat. Also ich glaube, ein wichtiges Jahr war wirklich 1995. Das war das erste große Jahr, die Erinnerung an den 100. Todestag. Und da diese erste große Ausstellung, also „Louise Otto-Peters. Ihr literarisches und publizistisches Werk“, wo versucht wurde, alles zusammenzutragen, was man finden konnte, was Louise Otto je publiziert hat, als Dichterin aber auch als Frauenpolitikerin und als Publizistin. Also sozusagen alle Sparten zu eröffnen und dazu dann einen Katalog anzulegen. Und der Katalog, der ist für mich noch immer verdienstvoll. Der ist sicherlich inzwischen zu ergänzen, weil wir inzwischen noch viel mehr wissen oder einiges mehr wissen. Aber der hat schon sehr, sehr gut zum ersten Mal erfasst, was es alles von ihr gibt. Das war eine wesentliche Grundlage für alles andere. Also diese Ausstellung in einer Universitätsbibliothek, in einer neuen Universitätsbibliothek in Leipzig, die ist ganz wichtig gewesen. Und dann auch die erste wissenschaftliche Tagung, die ja schon 1995 zum 100. Todestag war: „Louise Otto-Peters. Politische Denkerin und Wegbereiterin der Frauenbewegung“ – das war etwas Wichtiges. Bei der Ausstellungseröffnung war ich einfach so mit dabei, ich hatte davon erfahren und war aus Interesse hingekommen. Bei der Tagung war ich dann aber schon mit einem Vortrag dabei. Und im gleichen Jahr hat dann auch der dritte Louise-Otto-Peters-Tag im November stattgefunden, und dafür hatte mich Johanna Ludwig für einen Vortrag engagiert. Also Johanna Ludwig hatte aus meiner Sicht eine unwahrscheinliche Gabe oder Begabung dafür, Menschen zur Zusammenarbeit zu gewinnen und auch sehr schnell zu erkennen, wo können sie nützlich sein, was können sie gut beitragen? Also wo besitzen sie besondere Kompetenzen? Das war ihr irgendwie gegeben, das sehr schnell zu erkennen. Und bei mir hatte sie sehr schnell erkannt, das ist eine Frau, die kann bei Tagungen Vorträge halten, die kann was erforschen und kann dann später auch bei Publikationen mitwirken. So bin ich 1995 in die Gesellschaft reingewachsen. 1996 dann, da erinnere ich mich daran, dass schon da in Rundbriefen darauf hingewiesen wurde, dass es eigentlich das Ziel ist, ein Louise-Otto-Peters-Archiv zu gründen und auch eine ABM zu beantragen, für künftige Projekte. Also das war der nächste Dreh, das war etwas Neues. Also nicht nur diese Gedenktage, sondern jetzt überzugehen zu einer anderen Form von einer Verstetigung der Arbeit. Und 1996 dann vor allen Dingen die Wiederveröffentlichung oder die erstmals vollständige Veröffentlichung des Romans „Schloss und Fabrik“ von Louise Otto, und vor allem dazu dann die Ausstellung „Mit den Muth'gen will ich's halten“. Also die Ausstellung zur Zensurgeschichte des Romans aus dem Jahr 1846. Und da muss ich sagen, damals habe ich zum ersten Mal gedacht, Hut ab vor Johanna Ludwig, weil ich zum ersten Mal gesehen habe, wie sehr sie selber forscht. Also, dass sie in Archive geht. Sie hat ja im Staatsarchiv in Dresden die Zensurakte gefunden. Also wie akribisch sie interessiert ist an der Erforschung dieses Lebens, an dem Herausfinden von allem, was irgendwie möglich ist, und dazu eben Archivstudien. Sie hat die Zensurakte gefunden und dann daraus den Roman zum ersten Mal vollständig veröffentlicht und eben auch noch die Ausstellung gemacht und ist eben nicht nur bei den Erkenntnissen für sich selber geblieben, sondern hat das nach außen getragen und so auch Gedanken der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft natürlich transportiert. Und Louise Ottos Gedanken selbst, denn der Roman ist ja, ich weiß nicht, ob Sie ihn gelesen haben, ein toller Roman. Das ist ein sozialkritischer Roman aus dem Vormärz, in dem Louise Otto als junge Frau klug die großen Zeitfragen thematisiert. Sie geht da auf den Kommunismus ein. Es ist brillant, wie sie diese Strömung beschreibt. Oder eben auch, wie sie die Situation der Arbeiter in der Fabrik beschreibt und die unterschiedlichen Wege der Reform. Ihr Roman endet in einer Dystopie, in Zerstörung und Tod. Und das ist das große Thema, welches im Vormärz diejenigen, die darüber nachgedacht haben, bewegt hat. Wie können wir die Gesellschaft reformieren? Wird das alles wie bei Louise Otto im Chaos, im Tod, in einer Dystopie, in einer Zerstörung enden? Oder bekommen wir eine Reform der Gesellschaft hin? Entladen hat es sich dann in der Revolution 1848/49. Aber Louise Otto hat das eben schon 1846 gestaltet und klug ganz verschiedene Themen ihrer Zeit reflektiert. Und Johanna Ludwig hat das in Erinnerung gerufen. Die Ausstellung „Mit den Muth'gen will ich's halten“, ist dann eine gewesen, die ist unheimlich gut gelaufen. Die ist sehr schnell an vielen Orten, in vielen Städten in der ganzen Bundesrepublik gezeigt worden. Auch da hat die Gesellschaft dann einen Achtungs- und Aufmerksamkeitserfolg gelandet. Also, wenn man eine Ausstellung hat, die problemlos übernommen wird, ist das ein großer Erfolg. Das war so 1996 und damals auch schon die Ankündigung: wir machen das weiter, wir wollen weiter bedeutende Bücher oder Texte von Louise Otto veröffentlichen. Und das Nächste war 1997: „Das Recht der Frauen auf Erwerb“, die Neuauflage dieses Werkes von Louise Otto. Und auch da nicht einfach nur die Neuherausgabe des Buches, sondern die Präsentation des Buches vor dem großen aktuellen Hintergrund einer hohen Frauen-Erwerbslosigkeit, vor allem im Osten in den 1990er-Jahren und hier in Sachsen ganz besonders, wo vier Fünftel der Industriearbeitsplätze binnen kürzester Zeit weggebrochen sind und Hunderttausende arbeitslos wurden und darunter natürlich sehr viele Frauen. Da gab es dann 1997 eine Podiumsdiskussion zur Frauenmesse in Düsseldorf, wo die Herausgeberinnen des Buches „Das Recht der Frauen auf Erwerb“, also Johanna Ludwig, Ruth Götze, Astrid Franzke und Gisela Notz dabei waren und die Aktualität des Themas, des Rechts der Frauen auf Erwerb, diskutiert haben. Und wo dann 1997 auch ein aktueller Aufruf der Gesellschaft gestartet wurde, auch jetzt, 1997, bei der Organisation der Arbeit die Frauen nicht zu vergessen. Also nein, das ist erst ein Jahr später 1998 gewesen, im Kontext der Erinnerung an die Revolution von 1848/49. Aber es ist das gleiche Thema. Und das ist auch das Thema, das mich interessiert hat, das Recht der Frauen auf Erwerb unter neuen Bedingungen zu erhalten. Ja, also, das ist etwas Zentrales gewesen, was die Mitglieder der Gesellschaft in den 1990er-Jahren bewegt hat. Also den doppelten Lebensentwurf, den wir aus der DDR kannten, nicht aufzugeben, sondern daran festzuhalten, ein Recht zu haben auf Familie, aber auch auf Berufstätigkeit, auf beides. Darum ging es den Frauen. Und das ist auch im „Recht der Frauen auf Erwerb“ in gewisser Weise thematisiert worden. Aber das ist dann in den aktuellen Diskussionen immer Thema gewesen. Und Louise Otto hat dazu vielfach publiziert. Das „Recht der Frauen auf Erwerb“ ist ja ein Buch aus dem Jahr 1866, aber sie hat dazu zur Revolution 1848/49 auch schon publiziert und ihre berühmte „Adresse eines Mädchens“ publiziert am 20. Mai 1848 in der Leipziger Arbeiterzeitung. Das war dann ein Jahr später, 1998, die Erinnerung an die Revolution von 1848/49. Das war innerhalb der Geschichtswissenschaft ein riesiges Thema: „150 Jahre Revolution 1848/49 in Deutschland“. Das ist in einer Breite gewürdigt worden wie nie zuvor. Da sind bedeutende Veröffentlichungen zur 48er-Revolution erschienen, bedeutende Sammelbände 1998/99 rausgekommen. Danach galt das Thema als ausgeforscht, was es natürlich nicht ist. Aber aufgrund der Vielfalt von Veranstaltungen und Veröffentlichungen 1998/99 galt es erst mal als ausgeforscht. Was ich sagen möchte: Auch da war die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft wieder dabei. Da gab es eben wieder eine wissenschaftliche Tagung zu den „Frauen in der Revolution von 1848/49“, die die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gemeinsam mit Ilse Nagelschmidt und der Universität Leipzig organisiert hat. Und wieder gab es natürlich eine Publikation dazu. Und da war auch ich involviert. Also nicht nur mit einem Vortrag, sondern dann auch mit der Mitherausgabe des Buches. Und ja, so können wir jetzt die Jahre durchgehen. Ich glaube 2000… Was kam 2000? Da kamen dann 135 Jahre ADF, glaube ich, als großes Ereignis, mit dem wir uns auseinandergesetzt haben. Und ja, ich müsste jetzt wirklich auf meinen Zettel gucken, um zu sagen, was war 2000. Nein, da waren 100 Jahre Louise-Otto-Peters-Denkmal, erstmal. Dann aber der 135. Jahrestag der ADF-Gründung. Da haben wir uns dann auch beteiligt an einer großen Tagung des Deutschen Staatsbürgerinnen-Verbandes in Berlin. Da gibt es dann noch die unselige Geschichte einer Gedenktafel in der Ritterstraße zwölf, die erstmal nicht zustande kam. Da gab es auch ein gemeinsames Kolloquium des Leipziger Geschichtsvereins zu Bildung, Studium und Berufstätigkeit von Frauen und vieles andere mehr. Und ja, also, man kann so durchgehen. 2002 haben wir dann den 100. Todestag von Auguste Schmidt gewürdigt, mit einer wissenschaftlichen Tagung. Dann haben wir uns beteiligt an der „POLITEIA“, mit verschiedenen Veranstaltungen. 2003 war dann am 26. März in der Alten Handelsbörse eine große Festveranstaltung zum zehnten Jahrestag der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Naja, und so weiter und sofort. Wir haben Gedenktage weitergenutzt, aber ich denke, wir haben die Arbeit auch insgesamt noch auf andere Beine gestellt. Und da denke ich jetzt eben speziell an das Louise-Otto-Peters-Archiv und alles, was sich damit verband und was noch mal eine neue Qualität in der Arbeit der Gesellschaft gebracht hat.
I: Ich würde vielleicht mal kurz an das Forschungsthema anknüpfen. Sie haben jetzt schon viel darüber gesprochen und wir können vielleicht zusammenfassen, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft auf dem historischen Feld auch Grundlagenforschung geleistet hat. Wie ist denn aus Ihrer Sicht das Verhältnis in der Gesellschaft gewesen zwischen außeruniversitärer und universitärer Forschung?
B: Ich würde sagen völlig unkompliziert. Dieses Verhältnis ist ja manchmal sehr kompliziert, weil universitäre Forschung oft Deutungsansprüche anmeldet über Gegenstände. Und hier in der Gesellschaft ist es ja in den ersten Jahren so gewesen, dass Frauen ehrenamtlich geforscht haben, also ohne finanzierte Stellen. Also, das sind oft Frauen gewesen, die nach 1989/90 arbeitslos geworden sind und die früher zum Beispiel als Museumsfrauen oder Archivarinnen oder Bibliothekarinnen gearbeitet haben oder eben in ähnlichen Berufstätigkeiten waren und die jetzt ihr altes Know-how einfach genutzt haben, um für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zu forschen, um weiterzumachen. Und das eben völlig unbezahlt, so wie sie es gerade schaffen und machen konnten. Und das ist ja immer schwierig, wenn man keine finanzielle Grundlage hat, dann zu forschen, weil man zum Forschen oft in Archive fahren muss. Ja, und wenn man nicht sagen kann, ich forsche jetzt für die und die Institution, dann muss man auch noch Archivkosten bezahlen. Ja, also, es ist immer irgendwo eine Kostenfrage. Und wenn man das alles einfach so macht, dann ist das sehr beachtlich. Und das ist in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft vielfach der Fall gewesen, zum Beispiel hat Sonja Voigt viel zu Louise Otto und August Peters im Erzgebirge gearbeitet. Das Verhältnis ist von daher so gewesen, das würde ich sagen, dass Vertreterinnen der universitären Forschung anfangs wirklich in der Minderheit waren. Also, ich würde mich jetzt dazuzählen. Ich war damals wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leipzig, in den 1990er-Jahren bis 1998. Ansonsten, wenn ich jetzt so die Referentinnen durchgehe, ist erst so nach und nach es der Fall gewesen, dass wir es geschafft haben, als Gesellschaft prominente Forscherinnen zur Geschichte der Frauenbewegung dazu zubekommen. Also ich denke, 1999 ist das dann ziemlich gut gelungen. Da war dann eine Florence Hervé zum Beispiel in der Gesellschaft oder eine Carol Diethe kam aus London, oder Ruth-Ellen Boettcher Joeres aus Amerika war plötzlich in der Gesellschaft mit zu Gast und auch beim Louise-Otto-Peters-Tag dabei. Also das ist so ein Prozess gewesen, nach und nach etablierte Forscherinnen, die es zu dem Thema gibt, anzusprechen, zu gewinnen. Auch Irina Hundt kam dann dazu, 1999, glaube ich, beim Louise-Otto-Peters-Tag. Also, indem man selber gearbeitet hat und publiziert hat, wurde man von anderen allmählich wahrgenommen, so würde ich sagen. Auch zu der Tagung zur 48er-Revolution ist es ja gelungen, dass Gabriella Hauch aus Wien kam. Sie war ja die Erforscherin der Frauen in der Revolution, so würde ich mal sagen. Also sie hat die erste bedeutende Publikation dazu vorgelegt, über Wiener Frauen in der Revolution. Und sie ist dann gern bei uns zu Gast gewesen. Auch eine Carola Lipp ist gekommen. Das waren damals, würde ich sagen, die beiden Top-Frauen auf dem Gebiet Frauen in der 48er-Revolution. Und je besser man eben selber wahrgenommen wurde, und dazu haben vor allen Dingen Publikationen beigetragen, desto eher sind die anderen natürlich auch gekommen. Aber wenn ich so daran denke, also der Kontakt zu Gabriella Hauch oder auch Carola Lipp oder Florence Hervé, der ist völlig unproblematisch gewesen. Sie sind gerne bereit gewesen, zu kommen und sich einzubringen, um das, was sie wussten, was sie kannten, publik zu machen und auch die Gesellschaft zu unterstützen auf diese Art und Weise.
I: Sie haben vorhin auch schon Carol Diethe und Ruth-Ellen Boettcher Joeres erwähnt, die beide nicht aus Deutschland sind beziehungsweise die eine sogar aus den USA ist. Und die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hatte eben auch Kontakte nach Japan, in die USA und auch in andere Länder. Wissen Sie, wie das dazu gekommen ist? Also, wie die zustande gekommen sind?
B: Nein das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Da müsste man jetzt Johanna fragen können.
I: Okay, dann kommen wir mal zurück nach Leipzig. Mit welchen Leipziger Initiativen hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zusammengearbeitet? Also hier vor Ort und wie hat das funktioniert?
B: Ja, vor Ort gab es eigentlich sehr viele Initiativen und Vereine, mit denen die Gesellschaft zusammengearbeitet hat. Also ich denke da in erster Linie an Frauenkultur e.V. und Christine Rietzke. Da gab es schon sehr zeitig eine Zusammenarbeit. Oder ich denke auch an MONAliesA und an Susi Scharff, mit der schon sehr zeitig zusammengearbeitet und kooperiert wurde. Oder ich denke auch an den Leipziger Geschichtsverein. Sicher waren da die Kontakte nicht so eng, aber immerhin gab es ja dann auch ein gemeinsames Kolloquium am Ende der 90er-Jahre, wo man kooperiert hat. Vor Ort, wer fällt mir da noch ein? DIE LINKE, die PDS, die immer wieder die Gesellschaft unterstützt hat. Wer hat noch die Gesellschaft unterstützt? Die Leipziger Stadtführerinnen, mit denen Zusammenarbeit existierte, von denen es auch immer wieder Vertreterinnen gegeben hat, die zu den Louise-Otto-Peters-Tagen gekommen sind. Oder die Chopin-Gesellschaft oder das Schumann-Haus. Also da gab es dann vielfältige Kontaktpartner:innen in der Stadt. Und ich würde immer wieder auch erwähnen wollen Ilse Nagelschmidt als Gleichstellungsbeauftragte der Universität Leipzig. Sie war extrem wichtig, weil sie immer bereit war, bei wissenschaftlichen Tagungen mit der Gesellschaft zu kooperieren. Und das ist wichtig gewesen, diesen Rahmen zu haben. Und genauso wichtig - Genka Lapön als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Leipzig. Ich denke, man kann sie nicht genug würdigen in der Unterstützung der Gesellschaft über die Jahre hinweg. Und das trifft auch auf Evelin Irmscher zu, die ja dann leider verstorben ist, aber die in diesem ersten Jahrzehnt als Gleichstellungsbeauftragte beim Regierungspräsidium Leipzig sehr wichtig war und an die vielen Anträge gerichtet wurden auf Unterstützung von Louise-Otto-Peters-Tagen und von bestimmten Veranstaltungen. Und die Gesellschaft selber hatte ja lange überhaupt keine eigenen Räumlichkeiten, deshalb ist für sie natürlich bei großen Veranstaltungen Kooperation unabdingbar gewesen. Also zum Beispiel, um Lesungen zu machen, die ein größeres Publikum erreichten. Da wurde mit MONAliesA zum Beispiel zusammengearbeitet oder eben auch mit Frauenkultur, weil die Räumlichkeiten hatten, wo es möglich war, dass ein größerer Personenkreis zusammenkam. Und so wurde auch mit der Stadt Leipzig kooperiert, also in Bezug auf die Alte Handelsbörse oder dann den Festsaal des Rathauses mit dem Stadtgeschichtlichen Museum und so. Also da hat es vor Ort viele Partner:innen gegeben über die Jahre. Aber besonders würde ich sagen, in diesem ersten Jahrzehnt schon Frauenkultur und MONAliesA. Aber auch das Heinrich-Budde-Haus, also der Verein Heinrich-Budde-Haus, wo dann die Louise-Otto-Peters-Tage stattfinden konnten. Auch da gab es eine enge Kooperation schon in den 1990er-Jahren hier vor Ort. Und ja, und ich glaube, viel Gemeinsames ist da entstanden oder eben überhaupt die Möglichkeit erkannt worden, so zu kooperieren im Kontext des Abrisses oder des geplanten Abrisses des Henriette-Goldschmidt-Hauses. Also da ist seit 1995 die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft sehr aktiv gewesen, seitdem die Abrisspläne bekannt wurden, und hat sich ja von Anfang an mit anderen Initiativen vernetzt. Und da gehörten wieder die Genannten unbedingt dazu. Also da gab es auch über diesen gemeinsamen Protest und die vielen Aktionen dazu von Anfang an viele Kontakte und Vernetzung.
I: Zu dem Henriette-Goldschmidt-Haus würde später auch noch einmal kommen. Aber ich würde, glaube ich, bei den Räumen nochmal bleiben. Sie haben es schon erwähnt, die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hatte keine Räume. Irgendwann hatte sie dann welche. Aber sie ist sehr oft umgezogen. Können Sie sagen, wie es dazu kam, dass die so häufig umgezogen ist?
B: Naja, also den ersten gemeinsamen Raum hatte sie ja in der Magazingasse, nicht? Oder? Ich muss noch mal gucken. (blättert) Ich habe es extra rausgesucht, wo waren die Räume? Ja, in der Magazingasse drei, nämlich 1997. Und das war nur ein ganz kleiner Raum. Und der Raum war dann einfach sehr schnell viel zu klein. Denn das war der Raum fürs Louise-Otto-Peters-Archiv. Da bestand einfach größerer Raumbedarf. Und dann zog die Gesellschaft in die Talstraße um. Ich weiß nicht genau, wann das war, ob das 1998 oder 1999 war, das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Da bin ich auch nicht dabei gewesen bei dem Umzug. Aber die Gesellschaft zog dann in die Talstraße um. Und da war ich dann aber dabei, als 1999 der Vertrag gekündigt wurde. Da hat der Vermieter plötzlich der Gesellschaft ein Kündigungsschreiben ins Haus geschickt. Nein, das muss 2000 gewesen sein, oder? Ich weiß es nicht genau, 1999 oder 2000? 2000 wurde uns gekündigt. Also da habe ich noch ein Schreiben von mir gefunden, wo ich dann im Dezember 2000 dem Vermieter geschrieben habe, wir haben jetzt ausgeräumt und übergeben die Räume. Damals war ich ja dann schon stellvertretende Vorsitzende und habe mich da engagiert. Und wir haben dann eben ganz schnell nach neuen Räumen gesucht und größere Räume – und vor allen Dingen vom Preis her für uns mögliche Räume – in der Waldstraße 23 gefunden. Und das war der erste Umzug, den ich auch mitgemacht habe. Ja, und dann gab's ja später noch einen weiteren Umzug. Aber jetzt in diesen zehn Jahren waren das die drei Adressen: Magazingasse drei, dann die Talstraße und dann die Waldstraße.
I: Wie hat sich der Verein finanziert und was waren die Herausforderungen bei der Finanzierung?
B: Naja, finanziert hat sich der Verein in den ersten Jahren rein durch die Mitgliedsbeiträge, die sehr gering waren. Das heißt, damit konnte man keine großen Sprünge machen. Da wird schon ein Problem sichtbar. Also es war nötig, finanzielle Ressourcen anderer in Anspruch zu nehmen, dort, wo es eben möglich war, also zum Beispiel städtische Förderung durch die Gleichstellungsbeauftragte oder städtische Förderung über das Kulturamt zu beantragen oder dann Förderung über das Regierungspräsidium Leipzig zu erreichen. Und ja, in den ersten Jahren, wie gesagt, gab es nur die Mitgliedsbeiträge. Ich weiß nicht genau, ob es entweder 1995 oder 1996 zum ersten Mal 3.000 DM Förderung durch die Stadt gegeben hat. Das müssten Sie vermutlich besser recherchieren können als ich. Ich habe in einem der Rundbriefe, ich glaube 1995 oder 1996, den Satz gefunden, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft bald Rechnung legen muss für 3.000 DM, die sie erhalten hat, für irgendwelche Projekte. Ich nehme an, im Kontext von 1995, das ist jetzt meine Vermutung, des 100. Todestages und der Veranstaltungen da, denn die mussten auch finanziert werden. Das ließ sich nicht einfach so machen. Da war Geld nötig. Und in vielen Rundbriefen spielte es - oder nicht in vielen, aber in einigen - deswegen auch immer wieder eine Rolle, die Mitglieder zu erinnern, dass noch Mitgliedsbeiträge zu zahlen sind. Und viel lief am Anfang über Spendenaufrufe. Ja also, weil man ja weiter keine eigenen Mittel hatte. Zum Beispiel ist es sehr zeitig eine Idee gewesen, schon 1996, die Neuen Bahnen vollständig zu erwerben, also das Publikationsorgan des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins vollständig zu erwerben. Nicht im Original, aber eben in Kopien zu erwerben und das hat Geld gekostet. Und da gab es dann einen großen Spendenaufruf an die Mitglieder. Und es ist gespendet worden, es ist möglich gewesen, die Neuen Bahnen zu erwerben. Nur hatte man 1996 noch gar keinen Ort, wo man die unterstellen konnte, um sie verfügbar zu machen zur Nutzung, weil man ja noch keine eigenen Räume hatte, weil die Adresse des Vereins noch die Wohnadresse von Johanna Ludwig war. Es gab keinen Ort, wo man zusammenkommen konnte. Das ist eigentlich sehr problematisch für einen Verein. Und deswegen war es wichtig, dann sich überhaupt darum zu kümmern, an eigene Räume zu kommen. Und da war dann die Idee, das Louise-Otto-Peters-Archiv zu gründen. Das brauchte ja einen Ort. Also einfach eine Adresse, einen Ort. Aber wir waren beim Thema Finanzierung. Also ich wollte nur sagen, am Anfang gab es Mitgliedsbeiträge, immer wieder Spendenaufrufe für besondere Aktionen, auch bei der Gedenktafel zur Gründung des ADF im Jahr 2000, die in der Ritterstraße zwölf angebracht werden sollte. Und die Mitglieder haben gespendet, nur konnte die Tafel leider trotzdem nicht angebracht werden. Aber das ist eine andere Geschichte. Naja. Also so sah die Finanzierung aus. Und als dann das Archiv gegründet war und eben eine Einrichtung war, die verstetigt werden sollte, die erhalten bleiben sollte, war es natürlich immer wieder nötig, auch Förderanträge zu stellen, eben an die Gleichstellungsbeauftragte, die vor allen Dingen die Kosten für die Räume übernommen hat. Und das jahrelang, jahrzehntelang kann man sagen und an das Kulturamt für bestimmte Projekte und auch an das Regierungspräsidium für bestimmte Projekte. Und ich weiß, wir haben uns im Vorstand – als ich dann im Vorstand war ab 2000 – immer wieder Gedanken gemacht, wo wir noch Geld anzapfen könnten. Aber so ein Projekt wie das Digitale Deutsche Frauenarchiv gab es noch nicht. Es existierte einfach noch nicht. Man konnte nur seine Fühler ausstrecken und schauen, was gibt es für Stiftungen, die Kultur fördern, die auch Auseinandersetzungen mit Geschichte, mit Frauengeschichte fördern? Auch da waren wir mal in Kontakt mit einer Stiftung, die genau so etwas unterstützt hat. Aber wir wurden mehr oder weniger auf die lange Warteliste anderer Projekte hingewiesen. Das heißt, das war völlig aussichtslos, da irgendetwas zu beantragen. Und so ist dann auch die Idee entstanden, also, wenn man wirklich Forschung will und ein richtiges Forschungsprojekt will, das kann ja die Gesellschaft nicht bei einer Wissenschaftsstiftung beantragen. Das geht ja nicht. Da ist ja eine wissenschaftliche Einrichtung, ein wissenschaftlicher Träger, eine Professur dafür nötig. Also war dann die Idee da, wenn wir das machen wollen, brauchen wir eine Professur, an der wir ein wissenschaftliches Projekt ansiedeln können. Und da hatte Irina Hundt die goldene Idee, dass sie und ich gemeinsam ein Forschungsprojekt machen, „Louise Otto-Peters und die organisatorischen Anfänge der deutschen Frauenbewegung“, um die Situation von Frauen nach der gescheiterten Revolution 1848/49 bis zur ADF-Gründung zu untersuchen und zu erforschen, wer ist eigentlich der Kreis der Personen, die 1865 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Frauenverein gründen? Und dieses Forschungsprojekt haben wir als ein wissenschaftliches Projekt bei Ilse Nagelschmidt angesiedelt, die ja gleichzeitig eine Professur, ich glaube, für Neuere Deutsche Literatur hatte. Wir haben dieses Projekt bei ihr an der Professur angesiedelt und bei der Thyssen-Stiftung beantragt und haben es auch bekommen. Also insofern hatte die Gesellschaft gemeinsam mit dem Deutschen Staatsbürgerinnenverband, für den Irina Hundt stand, ich stand für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft… Wir hatten als Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und Deutscher Staatsbürgerinnenverband ein gemeinsames Forschungsprojekt, angesiedelt bei Ilse Nagelschmidt an der Universität Leipzig. Aber das ist leider nur sehr kurzzeitig gefördert worden. Also ich bin konkret ein Jahr und drei Monate gefördert worden, Irina Hundt ist zwei Jahre gefördert worden. Und dann war das Projekt zu Ende. Und das ist auch nicht verlängert worden. Wir hatten einen Verlängerungsantrag gestellt, aber die Verlängerung ist nicht genehmigt worden. Aber so ist dann eben auch finanzierte Forschung auf den Weg gekommen.
I: Sie haben sie ja schon ein bisschen häufiger erwähnt, ich frage noch mal kurz nach: Welche Rolle hatte denn aus Ihrer Sicht die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt?
B: Eine ganz bedeutende Rolle. Also, wie gesagt, das kann man nur dick unterstreichen. Genka Lapön hat all die Jahre wirklich mit einem großen Verständnis die Bestrebungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gefördert. Für sie war es natürlich. Die das Louise-Otto-Peters-Archiv finanziert hat, indem sie die Räumlichkeiten für das Archiv finanziert hat und somit der Gesellschaft einen Ort in der Stadt gegeben hat und auch dem Archiv einen Ort gegeben hat, damit es sich verstetigen konnte, das ist aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig gewesen. Aber sie war auch immer wieder Ansprechpartnerin, Kooperationspartnerin für größere Veranstaltungen, für literarisch-musikalische Programme in der Stadt. Ich glaube, 2002 haben wir eine Festveranstaltung zur Würdigung von Auguste Schmidt gemacht in der Alten Handelsbörse, mit einem tollen Programm und mit Inge von Bönninghausen, die damals als Vorsitzende des Deutschen Frauenrates die Festrednerin war. Und für diese Veranstaltung war Genka Lapön Kooperationspartnerin. Das heißt, da hat die Stadt eben Inge von Bönninghausen finanziert und die Kosten für die Handelsbörse übernommen und so weiter und sofort. Und das hat es über die Jahre immer wieder gegeben. Also Genka Lapön ist wirklich treue Begleiterin der Gesellschaft geblieben. Man kann ihr wirklich nur danken, dass sie so weitsichtig war. Ja also, dass sie diese Weitsicht besaß und auch dieses persönliche Interesse, diese Bestrebungen zu unterstützen. Sie ist oft auch bei den Louise-Otto-Peters-Tagen dabei gewesen oder bei anderen Veranstaltungen der Gesellschaft.
I: Im Verein gab es relativ früh schon Leute aus Westdeutschland und aus Ostdeutschland, die aktiv waren. Wie haben Sie denn die Aktivistinnen aus Westdeutschland erlebt?
B: Ja, naja, da fällt mir Godula Kosack natürlich als Gründungsmitglied ein und auch Vorstandsmitglied der Gesellschaft in den 1990er-Jahren und zum Teil auch noch in den 2000er-Jahren. Und ich denke, sie hat sich toll eingebracht, auch vor allen eben mit den Erfahrungen aus der frauenpolitischen Arbeit, die sie schon hatte. Und sie hat das, was sie in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gemacht hat, stark mit eigenen Interessen verbunden. Ich denke jetzt an die Hexentage 1999. Hexen waren für sie, die als Afrikanistin und Kulturwissenschaftlerin arbeitet, nicht nur Thema der Vergangenheit, sondern auch eins der Gegenwart. Also das ist zum Beispiel so etwas gewesen. Oder sie hat sich immer wieder eingebracht, wenn sie in Afrika gewesen ist, dorthin gereist ist und hat dann dazu immer Berichte in die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gebracht, über die Situation von Frauen dort und so den Blick auch geweitet. Dass der Blick nicht nur in der Geschichte war, sondern auch auf die vielfältigen, unterschiedlichen Situationen von Frauen in der Gegenwart gerichtet war. Also da, würde ich sagen, war eine große Stärke von Godula, ihre eigenen Forschungen, ihre eigenen Arbeiten zu verbinden und als Bereicherung bei Louise-Otto-Peters-Tagen oder anderen Veranstaltungen einzubringen. Und ansonsten fällt mir vor allen Dingen Gisela Notz ein, die ja auch Gründungsmitglied war und die eben 1997 beteiligt war an der Wiederherausgabe von Louise Ottos Schrift „Das Recht der Frauen auf Erwerb“, die dann da auch bei der Podiumsdiskussion in Düsseldorf mit dabei war. Und die große Erfahrungen aus der erinnerungskulturellen Arbeit hatte, denn sie ist ja beschäftigt gewesen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Also sie ist sehr wichtig gewesen, weil sie einfach viele Erfahrungen hatte, auch viele Personen kannte und immer wieder Anregungen geben konnte, was ist zu machen, wen könnte man ansprechen, wen könnte man fragen? Gisela Notz ist jemand, der mir in sehr angenehmer Erinnerung ist. Und ich freue mich immer, wenn ich sie treffe. Unlängst war sie ja auch dabei. Gisela Notz ist jemand, der eben, wie soll ich sagen, unsere Erfahrungen wertgeschätzt hat. Und die waren eben oft andere, und die uns nicht ins Abseits gestellt hat oder uns nicht erklärt hat, was wir alles falsch sehen, sondern die uns so angenommen hat, wie wir waren. Naja, und dann gab es zeitweise auch engen Kontakt zu Hannelore Schröder, anfangs ein sehr freundschaftlicher Kontakt im Kontext der Erinnerung an Olympe de Gouges. Das hat uns bereichert, hat unseren Blick sehr bereichert, denn ich denke, wir hätten ihn nicht so ohne weiteres auf Olympe de Gouges und die Frauen-Rechtsproblematik schon in der Französischen Revolution gehabt. Das sind Impulse gewesen, die kamen von Hannelore Schröder. Die waren wichtig, um unser Denken da auch ein Stück voranzubringen, muss ich ganz ehrlich sagen. Also das war alles gut. Und es wurde ja noch besser. Hannelore Schröder hat dann der Gesellschaft auch ein großes Geschenk gemacht und ein Biedermeierzimmer geschenkt. Aber später hat sich das Verhältnis doch etwas abgekühlt und die Intensität der Anfänge hat sich nicht fortgesetzt. So möchte ich es mal vorsichtig formulieren. Und es endete ja dann damit, dass Hannelore Schröder ihr Biedermeierzimmer zurückhaben wollte, weil sie eben fand, dass es nicht mehr die einstige Übereinstimmung der Ziele und Ideale gab, so würde ich es vielleicht formulieren wollen, ja.
I: Wie haben Sie denn die bundesdeutsche Frauenpolitik nach der Vereinigung erlebt?
B: Naja, ich würde sagen schon als sehr ambivalent, weil es auf politischer Ebene ja viel zu klären gab, weil die DDR in ihrer Gesetzgebung auf vielen Gebieten weiter gewesen ist, viel frauenfreundlicher gewesen ist als die bundesrepublikanische Gesetzgebung. Also das betrifft vor allen Dingen das Unehelichen-Recht, wo es noch Unterschiede gegeben hat, wo die DDR viel weiter war. Oder das betrifft auch das Abtreibungsrecht, wo die DDR einfach viel liberaler war und eine viel frauenfreundlichere Gesetzgebung besaß als die alte Bundesrepublik. Und mit der sogenannten Wiedervereinigung oder dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik, da war ja offen, was passiert jetzt, welches Recht wird an welches angeglichen? Also eigentlich war es klar, der, der sich anschließt, der gleicht sich an das andere Recht an. Aber dagegen hat es Widerstand gegeben, weil das DDR-Recht ja eigentlich das liberalere, bessere gewesen ist. Also ging es nun darum, wie geht das aus? Welches Recht wird das künftige Recht der Frauen sein? Und das hat uns schon umgetrieben. Da haben wir uns schon gefragt, was passiert jetzt hier eigentlich? Und dann war das riesige Problem, nach 1990, ich habe es vorhin schon in Zahlen angedeutet, Sachsen war ein Land, das sehr stark industrialisiert war, sehr zeitig, und auch in der DDR ein Kernland von Industrie gewesen ist. Aber vier Fünftel der Industriearbeitsplätze sind weggebrochen, weil die Betriebe einfach als nicht mehr konkurrenzfähig galten, nach der Wiedervereinigung Märkte wegbrachen, sich alles gewandelt hat, die Treuhand dann die Privatisierung der Unternehmen vorangetrieben hat. Aber nur zehn Prozent der Unternehmen überhaupt als privatisierbar eingeschätzt hat. Also damit wird deutlich, wie brachial sich hier Arbeitslosigkeit als ein neues Thema etabliert hat, dass wir alle gar nicht kannten. Und das war natürlich schon ein großes Thema. Und bei dem, was ich eingangs sagte, bei diesem Gesprächskreis Frauenforschung, 1993 in der sächsischen Staatskanzlei, da stellte zum Beispiel ZAROF (also Zentrum für Arbeits- und Organisationsforschung) eine Studie vor zum Wandel der Frauenarbeit, einmal in den Braunkohletagebauten und dann im Einzelhandel. Die benannten als wichtigstes Ergebnis ihrer Studien, dass in beiden Bereichen Frauen total von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Aber dass das Ergebnis ihrer Untersuchung war, dass Frauen das nicht einfach akzeptierten, sondern dass sie festhielten am doppelten Lebensentwurf. Das heißt, sie haben darauf bestanden, ein Recht auf Berufstätigkeit und auf Familie zu haben und nicht entscheiden zu müssen zwischen beiden. Ja, das ist da deutlich gewonnen. Und das war klar. Und da war so ein Vorwurf bestimmter Politiker aus dem Westen an die Ostfrauen, dass die Arbeitslosigkeit im Osten nur deshalb so hoch sei, weil die Frauen ein völlig falsches Lebensbild haben - eins, das auf Erwerbstätigkeit gründet. Ja, also, da war daran gedacht, warum können die nicht ihre Mutterrolle in Ehe und Familie ausüben, dann ist ja die Arbeitslosigkeit drastisch reduziert. Warum müssen die erwerbstätig sein? Warum ist das ihre Lebensvorstellung? Ich behaupte nicht, dass die Mehrheit so diskutiert hat. Aber solche Stimmen gab es, die den Frauen vorgeworfen haben, dass sie selber schuld sind an ihrem Elend, weil sie einfach eine völlig falsche Lebensperspektive verfolgen. Das ist so der Vorwurf gewesen. Also ein Vorwurf gewesen. Also insofern war das schon ziemlich ambivalent. Ich behaupte ja nicht, dass die ganze Politik so gewesen ist. Aber solche Stimmen gab es, und dagegen galt es, das Recht der Frauen auf Berufstätigkeit und auf Bildung zu verteidigen. Und solche Prozesse liefen eben in den 1990er-Jahren auf allgemein gesellschaftspolitischer Ebene ab. Aber sie widerspiegelten sich in jedem individuellen Schicksal bei uns. Also jede von uns war von extremem Wandel in den persönlichen Lebensverhältnissen betroffen. Und insofern hatte alles, jede große gesellschaftliche Diskussion, immer irgendwo auch eine sehr persönliche Komponente. Ich erwähnte ja schon, in der DDR hatte ich zum Schluss eine unbefristete Anstellung und die war dann sofort nach der Wende verloren. Und ich habe dann nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag gekriegt und musste dann eben, wie es im Westen an den Hochschulen üblich ist, sehen, wie ich weiterkomme. Aber so ging es ja allen anderen in allen anderen Bereichen auch. Also da war einfach das ganze Leben, das ganze persönliche Leben auch im Wandel. Ja, im Rückblick muss ich sagen, ist es eigentlich erstaunlich, wie friedlich und ruhig trotzdem diese Transformation vonstattenging. Denn wenn ich heute an die großen Streiks denke, um dies, das und jenes, oder den Aufschrei, wenn irgendwo in Deutschland irgendein Unternehmen seinen Arbeitsplatz wegverlagern will, nach Amerika, nach China oder nach sonst wo – dann ist das immer eine öffentliche Debatte und einen Aufschrei wert. Und immer sind deutsche Arbeitsplätze das große Thema, die jetzt in Gefahr sind. Das habe ich überhaupt nicht erlebt, dass es da in den 1990er-Jahren so einen Aufschrei gegeben hat, obwohl damals viel mehr Arbeitsplätze einfach verschwunden sind. Die Menschen haben das eigentlich mit einer großen Ruhe irgendwo gemanagt. Also, würde ich denken, wenn ich das mit heutigen Diskussionen vergleiche, dann wundere ich mich, wie friedlich und ruhig alles vonstatten ging.
I: Um bei diesem Wandel zu bleiben, der sich da gesellschaftlich vollzogen hat, hat sich der in der Art und Weise gezeigt, wie sich die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft vielleicht in tagespolitische Themen eingemischt hat? Wir hatten vorhin schon, dass sie „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ mit so einer Diskussion eröffnet haben. Und auch die Unterschriftenaktionen. Aber sind Ihnen vielleicht noch andere Aktionen in Erinnerung, wo sich die Gesellschaft in tagespolitische Themen eingemischt hat und vor allem, wie?
B: Also „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ hatten wir schon besprochen, aber dann der Abriss des Henriette-Goldschmidt-Hauses, das hatten wir ja auch schon gestreift. Da habe ich in den Rundbriefen seit 1995 immer wieder und immer wieder Hinweise auf den aktuellen Stand gefunden. Ja, also, wie steht es jetzt? Was hat die Gesellschaft unternommen? Was hat die gemeinsame Initiative unternommen? Wie wurde protestiert, welche Aktionen stehen an? Unterschriftensammlungen, immer wieder Unterschriftensammlungen, auch zu Louise-Otto-Peters-Tagen immer wieder Unterschriftensammlungen. Darüber wurde immer wieder informiert, bis zum Abriss des Hauses. Und nach dem Abriss des Hauses, als es eben passiert war, dann das Bestreben, stattdessen ein anderes Haus zu bekommen für die Frauenvereine der Stadt und insofern den Geist der Stiftung von Henri Hinrichsen zu erfüllen. Und das ist ja bis heute offen. Also bis heute haben die Frauen kein Haus. Aber ich weiß zum Beispiel, beim Louise-Otto-Peters-Tag, 2002 im November, da war das wieder Thema, dass das Henriette-Goldschmidt-Haus abgerissen ist, völlig sinnlos. Da das andere Haus immer noch nicht da war, gab es dann einen Protestbrief, von Johanna Ludwig und der Frau Kemp unterschrieben, an den OBM, wo eingefordert wurde, endlich die Thematik des Hauses ernst zu nehmen. Das heißt, das ist so ein Thema gewesen, das auch weiterverfolgt wurde, nach dem Abriss. Oder dann die große Kampagne der Stadt Leipzig: Nach den Eingemeindungen 1999 waren Straßenumbenennungen nötig, weil es in den eingemeindeten Orten gleiche Straßennamen gab. Also mussten Straßenumbenennungen stattfinden. Und in dem Kontext hatte die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft beantragt, dass eben auch Straßen nach Frauen benannt werden. Also konkret hatte man eine Louise-Otto-Peters-Straße gefordert, aber auch eine Auguste-Schmidt-Straße, eine Anna-Kuhnow-Straße und darauf hingewiesen, dass viel zu wenig Straßen die Namen von Frauen tragen, die es auch verdienen, dass an sie und ihr Wirken und ihr Werk erinnert wird. Das ist so ein nächster Strang gewesen: Straßenbenennungen. Und als der Stadtrat die Straße, wo Louise Otto-Peters gelebt hatte, nicht in Louise-Otto-Peters-Straße umbenannt, sondern in Ludwig-Erhard-Straße oder -Allee benannt hatte – ich weiß jetzt nicht genau, ob es Allee oder Straße heißt – da hat die Gesellschaft protestiert. Also, da hat sie einen Protestbrief eingereicht und ist in Widerspruch gegen diese Entscheidung des Stadtrates gegangen. Sie hat sich eben nicht abspeisen lassen und sie ist dann auch in die Öffentlichkeit gegangen. Also, das weiß ich, weil ich da schon Vorstandsmitglied war. Ich hatte diesen Widerspruch formuliert, der dann eingereicht wurde. Ich hatte auch Kontakt zur Lokalredaktion der LVZ aufgenommen, die dann einen Beitrag brachte, eben über das problematische Verhältnis der aktuellen Stadtväter und -mütter zu Louise Otto-Peters und dem Erbe der deutschen Frauenbewegung in der Stadt. Und da gab es ja dann auch von den GRÜNEN einen Vorstoß, dann eine andere prominente Straße der Stadt in nächster Zeit nach Louise Otto-Peters zu benennen. Dem hat sich die Gesellschaft angeschlossen und auch dafür plädiert. Es hat natürlich noch Jahre gedauert, erst 2006 war es soweit. Aber 2006 ist dann ja tatsächlich diese Staatsstraße eins, die auch noch gebaut werden musste, im Norden der Stadt, ein großer Autobahnzubringer, nach Louise Otto-Peters benannt worden. Die Gesellschaft fand das anfangs nicht toll, weil uns klar war, wenn da jetzt eine neue Straße erst noch gebaut wird, wer hat denn dann die Wohnadresse Louise Otto-Peters-Straße oder -Allee? Eigentlich niemand. Na also, da lebt ja erst mal noch niemand oder nur sehr wenige leben da. Wie kann dann dieser Straßenname trotzdem bekannt werden in der Stadt? Das war unser Thema. Und wir haben uns gesagt, na ja, tolle Idee, aber was sollen wir machen? Besser da ja sagen, als gar nichts haben. Aber die Idee war letztlich Gold wert. Das hat sich erst im Nachhinein gezeigt: Ich bin ja Autofahrerin und ich höre sehr oft den Verkehrsfunk und die Meldungen von Blitzern. Und da stand ein Blitzer an der Straße und fast täglich, wenn ich nach Dresden gefahren bin, habe ich gehört: „Achtung, Liebe Autofahrer-Freunde, ein Blitzer steht an der Louise-Otto-Peters-Allee!“ Und so wurde der Name eigentlich in ganz Sachsen, wenn man Regionalradio gehört hat, bekannt und berühmt. (lacht) Ja, manchmal kommt es anders, als man denkt. Da wird Popularität erreicht. Das ist so eine schöne Nebengeschichte, finde ich.
I: Ja, danke für die, die war mir noch nicht bekannt. Ich würde noch mal kurz auf das Henriette-Goldschmidt-Haus eingehen, weil Sie es jetzt schon so oft erwähnt haben, um es doch nochmal zu bündeln. Wie haben Sie denn den Kampf um das Henriette-Goldschmidt-Haus erlebt?
B: Na ja, ich habe nicht zu denen gehört, die sich irgendwo angekettet haben oder mit Kerzen davorgestanden haben. Aber ich habe garantiert mitunterschrieben, wann immer eine Unterschriftensammlung fällig war. Ich sage mal, es gab da einfach auch so eine Art Aufgabenteilung in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Es gab einige, die da von Anfang an sehr engagiert waren, auch aus persönlichen Gründen, wie eine Annerose Kemp beispielsweise und eine Johanna Ludwig, die da immer bei allem mit dabei waren und vielleicht einige andere auch noch, die zu jeder Protestaktion gegangen sind. Aber das habe ich nicht gemacht. Ich habe einfach anderes gemacht. Und ich hatte in den Jahren ja auch wirklich vieles andere zu tun. Ich bin ja auch Sekretärin des sozialgeschichtlichen Arbeitskreises in Leipzig gewesen in der Zeit und habe zweimal im Jahr da eine Tagung organisiert. Oder als ich dann nicht mehr an der Uni Leipzig war, musste ich mich darum bemühen, anderswo Arbeitsstellen zu finden. Ich war 1998/99 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der TU Chemnitz tätig und von 2000 bis 2001 an der Professur für Zeitgeschichte der FSU Jena – war also nicht in Leipzig ständig vor Ort. Gleichzeitig habe ich an meiner Habilitation gearbeitet. Das heißt also, ja, es gab eine Arbeitsteilung, und ich habe das verfolgt. Ich habe das auch immer unterstützt, durch Unterschriften oder durch dafür sein oder gegen den Abriss und für jede Aktion sein. Aber ich habe nicht zu den zu den Frauen gehört, die vor Ort dabei waren.
I: Wir haben auf Fotos gesehen, dass es da Aktionen gab, die sehr auf Kinder ausgerichtet werden oder um Kinder herum gestaltet waren. Können Sie etwas dazu sagen?
B: Nein, nicht wirklich. Also, da kann ich wenig dazu sagen. Aber ich weiß natürlich, dass Nina Preißler, die in der Zeit ja auch in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft aktiv gewesen ist und vier Kinder hatte, das Thema Kinder und Familie immer auch an die Gesellschaft ran getragen hat. (I: Können Sie dazu vielleicht ein bisschen mehr sagen? Also wir haben auch auf anderen Fotos gesehen, dass Kinder hier im Archiv gewesen sind, also nicht zum Recherchieren, sondern als Begleitung.) Nein, da kann ich nichts Genaues sagen. Aber ich könnte mir eben vorstellen, dass Nina zum Beispiel kleine Kinder mitgebracht hat, wenn sie hierherkam. Und sie war ja sehr aktiv, bei den ersten Publikationen der Gesellschaft, auch bei dieser Ausstellung „Leipziger Lerchen. Frauen erinnern“, die dann gezeigt wurde in der Henriette-Goldschmidt-Schule, zum 90. Geburtstag der Schule. Auch für diese Ausstellung hatte sie sich engagiert. Und sie hatte da schon kleine Kinder an ihrer Seite. Und ich kann mir einfach vorstellen, dass sie die vielleicht mitgebracht hat. Aber dann gab es natürlich auch Mitglieder der Gesellschaft, die schon größere Kinder hatten. Also ich weiß, dass eine Tochter von Manfred Leyh mal bei einem Louise-Otto-Peters-Tag etwas referiert hat, vorgetragen hat, was wir dann auch veröffentlicht haben. Aber ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Aber den Kontakt zu Jugendlichen zu suchen, das Bestreben war von Anfang an auf jeden Fall auch da. Auch den Kontakt zu Schulen aufzubauen. Und so ist es ja in den 1990er-Jahren gewesen, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft sehr eng mit einer Fraueninitiative aus Schkeuditz zusammengearbeitet hat, Frauen für Frauen, die erreichen wollten, dass in Schkeuditz eine Schule nach Louise Otto-Peters benannt wird. Oder dass die Louise Otto-Peters- Gesellschaft auch zusammengearbeitet hat mit einer Initiative in Markranstädt, wo es auch darum ging, die Schule, das Gymnasium, nach Louise Otto zu benennen. Also da gab es immer das Angebot, wir unterstützen euch zum Beispiel damit, dass wir eine Ausstellung bei euch zeigen, „Mit den Muth'gen will ich's halten“ zum Beispiel. Oder eine andere Ausstellung, die die Gesellschaft schon hatte, um so Initiativen vor Ort zu unterstützen und so den Namen nicht nur für Straßen, sondern eben auch für Schulen noch viel stärker in Erinnerung zu rufen. Und bei einer Schule - das sind dann immer sehr viele Menschen. Wenn ich mein Kind an die Louise-Otto-Peter-Schule schicke, dann frage ich mich schon, wer war denn das? Also so einfach ist es ja dann. Das aber durchzusetzen, das ist nicht so einfach. Und da ist es sicherlich der letzte große Coup gewesen, den Johanna Ludwig auch persönlich hatte, der ihr 2013 gelungen ist, die Umbenennung in Louise-Otto-Peters-Gymnasium in Leipzig. Also das war ein großer Coup. Und da hat sie mit dafür geworben, da ist sie noch persönlich in die Schulkonferenz gegangen und hat Louise Otto-Peters vorgestellt. Und ich glaube, Theodor Mommsen stand ja auch zur Auswahl. (I: Richard Wagner meine ich.) Ach, Richard Wagner. Also, sie hatte auf jeden Fall prominente Konkurrenz. Ich weiß nicht, ob Johanna es noch erlebt hat vor ihrem Tod. Ich glaube, sie hat es noch erlebt. Sie ist ja im August gestorben und ich glaube, vorher war dann klar, dass die Schulkonferenz sich für den Namen Louise Otto-Peters entschieden hatte. Das war wirklich der letzte große Coup, den sie landen konnte. Und der zeigt dieses erinnerungspolitische Engagement mit dem Charakter von Einmischen in Aktuelles. Und das ist ja immer etwas Aktuelles, wenn es um Straßenbenennung geht, wenn es um Schulbenennung geht. Und dieses Einmischen, dieser Aktivismus, da würde ich sagen, da war die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft auch bei verschiedenen anderen großen Dingen immer dabei, immer bereit zu kooperieren. Also zum Beispiel bei der Aktion von Terre des Femmes, diese Fahnenaktion am 25. November (Sirenen im Hintergrund) – da hat sich die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft immer dran beteiligt, seitdem es diese Aktion gab. Ich glaube, 2001 hat Terre des Femmes diese Fahnenaktion am 25. November gestartet. „Terre des Femmes und Menschenrechte für die Frau e. V. Gleichberechtigt, selbstbestimmt und frei“ ist da das Anliegen. Diese Fahnenaktion ist immer eine Aktion gegen Gewalt gegen Frauen. Ja, also, da hat sich die Gesellschaft beteiligt, indem wir uns mal gemeinsam reinfinanziert haben in eine gemeinsame Fahne mit Frauenkultur, die wir dann gehisst haben und die dann auch Frauenkultur gehisst hat. Oder eben auch die Beteiligung der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft an „POLITEIA“, dieser großen Ausstellung, die der Deutsche Bundestag über Frauen in der Nachkriegsgeschichte oder die Erinnerung an bedeutende Frauen der Nachkriegsgeschichte gezeigt hat. Es war eine Wanderausstellung. Und die kam nach Leipzig. Das war, glaube ich, 2002 im Herbst. 2003 war die ein halbes Jahr lang auch in Leipzig zu sehen, die „POLITEIA“. Und da hat sich unsere Gesellschaft mit drei Aktionen im Begleitprogramm dran beteiligt. Das war immer das Bestreben, sich dann, wenn es möglich ist, einzubringen als Gesellschaft, und Zeichen zu setzen und eben auch da zu sein. Natürlich jetzt nicht zur Nachkriegszeit, nach dem Zweiten Weltkrieg etwas anzubieten, aber eben längere Wurzeln, längere Traditionen von Frauen, ihres emanzipatorischen Denkens und Handelns zu zeigen. Und da ist man dann immer wieder auf Louise Otto-Peters gekommen und auf Leipzig, als wichtigen Ort der deutschen Frauenbewegung oder auf ihre Frauen-Zeitung, im Kontext von Frauenzeitungen. Oder auch die Schrift „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ ist da natürlich wieder vorgestellt worden. Also das war so ein Einmischen und Aktivismus, wo man gesagt hat, wir machen da einfach mit. Wir beteiligen uns, wir passen da gut dazu. Und wir können das bereichern mit dem, was wir selber über die Jahre aufgebaut haben.
I: Ich würde noch mal ganz kurz auf das Thema Kinder und Sorgearbeit zurückkommen, weil wir das gerade noch hatten. Ich würde dann noch mal fragen, wie Sie das Verhältnis zwischen Familie, zwischen ihrer Familie und dem Engagement für den Verein erlebt haben?
B: Ja, ich würde sagen, in meiner Familie ist es üblich, dass man sich gegenseitig unterstützt und dass man das unterstützt, was den anderen wichtig ist. Das ist einfach selbstverständlich. Und so war es auch in meiner Familie. Und ich habe immer überlegt, womit jeder aus meiner Familie vielleicht irgendwie helfen kann, wenn es um rein praktische Fragen ging. Ja, und ich erinnere mich zum Beispiel dran, als es dann darum ging, ein Modem anzuschaffen und einen Internetvertrag zu schließen – da haben wir in einer Vorstandssitzung diskutiert, ja, wie machen wir das. Und ich habe dann gesagt: „Na ja, ich habe einen Schwiegersohn, der ist da äußerst firm. Ich frage mal, der kann uns vielleicht was raten.“ Oder manchmal ging es auch um rechtliche Probleme. Und meine ältere Tochter hat Jura studiert. Das heißt, da habe ich dann schon mal gesagt, ich frag mal bei meiner Tochter an, wie die Rechtslage sein könnte. Oder ich habe meine jüngere Tochter gefragt, die Anglistik studierte, ob sie uns etwas übersetzen kann. Also, so haben wir uns unterstützt. Oder ich weiß auch, dass mein Mann bei irgendwelchen Transporten mitgeholfen hat, wenn mal wieder irgendetwas von Ort X nach Ort Y ‚gekarrt‘ werden musste. Also für irgendwelche Ausstellungen oder für größere Veranstaltungen, da haben wir dann immer auch Bücher verkauft, also brauchte man einen Büchertisch, also musste man einen Tapetentisch transportieren oder man musste die Bücher transportieren. Oder man musste einfach auch Stühle transportieren, von Ort X nach Ort Y. Da habe ich später sehr oft selber verschiedenes transportiert. Das alles war eigentlich in meiner Familie selbstverständlich. Wobei ich aber sagen muss, dass eins klar war: Wenn es am späten Abend gegen 22:00 Uhr noch einen Anruf unter der Woche gab oder auch an den Wochenenden, dann konnte es eigentlich nur eine Person sein, die da gerade am Telefon war. Und das war allen klar. Alle riefen dann immer, gehe du mal ans Telefon, es ist für dich, es ist Johanna Ludwig. Und so war es auch in aller Regel, es war Johanna Ludwig. (lacht) Johanna hatte die Angewohnheit, einen anzurufen, wenn ihr was einfiel, wenn sie was für richtig hielt und damit der Gedanke nicht weg war, hat sie es dann immer gleich gemacht. Ich weiß, damit sind nicht alle so gut zurechtgekommen wie ich. Aber ich habe es mit relativer Fassung getragen.
I: Ich würde noch einmal bei dem Modem nachhaken und dann müssen wir auch zum Ende kommen. Wir haben eigentlich noch ein paar Fragen zu diesem Thema. Ich stelle jetzt mal die eine: Um das Jahr 2000, haben wir herausgefunden, hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft einen Computer bekommen und eine Internetseite ist online gegangen. (B lacht) Und Sie können da scheinbar etwas dazu erzählen. Wissen Sie noch, wann das war und wie es dazu vielleicht gekommen ist?
B: Ich habe tatsächlich im Rundbrief von Januar 2000 den Hinweis gefunden: „Die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, die ist jetzt sieben Jahre alt. Unsere Feier ist diesmal der Übergang ins Internet.“ Das steht da drin, das fand ich herrlich. Und dann hat es aber noch ein paar Monate gedauert. Im Sommer hatten wir dann eine Website. Damit ging es los. Und der Hintergrund ist, das teilte Johanna auch in dem Rundbrief mit, dass ihr zu Ohren gekommen war, dass der Studentenrat - also damals hieß es noch Studentenrat und nicht Student:innenrat - der Universität Leipzig sich dafür eingesetzt hat, auf interessante Fraueninitiativen in der Stadt hinzuweisen und unter anderem auch auf die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft auf seiner Website hingewiesen hatte. Und auch auf Kontakte mit der Universität, also sprich auf wissenschaftliche Tagungen, Kooperationen und so hingewiesen hatte und dann auch ein bisschen was über Louise Otto-Peters zu lesen war. Und Johanna schnell herausgefunden hatte, dass die angegebenen Daten und Fakten nicht mehr so ganz aktuell sind, nicht mehr so ganz stimmen und wir inzwischen überhaupt auch andere Daten und Fakten zum Leben von Louise Otto-Peters haben. Und daraus resultierte einfach die Überlegung, wenn wir wollen, dass das, was wir erforscht haben, an neuem Wissen, dass das publik wird und nicht der alte Wissensstand immer so weiter sich fortsetzt, dann müssen wir selbst aktiv werden. Dann müssen wir selbst im Internet sichtbar werden. Dann müssen wir einfach das, was wir herausgefunden haben, das, was uns ausmacht, unsere Publikationen zum Beispiel, die müssen wir dann auf eine Website bringen. Anders wird es nicht gehen. Das war der Hintergrund dabei, jetzt online zu gehen. Aber es hat dann noch eine ganze Weile gedauert, bis tatsächlich eine Internetadresse da war. Das war dann erst im November 2003, als wir Frau von Förster als neue ABM-Frau hatten, die in der Gesellschaft gearbeitet hat. Ich glaube, dass sie eine sehr technikaffine Ingenieurin gewesen ist. Und sie hat dann sehr schnell das Modem-Problem gelöst und hat diese Internetadresse eingerichtet. Und ich habe in meinen Protokollen von Vorstandssitzungen gelesen, was heute eigentlich völlig unglaublich ist, aber man muss sich daran erinnern, wie es losging, dass wir a) anfangs das Passwort ganz streng geheim gehalten haben. Da hatten wir festgelegt, nur ich darf es wissen und Frau von Förster und b): Wir haben genau die Recherchezeit im Internet festgehalten. Da musste jede Person eintragen, wenn sie im Internet war und wie lange, denn es gab damals keine Flatrates. Es war ja alles noch ganz anders. Es war in den Anfängen. Also haben wir dann ein Buch angelegt, mit einer Liste, wo jeder penibel eingetragen hat: „Ich war heute zehn Minuten im Internet.“ Ganz abenteuerlich aus heutiger Sicht. Aber so waren eben die Anfänge. Also ja, das ist die Geschichte des Übergangs ins Internet.
I: Danke schön. Ich würde als letzte Frage stellen, ob Ihnen vielleicht noch etwas wichtig ist und Sie noch etwas erzählen möchten, was jetzt nicht so zur Geltung gekommen ist?
B: Naja, ich will vielleicht noch das Thema Publikationen ansprechen, denn eine Außenwirkung kann ich ja vor Ort durch Veranstaltungen vor Ort erreichen. Also literarisch-musikalische Programme in der Alten Handelsbörse oder im Festsaal des Rathauses oder durch eine Gedenkveranstaltung am Louise-Otto-Peter-Denkmal. Ja, damit kann ich vor Ort wirken. Oder, indem ich Vorträge über Louise Otto halte, beim Tourismus-Frühstück oder irgendwelchen Veranstaltungen oder mich präsentiere als Gesellschaft innerhalb einer Präsentation der Leipziger Vereinslandschaft im neuen Hauptbahnhof. Das gab es ja auch. Da waren wir mit einem Infostand dabei. Aber ich glaube eben, Nachhaltigkeit und Verstetigung dessen, was man tut, kann man nur erreichen, wenn man auch publiziert. Und das hat die Gesellschaft eigentlich auch schnell gemacht mit den Ausstellungskatalogen und dann mit der Reihe „LOUISEum“ und der Publikation der Vorträge der jeweiligen Louise-Otto-Peters-Tage, die jährlich immer zu einem anderen Thema stattfanden. Aber diese Publikationen der Louise-Otto-Peters-Tage, das waren Eigenproduktionen und das bedeutet, das zählt als graue Literatur, die nirgendwo zur Kenntnis genommen wird, außer man sagt immer wieder, ich habe das ja gemacht. Aber wo ist man? Man ist nicht überall gleichzeitig. Also entstand dann 2003 die Idee, wir wollen doch mal ein Louise-Otto-Peters-Jahrbuch machen, wo das Beste der Louise-Otto-Peters-Tage alle zwei Jahre publiziert wird. Und das Jahrbuch mit einem richtigen Verlag und mit einer ISBN-Nummer, die in jedem Verzeichnis der lieferbaren Bücher aller Bibliotheken, aller Buchhandlungen sichtbar ist. Also diese Aufnahme in das Verzeichnis war wichtig, um in einer Zeit, wo das Internet noch nicht so verbreitet war – aber anfing, in der Medienlandschaft Fuß zu fassen, bekannt zu werden. Und man wird nur wahrgenommen, wenn irgendwas Publiziertes vorliegt. Und dazu war es nötig, eine ordentliche Publikationsform zu finden. Und ich weiß zum Beispiel, dass ich, ich glaube 2002, zum ersten Mal für eine Publikation eines Louise-Otto-Peters-Tages eine ISBN-Nummer beantragt habe. Die Nummer war Voraussetzung, um allgemein publik zu werden. Dieses Jahrbuch – das war noch mal was Neues. Es war wieder eine neue Qualität, um so allmählich auch von der wissenschaftlichen Szene, die sich im entferntesten Sinne mit sozialen Emanzipationsbewegungen, mit Frauenbewegungen beschäftigt, wahrgenommen zu werden. Also das war enorm wichtig, andere Publikationsformen zu finden, die stärker rezipiert werden.
I: Ich glaube, ich muss leider doch noch eine Frage stellen, weil wir die immer gestellt haben, vielleicht können Sie da kurz darauf antworten. Würden Sie sagen, dass Sie über die Aktivitäten für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft Freundinnen gefunden haben?
B: Naja. (zögerlich, lacht) Naja, erstmal würde ich sagen, der Altersunterschied von mir zu den anderen Mitgliedern war ja in den 1990er-Jahren einigermaßen groß, also mindestens 20 Jahre Altersunterschied haben da existiert, wenn nicht noch mehr. Das heißt, ich war damals eine der jungen Frauen, die in den Dreißigern war. Und die anderen waren ja alle in den Fünfzigern oder eben schon Anfang 60. Und da ist es ja nicht so einfach, würde ich sagen, rein vom Altersunterschied her, Freundinnen zu finden. Aber so über die Jahre würde ich meinen, dass sich zwischen Johanna Ludwig und mir ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat. Also besonders, seitdem ich dann im Vorstand stellvertretende Vorsitzende war. Ich weiß, dass ich oft bei Johanna zu Hause in der Wohnung war, vor allen Dingen in den Zeiten, wo es ihr nicht so gut ging, wo sie entweder wirklich krank war, im Sinne von krankgeschrieben und nicht rausgehen können, oder wo sie in schwierigen Therapien war und es ihr von auch schwerfiel, ins Louise-Otto-Peters-Archiv zu Besprechungen zu kommen. Dann haben wir vieles einfach schon bei ihr mal vorbesprochen: Wen laden wir zum Louise-Otto-Peters-Tag ein? Wer macht den nächsten Antrag? Solche Geschichten eben. Und da hat sich schon irgendwie… Also, ich würde schon sagen, da hat sich ein freundschaftliches Verhältnis über die Jahre zu ihr entwickelt. Und auch eins, wo ein gewisses Vertraut-Sein mit den jeweiligen Familien im weitesten Sinne da war. Mir ist es sehr wichtig gewesen, als es dann leider auf Johannas Ende zuging, das ich sie wöchentlich besucht habe. In den unterschiedlichen Krankenhäusern und eben auch dann ganz zum Schluss im Hospiz. Und ich denke, ihr war das auch wichtig. Ich habe dann auch das Vorwort zu ihrem Buch geschrieben, ihrer Teilbiografie zu Louise Otto, also ihr Lebensweg bis zur Gründung des ADFs, leider hat sie nicht mehr erlebt, dass das erscheint. Aber das Manuskript war im Wesentlichen fertig, bis auf ein paar Kleinigkeiten und bis auf das Vorwort. Also mit Johanna habe ich mich schon freundschaftlich verbunden gefühlt. Und ansonsten denke ich, hat sich in ähnlicher Weise auch eine Freundschaft zu Irina Hundt entwickelt. Das kam durch das gemeinsame Forschungsprojekt, das wir knapp zwei Jahre miteinander hatten. Seitdem ist der Kontakt nicht mehr abgerissen. Wir sind auch gegenwärtig miteinander in Kontakt, aber in loser Form, wissen voneinander und telefonieren miteinander. Ich versuche, sie immer wieder in das einzubeziehen, was ich mache. Also nächstes Jahr zum Beispiel die Tagung über 1848/49 in Sachsen anlässlich von 175 Jahren dieser Revolution. Da wird sie mit dabei sein, das hat sie mir versprochen, mit einem neuen Beitrag. Naja, aber ansonsten in den 1990er-Jahren und Anfang der 2000er, als ich auch im Vorstand gearbeitet habe, habe ich eigentlich immer mit Barbara Kunze gut gearbeitet und mit Ingrid Müller, Heide Laib, Waltraud Hering und Hannelore Rothenburg. Das sind damals die Frauen gewesen, die auch im Vorstand gearbeitet haben. Und ich denke schon, dass wir miteinander gut ausgekommen sind, ohne dass ich jetzt direkt den Begriff Freundin oder Freundschaft anwenden würde. Aber ich würde sagen, wir sind doch gut miteinander bekannt gewesen. Wir haben uns gern gesehen und wir haben auch gern miteinander gearbeitet. Das trifft auch auf Nina Preißler und Beate Klemm zu, die als Studentinnen bei mir Lehrveranstaltungen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte besucht hatten und dann unter meiner Betreuung Magisterarbeiten schrieben. Teilergebnisse habe ich im Buch „Frauenalltag in Leipzig Weibliche Lebenszusammenhänge im 19. und 20. Jahrhundert“ 1997 publiziert. Nina und Beate haben sich dann ebenfalls in der LOPG engagiert. Auch mit Astrid Franzke verband mich viel Sympathie, doch verlagerte sich ihr beruflicher Schwerpunkt von Leipzig weg und wir sehen uns nur noch selten. Mit ihr hätte ich sehr gerne weiter in der LOPG gearbeitet.
I: Danke für das Gespräch. Vielen Dank.
Ende
gefördert vom: