Interview mit Hannelore Rothenburg

geführt für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. von Laura Peter am 20. April 2023 in Leipzig

Nach dem Transkript überarbeitete und redigierte Fassung von Hannelore Rothenburg, Kathrin Will und Laura Peter.

Rechte vorbehalten.

 

I: Wir führen heute ein Interview mit Hannelore Rothenburg im Louise-Otto-Peters-Archiv in Leipzig. Es ist der 20.04.2023, vormittags. Das Interview führt Laura Peter, anwesend ist Kathrin Will. Danke, dass Sie sich für dieses Gespräch bereit erklärt haben. Als Einstieg und zu Ihrem Hintergrund eine erste Frage: Können Sie mir erzählen, welchen Bezug Sie zu Leipzig haben?

 

B: Ich bin durch das Studium nach Leipzig gekommen. (überlegt) Nein, eigentlich bin ich schon 1959 nach Leipzig gekommen. Da habe ich erst ein Jahr in einem Kindergarten gearbeitet, weil meine Grundausbildung Kindergärtnerin war. Nach einem Jahr habe ich mich dann hier an der Universität beworben und habe von 1960 bis 1964 Lehramt bis zur zehnten Klasse studiert, für Deutsch, Kunstgeschichte und Kunsterziehung.

 

I: Und dann sind Sie in Leipzig geblieben?

 

B: Und dann bin ich in Leipzig geblieben, habe aber zwischendurch mal sieben Jahre in Berlin gewohnt, weil mein Mann aus Luckenwalde stammte und in Berlin arbeitete. Aber gebürtig bin ich in Pirna an der Elbe.

 

I: Wie haben Sie die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft kennengelernt und wie kam es, dass Sie Mitglied im Verein geworden sind?

 

B: (lacht kurz) Wie ich sie kennengelernt habe? Ich kannte Johanna Ludwig. Und zwar haben wir von der Akademie der Wissenschaften manchmal im Verlag für die Frau publiziert. Sie war da für das Ressort Frauenliteratur zuständig. Da habe ich Johanna Ludwig kennengelernt. Wie und wann ich Mitglied geworden bin – oder was wollten Sie noch wissen? Also meine erste Arbeit war, Johanna hatte die fehlenden oder gestrichenen Teile von „Schloss und Fabrik“ in Dresden im Staatsarchiv gefunden. Und sie wollte das natürlich in den Roman einarbeiten. Da musste das Manuskript neu geschrieben werden. Und das habe ich gemacht, zu Hause. Ich besaß zu dem Zeitpunkt schon einen PC. So haben wir uns dann auch ein bisschen näher kennengelernt.

 

I: Aber zu dem Zeitpunkt waren Sie schon Mitglied?

 

B: Nein, Mitglied bin ich erst seit 1995. Am 01.01.1995 bin ich Mitglied geworden.

 

 

I: Was haben Sie dann sonst für die Gesellschaft gemacht? Welche Ämter und Aufgaben haben Sie übernommen?

 

B: Ich war etliche Jahre im Vorstand, aber fragen Sie mich nicht, welche Jahre das waren. Es müsste eigentlich hier irgendwo versiegelt und verbrieft sein. Direkte Aufgaben? Also, solange wie Johanna Ludwig am Wirken und aktiv war, hat sie ja viel selbst gemacht. Da haben wir eigentlich nur so Zuarbeiten gemacht oder Gespräche geführt oder Pampelarbeiten gemacht. Johanna hat gemacht, was gemacht werden musste.

 

I: Aber Sie haben mir schon erzählt, Sie hätten bei „Schloss und Fabrik“ mitgearbeitet und es gab auch jährlich andere Publikationen, wie das „LOUISEum“.

 

B: Ja, es gab andere Publikationen. Und da habe ich natürlich auch mitgewirkt, aber fragen Sie mich nicht wann das genau war. Aber das müsste hier auch versiegelt und verbrieft sein. (Papier raschelt) Die ganzen Veröffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft – das müsste eigentlich hier sein. Und da steht ja auch immer, wann ich an welcher Publikation mitgearbeitet habe.

 

I: Danke. Wenn Sie so zurückblicken, auf das, was Sie für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft geleistet haben, würden Sie sagen, das war etwas Besonderes?

 

B: Ja, besonders war es insofern, da ich vorher an der Akademie der Wissenschaften im Historischen Institut, Bereich „Deutsche Geschichte von 1789 bis 1917“ war. Aber nicht speziell in der Frauengeschichte. Das war an der Akademie, sagen wir mal, kein Thema, was besonders beackert wurde. Es war allgemein deutsche Geschichte. Und mit der Frauengeschichte bin ich dann eigentlich durch Johanna Ludwig interessiert worden und habe mich dann damit ein bisschen mehr auseinandergesetzt. Und eben auch, weil sie wusste, dass es an der Akademie der Wissenschaften ein „Jahrbuch für Geschichte“, am Historischen Institut, gab. Und in diesem „Jahrbuch für Geschichte“ habe ich oftmals schon redaktionelle Arbeiten gemacht, das heißt, die Anmerkungen auf Vordermann gebracht und eventuell auch Texte korrigiert. Und das wusste Johanna und so jemand wurde hier auch gebraucht. (lacht) Damals, gut. Und da bin ich eingestiegen.

 

I: Beschreiben Sie doch mal, was die Themen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft in den 1990ern waren? Und vielleicht auch, was Sie an diesen Themen besonders interessiert hat? (sprechen gleichzeitig)

 

B: In dieser Zeit, in den 90er-Jahren, ging es natürlich erst mal darum, alles, was zu finden war an Publikationen und Aufzeichnungen von Louise Otto, zu finden und zusammenzutragen. Und da hatten wir unsäglich viele - Barbara Kunze war ja damals auch schon da - Telefonate mit allen möglichen Archiven, Institutionen, Bibliotheken geführt und nachgefragt, ob sie etwas von Louise Otto besitzen. Zum Teil haben wir uns dann Kopien erbeten, die ja auch hier noch vorhanden sind. So, nach der Wende aber... 1993 ist die Gesellschaft gegründet worden. Bin ich da richtig? Ich denke… Ja. Da gab es natürlich den Deutschen Staatsbürgerinnen‑Verband in Berlin und die haben uns… (lacht) Also die wollten furchtbar gerne… Die wollten die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft in Leipzig, nicht noch als extra Verein. Die wollten uns furchtbar gerne einverleiben und wir sollten doch dort beitreten und hier quasi als Zweigstelle fungieren. Da ist aber Johanna zum Glück strikt dagegen gewesen, und das war gut so. Denn der Staatsbürgerinnen-Verband, der hatte ja dann, sagen wir mal, ganz andere Ziele gehabt - und auch jetzt noch. Der war ja dann auch noch fast pleite in Berlin. Da haben die mal die Auflösung beantragt und lauter solche Sachen. Da waren wir dann heilfroh, dass wir uns dem damals nicht angeschlossen haben.

 

I: Können Sie ein bisschen ausführen, was der Unterschied zwischen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und dem Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband war?

 

B: Der Staatsbürgerinnen-Verband ist ja eigentlich die Nachfolge vom ADF, vom Allgemeinen Deutschen Frauenverein gewesen. Und anfangs haben die sich auch mit Louise Otto-Peters und ihren Mitstreiterinnen beschäftigt. Aber es war auch damals schon so, wenn man an Geld kommen wollte, mussten Anträge geschrieben werden. Und damit sie auch an Geld kamen, haben die dann natürlich Anträge geschrieben, die nicht unbedingt mit der Frauenbewegung im engeren Sinne zu tun hatten, sondern nur im weiteren Sinne. Und dadurch sind die an Fördergelder gekommen, was ja auch furchtbar wichtig war. Aber sie haben sich eben rein von der Erforschung der deutschen Frauenbewegung ein bisschen abgewandt. Aber das musste eben damals sein, wie gesagt, um an Gelder zu kommen und um bestehen zu können.

 

I: Welche Veranstaltungen zur Frauengeschichte, die der Verein gemacht hat, sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben oder was waren das so für Veranstaltungen? Und warum sind vielleicht auch welche besonders in Erinnerung geblieben?

 

B: Also besonders in Erinnerung ist mir eigentlich keine geblieben, würde ich sagen. Wir hatten mal eine, die war sehr schön. Aber da kann ich weder Tag noch sonst was sagen. Und zwar war das in der Alten Handelsbörse. Das ist ein Jahrestag gewesen. Das war eine tolle… Weil damals Ilse Nagelschmidt auch noch ziemlich aktiv war. Überhaupt gab es nach der Gründung viele Historikerinnen von der Universität, die noch nicht im Rentenalter waren und arbeiten wollten, aber aus der Universität 1990 alle rausgeflogen sind. „Sie könnten sich ja neu bewerben“, so unter dem Slogan. Und da sind ja viele, also mehrere, bei uns gelandet, die dann hier mitgearbeitet haben, weil sie einfach noch arbeiten wollten. Und in dieser Zeit, muss ich sagen, ist die Forschung zu Louise Otto-Peters und der deutschen Frauenbewegung von den Anfängen bis 1917 ziemlich intensiv gewesen. Und das war gut so. Aber mittlerweile sind die ja auch alle im Rentenalter. (lacht) Ilse Nagelschmidt war da zur Festveranstaltung. Wer saß denn neben der Nagelschmidt? Da saß auch noch eine… Ach Gott, das Namensgedächtnis ist auch nicht mehr das, was es mal war.

 

I: 1997 konnte das Louise-Otto-Peters-Archiv eröffnet werden. Können Sie mir davon etwas erzählen?

 

B: Da kann ich wenig erzählen, weil das von Anfang an Barbara Kunze unter ihrer Regie hatte. Ich wollte ihr auch keinesfalls irgendwie ins Handwerk pfuschen oder etwas sagen, dass sie denkt, ja, die will hier auch mitmischen. Also habe ich da nicht so große Erinnerungen an diese Gründung. Eher dann später, als wir das erste FAUST-Programm gekauft haben. Das FAUST-Programm wollte ja keiner, da waren ja alle dagegen. „Das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht.“ Und es hat auch, eh ich da Johanna überzeugt hatte, dass wir das brauchen, um hier Systematik in die ganzen gesammelten Werke reinzubringen, lange gedauert. Das erste Programm haben wir dann 2009 gekauft. Von da an habe ich dann, sagen wir mal, bis 2019 das FAUST-Programm bestückt. Das war eigentlich eine Aufgabe für mich, die mir Spaß gemacht hat und die auch in meinem historischen Interesse lag. Und das war eigentlich eine sehr schöne Zeit.

 

I: Jetzt haben Sie doch tatsächlich meine Frage vorweggenommen. Ich wollte nach FAUST fragen. Aber Sie haben es eigentlich schon beantwortetet. Aber vielleicht trotzdem nochmal Ihre Einschätzung zusammengefasst, warum es für das Archiv wichtig war, eben FAUST zu haben? Und die Arbeit mit dem Computer… (sprechen gleichzeitig)

 

B: Ja, weil andere Frauenarchive, wie zum Beispiel Kassel oder so, die hatten schon FAUST. Und damit wir uns austauschen oder besser kommunizieren konnten, habe ich auf FAUST bestanden. Da gab es noch andere Programme, aber ich habe gesagt, andere Archive, ich glaube auch der Staatsbürgerinnen-Verband, hatten zu dem Zeitpunkt bereits FAUST. Und Kassel. Da müssen wir auch ein Programm haben, damit wir mit den anderen Archiven kommunizieren können und uns austauschen können. Das war der Grund, weshalb FAUST angesagt war.

 

I: Wenn wir mal bei den anderen Archiven bleiben, welche Bekanntschaften über Sachsen hinaus hatte die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft so gepflegt und wen haben Sie durch die Arbeit in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft kennengelernt? Sie haben jetzt schon ein paar erwähnt, aber vielleicht gibt es da noch mehr?

 

B: Nein, im Grunde genommen war das eigentlich Kassel, mit denen wir… Weil die auch einen großen Bestand zu Louise Otto-Peters hatten. Und ich glaube sogar, dass sie uns einige Kopien geschickt haben, von Schriftzeugnissen, die sie hatten, aber die wir nicht besaßen. Also Kassel war eigentlich immer wichtig.

 

I: Und wenn wir jetzt zurück nach Leipzig kommen, mit welchen Leipziger Initiativen hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, vielleicht besonders in den 1990ern, zusammengearbeitet?

 

B: Zusammengearbeitet mit Leuten vom Historischen Institut an der Universität. Und dann gab es ja hier noch den Verein am Kreuz draußen. (überlegt) Wie hießen die denn? Die gibt es auch heute noch. Der Name ist auch wieder unter ferner liefen. Die wollten auch Frauen-Geschichte machen. Aber nicht nur. Aber die hatten keine, sagen wir mal, kompetenten Leute in ihren Reihen, die hatten nur Hobby-Leute, die das hobbymäßig betrieben. Und da war das für uns kein Partner auf gleicher Höhe. Es gab ja Zeiten, wo wir an der Universität mit dem Historischen Institut zusammengearbeitet haben. Es hing eben auch mit diesen ehemaligen Wissenschaftlerinnen von der Uni zusammen, die dann bei uns noch Mitglied waren und natürlich dorthin ihre Verbindungen hatten. Da stand das eigentlich im Vordergrund.

 

I: Die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hat auf dem historischen Feld viel Grundlagenforschung geleistet. Wie würden Sie denn das Verhältnis – ein bisschen konkreter – von außeruniversitärer und universitärer Forschung beschreiben, das es hier gab?

 

B: (lacht) Also, universitäre Forschung bis zur Wende – dafür hatten eigentlich die Historiker und Historikerinnen an der Universität keine Zeit. Die waren in die Lehre eingebunden, die hatten keine Zeit, da groß Forschung zu betreiben. Das ging dann eben erst nach 1990 los, nachdem sich das Blatt gewandelt hatte und auch die Kompetenzen andere geworden waren, dass dafür dann an den Universitäten in Leipzig und auch an der Humboldt-Universität in Berlin mehr Zeit zur Verfügung stand und dass die Frauenforschung ein bisschen angekurbelt wurde.

 

I: Wie haben Sie denn die bundesdeutsche Frauenpolitik nach der Wiedervereinigung erlebt?

 

B: (lacht) Nicht sehr und ich habe sie auch nicht gesucht, um mit denen groß ins Gespräch zu kommen. Die hatten einfach andere Ansichten und glaubten, sie haben das „Gelbe vom Ei gefressen“. Und das Eiweiß haben sie hier in der DDR abgelegt. (lacht) Ich weiß nicht, wie die das gemacht haben? Aber Louise Otto-Peters war natürlich gut… Die war hier in Meißen geboren, hatte in Leipzig ihre meiste Zeit verbracht. Was die bundesdeutschen Institute und Forscherinnen gemacht haben, die mussten es alles aus der Ferne machen. Ich weiß, dass Johanna - wenn wieder irgend so etwas verbreitet wurde, über das Internet und was nicht stimmt - oftmals Briefe geschrieben und das richtig und klargestellt hat. Ob die das angenommen haben oder nicht, dass weiß man nicht. Aber auf jeden Fall musste da manches richtiggestellt und gesagt werden.

 

I: Hier im Verein waren Aktivistinnen aus Ost- und aus Westdeutschland aktiv. Wie haben Sie im Verein die Aktivistinnen aus Westdeutschland erlebt?

 

B: Im Verein, waren da Westdeutsche aktiv? (überlegt) Nein. Eine hatten wir, glaube ich mal, die hieß Schröder. (überlegt) Die war aus Westdeutschland, aus der alten Bundesrepublik, nach Leipzig gekommen. Sie hat uns dann auch mal irgendwelche Möbel und Sachen als Dauerleihgabe gegeben, die sie später zurückforderte. Aber ansonsten kann ich mich nicht erinnern.

 

I: Sie haben vorhin schon erwähnt, dass Sie schon sehr früh einen Computer hatten. (B: Ja.) Und irgendwann, um das Jahr 2000 herum, hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft einen Computer bekommen und es ist eine Internetseite online gegangen. Wissen Sie noch, wann das war, und können Sie davon etwas erzählen? (B: Nein.) Also wissen Sie nicht, woher der Computer kam?

 

B: Woher kam der Computer? (überlegt) Mensch, wo haben wir den hergekriegt? Ob das über… Oder ob das dann erst der spätere Computer war – über Gerlinde Kämmerer? Über deren Mann, der dann in seinem Betrieb neue bekommen hatte. Und da hat Gerlinde, glaube ich, noch etwas mitgebracht. Aber ich weiß nicht, ob das der erste war?

 

I: Und die Internetseite, die Homepage? Das ist ja auch schon sehr früh gewesen – gab es dafür einen Anstoß, dass man gedacht hat, man macht jetzt eine Internetseite für den Verein? (B: Ich habe keine Ahnung mehr.) In Leipzig gab es das FrauenTechnikZentrum - kennen Sie das und hatten Sie dahin Kontakt?

 

B: Nein, nein.

 

I: Was würden Sie aus Ihrer persönlichen Erfahrung sagen, welche Chancen hat die Arbeit mit dem Computer und dem Internet eröffnet?

 

B: Die hat große Chancen eröffnet. Das Schreibmaschinen-Tippen mit soundso vielen Durchschlägen war gleich beendet (lacht) und man konnte korrigieren, ohne dass man mit Tipp-Ex oder mit anderen Dingen arbeiten musste oder gleich die ganze Seite nochmal neu schreiben musste. Also, das war enorm. (lacht) Also, die Erfindung war wirklich eine ganz nützliche. (lacht)

 

I: Wie kam es denn eigentlich, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zwischen 1993 und 2015 so oft umgezogen ist?

 

B: Das hing am Geld, an den Mietzahlungen. Wir waren mit Geld nicht reichlich bestückt. Niemals. Da mussten wir dann, wenn die Miete erhöht wurde, ein anderes Quartier suchen, was bezahlbar war. Es hing einfach an der Miete.

 

I: Können Sie vielleicht ein bisschen mehr dazu erzählen, wie der Verein sich in den 1990ern finanziert hatte und welche Herausforderungen es dabei gab?

 

B: Natürlich einerseits nur über die Mitgliedsbeiträge. Und dann hatten wir auch immer einen guten Draht zu Frau Lapön. Alle Anträge über Geld und Projekte sind über Frau Lapön gegangen. Und der haben wir das eigentlich auch zu verdanken, dass sie eben dann auch oftmals im Stadtrat und bei der Stadt dafür gesorgt hat, dass ein Antrag genehmigt wurde und wir ein bisschen Geld bekamen. Und die haben uns dann auch die Miete bezahlt. Die Stadt. Ich weiß es nicht, wie ist denn das heute? Wird heute auch noch die Miete von der Stadt bezahlt?

 

I: Darüber können wir vielleicht später nochmal reden. Vielleicht, wenn wir jetzt schon bei Frau Lapön sind, wie haben Sie denn die Stadt insgesamt als politischen Akteur erlebt? Und dann konkreter, welche Rolle hatte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt?

B: (überlegt) Welche Rolle die Gleichstellungsbeauftragte hatte? Also, Frau Lapön ist eine Frau, die die Frauenbewegung immer im Blick hatte und energisch sein konnte und kann und die sich auch immer interessiert hat und auch kompetent interessiert hat. Das zeigt ja auch, dass sie absolut gut ist, auf ihrem Posten, weil sie heute immer noch auf dem gleichen Stuhl sitzt. Also, Frau Lapön hat sich schon sehr für die Leipziger Frauenvereine eingesetzt und dass da Anträge positiv beantwortet wurden.

 

I: Warum war es für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft wichtig, ABM-Stellen zu haben?

 

B: Tja, weil die vom Arbeitsamt finanziert wurden. Da brauchten wir keine weiteren Anträge zu stellen. Und am besten war es natürlich, wenn Leute vom Arbeitsamt geschickt wurden, die schon ein bisschen Ahnung hatten, entweder von der Geschichte herkamen oder von der Frauenbewegung oder so. Aber manchmal hatten wir natürlich auch Leute, die aus ganz anderen Berufsfeldern kamen. Und da waren das mehr oder weniger, sagen wir mal, Arbeitskräfte, die hier ordneten und sortierten, die aufklebten und solche Sachen gemacht haben. Wer war dann? Wie kam der Herr Broy überhaupt zu uns? Das weiß ich gar nicht, ob der auch über das Arbeitsamt kam? Das ist egal. Jedenfalls, als der Herr Broy kam, hieß es, was machen wir mit dem, was soll denn der bei uns machen? Keiner wusste was. (lacht) Da habe ich gesagt, ich nehme den. Und dann begann auch das FAUST. Da habe ich gesagt, „ja, ich nehme den“. Er konnte mit dem Computer gut umgehen. Also das hatte er vorher schon gemacht. Er war gut. Und da habe ich dann eigentlich… Ich war mittwochs immer im Archiv, einen Tag in der Woche, da haben wir die Computer blockiert. Er saß an einem, ich am anderen. Dann habe ich in der Regel sämtliche gesammelte Werke, die wir hier haben, signiert. Die mussten ja alle eine Signatur bekommen, jedes einzelne Blatt. Da habe ich hier gesessen und Signaturen verteilt und signiert und signiert. Er hat das dann in den Computer getippt. Und Barbara hat, was sie mitgebracht hatte oder was sich angesammelt hatte und was eingearbeitet werden sollte, auch signiert. Da haben wir dann erst einmal eine Systematik aufgestellt, die ja heute wahrscheinlich auch noch gültig ist, oder? Danach haben wir es dann geordnet und signiert. Und insofern war Herr Broy, solange wie der hier war, eine tolle Hilfe, würde ich sagen. Und ich konnte auch gut mit ihm und er konnte gut mit mir. Also, das war eigentlich eine schöne Zeit.

 

I: Gab es einen Unterschied zwischen Ehrenamtlichen und ABM-Beschäftigten?

 

B: Die Ehrenamtlichen haben nichts, kein Salär bekommen. Die ABM-Beschäftigten hatten ja das ABM-Geld bekommen. Das war der Unterschied. (I: Aber gab es einen persönlichen Unterschied im Verein, mit Kompetenzen oder so oder ist man sich auf eine bestimmte Art und Weise begegnet?) Auf eine bestimmte Art und Weise ist man sich da begegnet. Nein, da hat es keinen Unterschied gegeben.

 

I: Was hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gemacht, um historische Frauenpersönlichkeiten in der Stadt Leipzig sichtbarer zu machen?

 

 

B: Ja, dafür hat sich Johanna sehr eingesetzt und auch Gerlinde Kämmerer. Die haben immer wieder Straßennamen-Vorschläge für Umbenennungen gemacht, weil es weibliche Straßennamen wenig in der Stadt gab. Das haben eigentlich die beiden gemacht, die sich dafür immer wieder eingesetzt haben, auch bei der Stadt, über Frau Lapön, dass es da mehr weibliche Straßennamen gibt. Insbesondere eben Straßenzüge, die neu entstanden sind, aufgrund der Bebauung und des Bauens in der Stadt.

 

I: Was waren große Herausforderungen während Ihrer Zeit bei der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft?

 

B: Die größten Herausforderungen waren über viele Jahre das Heranschaffen – ob in Kopien oder in Originalen – von Schriftgut von Louise Otto selbst oder auch von Auguste Schmidt. Das waren die Herausforderungen, immer wieder in Katalogen, im Internet nachzusehen, um Institutionen, Archive zu finden, die Sachen von Louise Otto besaßen.

 

I: Wie haben Sie denn den Kampf um das Henriette-Goldschmidt-Haus erlebt?

 

B: Oh Gott! Das war entsetzlich. Und das war eine Schandtat der Stadt, die bis heute nicht zu verzeihen ist. (lacht) Das muss man so sagen. Wir haben dort Wache gestanden, Briefe geschrieben. Johanna hat sich wirklich wie verrückt zum Erhalt dieses Hauses eingesetzt. Und ausgegangen ist das alles, wie das „Hornberger Schießen“. Die Stadt hat das Haus abgerissen. Die haben uns versprochen… Da waren ja im Hauseingang Reliefs angebracht. So runde Reliefs mit Henriette Goldschmidt, mit Louise Otto und so. Es wurde damals versprochen, das wird eingelagert. Die Straße dort sollte mal verbreitert werden. Und wenn das dann mal neu bebaut ist, kommt das wieder hin. Kein Mensch weiß, wo die Reliefs sind. Weg ist weg. Und zum Abriss selbst, da weiß ich, dass wir von der Gesellschaft bis zur Absperrung alle Mitglieder in Leipzig mobilisiert und angesprochen haben, sie mögen doch kommen. Da haben wir am Absperrzaun gestanden und haben es miterleben müssen und gesehen, wie die das Haus zusammengehauen haben und wie es abgebrochen wurde. Also, das war eine Tat der Stadt, wo auch Frau Lapön sich nicht durchsetzen konnte. Das kann man eigentlich der Stadt nicht verzeihen. Die haben ja das Haus nach der Wende erstmal sofort verkauft, an irgendeine Mitarbeiterin in der Stadtverwaltung. Die hat das dann weiterverkauft. Letzten Endes gab es dann Schwierigkeiten mit dem Kaufpreis oder irgendwas. Jedenfalls hat es die Stadt dann zurückgenommen, zurückgekauft. Aber im Zuge der Erweiterung dieser Straße musste das Haus eben weg. Das ist eine schlimme Erinnerung, dass das passiert ist. Da müssen aber hier im Archiv eine ganze Reihe Bilder vorhanden sein, wie das dort passiert ist. Na ja, und wie man sieht, ist nichts passiert, von den Versprechungen damals. Tja. Denn es war ja das Haus, wo die Henriette Goldschmidt oben, in der vierten Etage, ihre letzten Lebensjahre gewohnt hat. Unten waren das Kindergärtnerinnenseminar und Lehrerinnenseminar in den Etagen drin. Es war eigentlich eine Bildungsstätte der Frauenbewegung und der Leipziger Frauen. Es gab eben keinen Grund, das Haus wegzureißen, wenn die Stadt zum damaligen Zeitpunkt etwas frauenfreundlicher gewesen wäre.

I: Hat der Abriss des Hauses den Verein verändert? (B: Nein.) Kannten Sie Mitglieder - Sie hatten schon gesagt, Sie kannten ein paar Mitglieder - der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft schon vorher? Kannten Sie auch andere Mitglieder, außer Johanna Ludwig, schon vorher?

 

B: Nein, ich kannte vorher keine anderen Mitglieder, weil ich an der Akademie der Wissenschaften, am Historischen Institut gearbeitet habe. Der Hauptsitz war ja Berlin und alle Sitzungen, Tagungen und Besprechungen fanden in Berlin statt. Also bin ich jahrelang auch noch mit anderen Leuten aus Leipzig und aus Halle, die auch nicht in Berlin wohnten… Da sind wir manchmal dreimal in der Woche nach Berlin gefahren. Insofern kannte ich hier in Leipzig überhaupt niemanden.

 

I: Wie würden Sie das Verhältnis unter den aktiven Mitgliedern beschreiben?

 

B: Das war eigentlich immer okay, immer gut. (I: War es freundschaftlich, gab es Konflikte?) Nein. Es war freundschaftlich. Klar hat es mal Konflikte gegeben, aber wenn es dann Johanna zu viel wurde, da hat sie ein Machtwort gesprochen und damit war die Sache geritzt und geregelt. (lacht)

 

I: Würden Sie sagen, dass Sie über die Aktivitäten für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft Freundinnen gefunden haben?

 

B: Ja, zumindest, weil ich ja mit Barbara Kunze immer sehr gut zusammengearbeitet habe, hatte ich eine sehr gute Bekanntschaft mit Barbara. Mit ihr bin ich ja eigentlich heute noch verbunden. Ansonsten gab es keine weiteren Freundschaften. Als Herr Broy hier war, war das eine gute Zusammenarbeit. Und der ist dann auch mal zu mir nach Hause gekommen. Da hatte ich zu Hause mit meiner Technik Probleme, die hat er mir wieder auf Vordermann gebracht. Also, da sind schon Bekanntschaften entstanden, die auf gegenseitiger Hilfestellung beruhen und wo man sich drauf verlassen kann. Da kann ich mal den fragen oder die fragen, die da… Dann später auch mit Herrn Thurm oder der Heide Laib, da sind schon gute Bekanntschaften entstanden.

 

I: Heutzutage ist das Thema Pflege der eigenen Elterngeneration sehr präsent. Welche Rolle hat denn dieses Thema bei Ihnen oder in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gespielt?

 

B: Also… (überlegt) Jetzt spielt, glaube ich, die Pflege der langjährigen älteren Mitglieder kaum noch eine Rolle. Es sind ja auch gar nicht mehr so viele da. Sie sind entweder ausgetreten oder haben ihre Mitgliedschaft gekündigt. (überlegt) Nein, was soll ich dazu noch sagen? (I: Wenn Sie nichts dazu zu sagen haben, müssen Sie auch nicht.) (lacht)

 

I: Können Sie uns vielleicht von Fahrten oder Reisen erzählen, die Sie für die Gesellschaft unternommen haben? Also wohin und warum?

 

 

B: Ja, eigentlich haben wir jedes Jahr einen Ausflug gemacht. Wir sind in Meißen gewesen, das weiß ich. Wir sind aber auch an anderen Stätten gewesen, die irgendetwas mit Louise Otto zu tun hatten oder auch nicht. Das waren Ausflüge, einmal im Jahr, um die Mitglieder zusammen zu bringen oder mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Und dafür war das eigentlich sehr schön. Da sind auch immer etliche gekommen, um zu schwatzen, Kaffee zu trinken, irgendwohin zu fahren oder dort in ein Museum zu gehen. Oder da hat Johanna einen Vortrag gehalten, was Louise Otto in dieser Gegend, wo wir gerade waren, gesucht hat und warum sie dort war. Und sie hat das auch immer mal mit Gedichten oder Ausschnitten aus irgendeiner Schrift von ihr belegt. Also diese Jahresausflüge, die waren eigentlich immer sehr schön. Und da haben sich auch die Mitglieder darauf gefreut.

 

I: Sie haben es schon ein bisschen erwähnt, aber ich frage jetzt trotzdem nochmal nach, vielleicht können Sie nochmal näher darauf eingehen: Welche Themenfelder haben Sie sich durch die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft neu erschlossen?

 

B: Die Frauenbewegung weltweit und die deutsche Frauengeschichte von den Anfängen bis jetzt. Ich hatte, wie gesagt, vorher kaum damit zu tun. Ich kannte die Namen der Louise Otto-Peters und von Auguste Schmidt, aber mehr eigentlich auch nicht.

 

I: Hat das Engagement für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft Ihr Verhältnis zu gegenwärtigen frauenpolitischen Fragen verändert?

 

B: Ja. Ja, und zwar insofern, dass eigentlich jetzt über die Frauenpolitik und dergleichen viel geredet wird und dass das jeder auf seine Fahnen schreibt. Aber eigentlich richtig passiert ist nicht so viel. Denn, wenn man Frauen auch in der Gesellschaft und in der Politik anguckt, dann gucken Sie mal ins Rathaus auf die ganzen Arbeitsplätze. Die Frauen sind durch die Sekretärinnen-Stellen in der Hauptsache besetzt, und leider, weiß Gott, auch heute noch nicht in dem Maße, wie es sein sollte, auch in den höheren Positionen und Leitungsstellen. Schließlich sind die Frauen 50 Prozent und die Männer 50 Prozent auf der Welt, in etwa. Also, das ist auch heute noch nicht gut gelöst.

 

I: Meine letzte Frage an Sie: Ist Ihnen noch etwas wichtig, möchten Sie uns noch etwas zum Abschluss erzählen?

 

B: Naja, ist mir etwas wichtig? (überlegt) Ja, vielleicht. Jetzt kommen ja wieder die Rundbriefe in Abständen. Und die Rundbriefe gibt es ja schon viele, viele Jahre. Das beizubehalten, finde ich eigentlich sehr wichtig, weil dadurch… Man sieht sich ja nicht so oft und hat auch nicht hier zu arbeiten. Aber über den Rundbrief ist man immer informiert, was so passiert ist, was passieren soll. Und das finde ich eigentlich sehr schön. Das ist eine Einrichtung, die beibehalten werden sollte. Ja, das war's eigentlich.

 

I: Alles klar. Vielen Dank für das Gespräch. (B: Bitte.)

 

Ende