Interview mit Dr. Manfred Leyh
geführt für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. von Laura Peter am 1. Juni 2023 in Leipzig
Nach dem Transkript überarbeitete und redigierte Fassung von Dr. Manfred Leyh, Laura Peter und Kathrin Will.
Rechte vorbehalten.
I: Wir führen heute ein Interview mit Dr. Manfred Leyh. Das Gespräch führt Laura Peter, anwesend ist Kathrin Will. Wir sind im Louise-Otto-Peters-Archiv. Es ist der 01.06.2023 vormittags. Manfred, danke, dass du dich für dieses Interview bereit erklärt hast. (B: Gerne.) Als Einstieg kannst du uns vielleicht erzählen, was du in 1990er-Jahren beruflich gemacht hast?
B: Ja, ich war in den 90er-Jahren Assistent an der Pädagogischen Hochschule bis zu ihrer Auflösung. Und bin dann an die Universität Leipzig übernommen worden und habe dort bis 1995 in der Kustodie gearbeitet. Das heißt, ich habe dort Ausstellungen konzipiert und umgesetzt, recherchiert, dafür geforscht, unter anderem auch für Elisabeth Voigt, eine Leipziger Malerin, zur Sprengung der Pauliner-Kirche und so weiter und auch zu jüdisch Bildenden Künstlern in Leipzig. Parallel dazu muss ich sagen, habe ich dann auch in Vereinen gearbeitet. Das ist auch heute unser Schwerpunkt des Gesprächs und habe dann ab 1995 die Selbständigkeit gewählt und habe eine Maklertätigkeit in Dresden aufgenommen. Das heißt, ich arbeite mit einer Kanzlei dort zusammen, die sich das Ziel gestellt hat, historische Gebäude in Dresden am Weißen Hirsch in Blasewitz, Striessen zu restaurieren. Ja, ich weiß nicht, ob euch jetzt Dinge interessieren, die vor 1990 in der Hinsicht waren? Weil einiges ja dann spannend sein könnte, warum ich eigentlich zur Gesellschaft gekommen bin? Aber das fragst du bestimmt als extra Frage. (lacht)
I: Du kannst das ja gerne später auch bei der Frage nach dem Grund erzählen. Ich würde dich erstmal fragen, uns ist erzählt worden, dass du zusammen mit Heiner Thurm die Forschungsbibliothek der Forschungsgemeinschaft Geschichte des Kampfes Arbeiterbewegung um die Befreiung der Frau an der Sektion Geschichte gerettet hast. Kannst du uns dazu was erzählen?
B: Ja, also die Hochschule ist ja evaluiert worden und wurde aufgelöst und der Bestand an Mitarbeitern der Hochschule, vom Professor bis zum Assistenten wurde überprüft in entsprechenden Evaluierungsgesprächen, die teilweise politischer Natur waren. Und ich habe also dann mit Heiner noch bis 1995, wie gesagt, an der Universität gearbeitet. Wir hatten an der Pädagogischen Hochschule eine Forschungsgemeinschaft, die hat sich Mitte der 60er Jahren gegründet, damals nannte sie sich noch Arbeitsgemeinschaft Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau. Das heißt, dort war im Fachbereich Geschichte ein wesentlicher Bestandteil diese Forschungsarbeit zur Frauengeschichte. Das war einmalig in der DDR. Die Geschichte dieser selbst, gebe ich euch mal als Hinweis, wird von Hans-Jürgen Arendt in dieser Broschüre beschrieben. Er hat dort einen Beitrag gehalten, damals zum 150. Geburtstag von Clara Zetkin, was auch über die Gesellschaft gelaufen ist. Da hat er praktisch diese Geschichte, wie man eigentlich zur Frauenforschung gekommen ist und damit auch mit Schwerpunkt Clara Zetkin geschrieben. Es gibt auch noch ein Mitteilungsblatt. Und das könntet ihr einfach dann auch später noch einmal nacharbeiten. Diese Forschungsgemeinschaft ist dann mit der Hochschul-Umbenennung, bis 1972 war das ja das Pädagogische Institut, danach ist es die Pädagogische Hochschule geworden, mit Promotionsrecht und so weiter. Und ich bin 1975 als Student an die Pädagogische Hochschule Leipzig gekommen, mit der Kombination Lehrer für Geschichte-Deutsch zu werden. Damals gab es ein Hauptfach, das war Geschichte, und Deutsch war mein Nebenfach in dem Bereich. Und ich habe dann auch im Laufe meines Studiums, sagen wir mal, eine Spezialisierung erlangt, indem ich mich schwerpunktmäßig für den Bereich Neuzeit interessiert habe und dort speziell für diese Forschungsgemeinschaft Frauen. Auch weil mein Seminargruppenberater, Professor Dr. Kirchner dort mitgearbeitet hat. Und ich habe also dort mitgearbeitet und habe dann eine Diplomarbeit zur „Geschichte der Frauenbewegung in der II. Internationale“ geschrieben. Also mir ging es besonders um das Frauenwahlrecht, also besonders den Anteil von Clara Zetkin im Kampf um das Frauenwahlrecht. Und mit dieser Diplomarbeit, die mit Auszeichnung anerkannt wurde, bin ich dann in die Reihe der Forschungsstudenten geraten. Ich musste aber kurz unterbrechen, für anderthalb Jahre, weil ich zur Armee musste. Ich habe also meinen Armeedienst nach dem Studium machen dürfen und dass nur für anderthalb Jahre, weil man Angst hatte, dass ein männlicher Lehrerbewerber verloren ging durch drei Jahre Armeezeit. Als ich dann an die Hochschule zurückgekommen bin, habe ich dann als Forschungsstudent und Assistent gearbeitet und habe dann auch meine Promotionsarbeit vorbereitet. Also ich war von 1979 bis 1981 bei der Armee, dann habe ich eine Promotionsarbeit geschrieben, eine Dissertation und habe in dieser Zeit Lehrveranstaltungen gegeben, Vorlesungen, Seminare, Übungen und habe dort mit weiteren Studentinnen, die Mehrzahl unserer Studenten waren ja Studentinnen, dort auch zur Frauengeschichte, zu Frauen, die um ihr Frauenrecht kämpfen, um die politische Gleichberechtigung, wirtschaftliche Gleichstellung und Sozialrechte... Also ich sage immer, alles, was in diesem Zeitraum der Neuzeit bis 1918, national wie international war, und ich habe mich speziell auch mehr mit der internationalen Frauenbewegung beschäftigt. Und über diesen Weg bin ich dann auch Autor in manchem Mitteilungsblatt geworden. Dieses Mitteilungsblatt existierte ja seit Oktober 1970 und interessanterweise ist es auch, dass Johanna Ludwig, die ihr gut kennt, dort die Lektorin gewesen ist. Aber nicht von 1970, sondern ich habe das mal irgendwo hier aufgelistet, alle Hefte, wo sie mitgearbeitet hat. (Papierrascheln im Hintergrund) Also sie war, denke ich mal, ab dem Heft zehn, elf dort Lektorin. Aber das könnt ihr dann nochmal genau recherchieren. Ursprünglich mit Professor Müller, dann mit Professor Scholze und so ganz intensiv mit der Doktor Ruth Götze. Sagen wir mal, bis 1987 in etwa hat Johanna dort gearbeitet und sie hat auch alle Bücher, die in der Forschungsgemeinschaft entstanden sind, als Lektor betreut. Ich habe hier mal ein paar mitgebracht, wo auch nachgewiesen ist, wer dort die Lektorin gewesen ist. (schaut in seinen Unterlagen) Hier also Lektor Johanna Ludwig. Da sieht man vom Frauentag bis hin zur Frauengeschichte, der bürgerlichen Frauengeschichte, auch Louise Otto-Peters oder hier „Die Frauenfrage“, „The women question“ von Marx-Aveling. Oder „Eine ganze Epoche voraus“ und auch die zweiteilige Chronik „Zur Rolle der Frau in der Geschichte des deutschen Volkes von 1830 bis 1945“, eine Chronik von 1945 bis 1981… Da war Johanna immer die Lektorin gewesen. Und ich habe euch mal auch ein Buch mitgebracht, was zwar gedruckt worden ist, aber nicht mehr in den Verkauf kam. Das war die „Geschichte des Demokratischen Frauenbundes Deutschland“. Auch dort war Johanna Ludwig Lektor. Und deswegen war mir also ihr Name auch bekannt. Ich kannte sie dadurch auch persönlich und das ist auch eine Entscheidung dann später für die Gesellschaft gewesen. Um das mal dazu zu sagen. (Rascheln im Hintergrund) Die Forschungsgemeinschaft hat existiert, solange die Hochschule als solche existiert hat. Wir haben dann versucht, die Forschungsgemeinschaft zu retten, im wahrsten Sinne, weil wir der Meinung waren, wir müssen die ganzen Diplomarbeiten, Dissertationen, die dort entstanden sind, sichern. Und wir hatten dann auch gemerkt, dass nach der sogenannten Wende es dort natürlich auch einen radikalen Umbruch gegeben hat und man sich also von diesem Forschungszweig trennen wollte. Und der damalige Sektionsdirektor hat dann die gesamte Bibliothek einfach in den Gang gestellt, als Regal, und damit eigentlich zur Plünderung freigegeben, so habe ich es empfunden. Und wir haben dann folgendes gemacht, der Heiner und ich, wir sind dann… Ich hatte damals kein Auto zu DDR-Zeiten, Heiner hatte einen Trabi. Da sind wir dann dort abends in die Hochschule gegangen und haben dort alles, was mit Frauengeschichte, die Diplomarbeiten, Dissertationen, die mal auf den Müll wahrscheinlich geschmissen worden wären, wie es in anderen Bereichen der Hochschule auch passiert ist… Da stand ein Container im Hof. Wir waren damals in der Amalienstraße und dort haben wir diese Bücher gesichtet. Nun war das klar, ich hatte eine kleine Zweiraumwohnung mit zwei Kindern in Leipzig, und ich hatte nur so einen ganz kleinen Verschlag. Das sind so fünf Verschläge von den Mietern gewesen und die habe ich genutzt, in Abstimmung mit meiner Frau, weil wir konnten dann unsere Privat-Sachen nicht…, um diese Bücher zu retten. Und diese Bücher, diese Diplomarbeiten und Dissertationen habe ich dann durch befreundete Forscherinnen in Dresden auch nach Dresden gefahren. (Papierrascheln, klopft auf Buchrücken) Und diese Bücher sind dann alle erstmalig hier in dieser Reihe „Frauenforschung in Sachsen, Auswahlbiografie, Teil zwei“, das war der Geschichtsteil, 1994 erschienen. Das heißt, also alles, was ihr hier seht, ist praktisch nicht nur nummeriert, mit Name, ob das jetzt Heft oder der Autor ist und dann steht auch immer Standort da, wo befindet es sich oder wo kommt es demnächst hin? Also in der Masse steht dann mein Name dort: Standort Leyh, weil ich das bei mir privat damals gesichert habe. Und um dann auch, durch spätere Veränderungen im persönlichen Bereich, dieses Material zu sichern, habe ich dann fast alle, muss ich sagen, Diplomarbeiten, Dissertationen und Publikationen an das Stadtarchiv in Leipzig gegeben. Dort hatte ich eine Bekannte aus meiner Schulzeit, das war die Dr. Beate Berger. Die war damals die Vorsitzende oder sagen wir mal, die Chefin des Stadtarchivs in der Torgauer Straße und ihr habe ich praktisch dieses gesamte Material übergeben. Als das dann bekannt war, haben sich dann noch andere gemeldet, die Kassler wollten es haben und, und, und. Jeder hatte plötzlich auf einmal Interesse daran, an diesem schönen Bestand, den wir da gesichert hatten. Und darüber freue ich mich auch noch, dass das auch heute noch genutzt werden kann und belegen kann, was auch die Vielfalt der Forschung in dieser Forschungsgemeinschaft betraf. Auch wenn der Name bis 1991/1992 war Geschichte des Kampfes der Arbeiterklasse um die Befreiung der Frau, da war jetzt nicht nur allein der Schwerpunkt eben die proletarische oder sozialdemokratische Frauenbewegung, sondern wir haben auch Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung beforscht. Petra Rantzsch hat über Helene Stöcker und Gerlinde Naumann hat über Mina Cauer und Holger Hantzsch hat über (überlegt) Hedwig Dohm geschrieben. Also ihr merkt, das hat dann doch eine ganze Reihe… Der Hans-Jürgen Arendt war Spezialist für die Frauenpolitik im Faschismus. Er hat also dort aufgezeigt, wie dort manipulativ mit den Frauen gearbeitet wurde und so weiter. Das sind also schon spannende Episoden, die dort dargestellt worden sind. Ja, und damit muss ich sagen, da bin ich sehr stolz, dass wir das gerettet haben und damit ein Stückchen Geschichte und Leistungsfähigkeit dieser Forschungsgemeinschaft erhalten haben. Ich bin auch noch im Besitz von etlichen Unterlagen, die also in diesen Bereich hineingehen, den ich euch vorhin schon genannt habe, wo also es mir gelungen ist, auch dort noch direkt Aktenmaterial zu sichern, wo also Schriftverkehr mit dem Ministerium, mit ausländischen Forschern, die wir ja in Japan, USA, Frankreich, in den alten Bundesländern, in Tschechien, in Polen, Ungarn, überall hatten. (Plastikrascheln im Hintergrund) Und dass waren dann auch immer die Gäste, die dann auch zu unseren Kolloquien kamen. Also einmal im Jahr gab es ein Clara-Zetkin-Kolloquium. Insgesamt zehn haben stattgefunden in dieser Forschungsgemeinschaft. Aber das wäre dann schon wieder ein Forschungsthema. Und wir haben dann, um diese Forschung dann nicht nur mit den Büchern zu retten, sondern auch die Mitglieder zu sichern, eine Gemeinschaft gegründet, die nannte sich Forschungsgemeinschaft Frauen in der Geschichte. Die war damals noch an der Pädagogischen Hochschule angesiedelt. Das war also in den Jahren 1991, 1992. Und wir haben dann auch dieses Mitteilungsblatt, was herausgegeben wurde, weitergeführt und dort haben Heiner und ich die Redaktion gemacht. Ich muss dazu sagen, ich habe dann auf meiner Schreibmaschine alle diese Texte geschrieben. Es war gar nicht so einfach, das immer so zu schreiben, dass auch die Seitenzahl immer übereinstimmt. Und es drucken lassen. Das heißt, wir haben es kopieren lassen. Ich habe es auf Ormig geschrieben und haben es dann kopiert und binden lassen. Und damit haben wir unsere Konsumenten des Heftes auch weiterhin erhalten. Für uns eines der schönsten, was ich machen durfte, war dieses Heft: „Frauen in der Geschichte“. Da seht ihr also auch Heft eins und zwei 1993. Dort haben wir auch von der Ilse Nagelschmidt, Manfred Leyh, Heiner Thurm, Ruth Götze, Annerose Kemp, Petra Rantzsch zur Henriette Goldschmidt, zur Louise Otto-Peters auch hier schon geschrieben. Und wir haben auch dort ganz massiv Position bezogen, gegen die Zerstörung des Henriette-Goldschmidt-Hauses und, und, und. Und wenn ihr mal so die Protagonisten seht hier in dem Verein, werdet ihr sehen, ein Teil davon werdet ihr dann wiederfinden in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Denn es sind ja die Frauen auch gewesen, die am fachlichsten mit der Thematik verbunden waren. Und Johanna hat das natürlich auch sehr gut erkannt und hat natürlich diese Forscherinnen, wie gerade Ruth Götze, auch dort ganz bewusst in den ersten Jahren auch inhaltlich die Veranstaltungen tragen lassen. Ja, also, das war auch eine schöne Arbeit für mich, dass ich dort dieses Heft doch weiter gestalten konnte. Und das haben wir dann bis 1997 gemacht. Aber da ich 1995 in die Selbständigkeit gegangen bin, fehlte mir dann einfach die Zeit und das Heft hat dann die Ursula Schröder aus Hamburg die letzten zwei Jahre weitergeführt. Sie hat dann auch noch in unserem Sinne ein Sonderheft herausgebracht, wo sie dann, sagen wir mal, ihren Forschungsstand in diesem Heft dargelegt hat und dann ist es aber eingeschlafen. Das gab es dann nicht mehr. Ja, dass erst einmal zur Frage der Rettung der Bücher, warum das so war und wie das gelaufen ist.
I: Danke. Dann kommen wir zur Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Kannst du erzählen, was deine erste Erinnerung an die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft ist?
B: Die erste Erinnerung? Ja, das war ein Gespräch mit Johanna. (lacht) Johanna kam auf mich zu und sagte: „Du, Manfred, ich habe vor, verstehe das jetzt nicht als Konkurrenz…“ Man muss sich ja vorstellen, ich hatte ja auch einen Verein Frauen in der Geschichte, ich war Stellvertreter, wobei wir ja sehr breitgefächert dort aufgetreten sind. Und Johanna hat dann den Schwerpunkt doch mehr kommunal erstmal gelegt, mit Louise Otto auf eine der Pionierinnen oder der Protagonistinnen überhaupt für die organisierte Frauenbewegung in Deutschland. Und Johanna hatte mich dort angesprochen und sagte: „Du, wir kennen uns so und du weißt, ich würde das gerne auch unter dem Aspekt machen, dass auch Männer mit einbezogen werden und wie siehst du das?“ Bei mir ist das auf offene Ohren gestoßen. Ich sage es mal so schön. Ich habe dann gesagt, ich möchte jetzt nicht, dass so eine Konkurrenzsituation entsteht. Wir haben Veranstaltungen geplant, die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hat Veranstaltungen geplant, wo ich aktiv mitgeholfen habe. Und in diesem Zusammenhang haben wir dann eben gesagt, dann würden wir erst mal den Weg so gehen, dass wir versuchen, die Mitgliederinnen des Vereins Frauen in der Geschichte auch von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zu überzeugen. Bei Ruth Götze war das ja schon gelungen und bei Annerose Kemp. Aber es sind eben auch andere. Und das hat auch in dem Sinne geklappt, dass wir also einen Teil der Mitglieder dann auch in die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft überführt haben. Also für mich war dieser persönliche Kontakt mit Johanna, die ich durch ihre Arbeit kannte im Zusammenhang mit „Mary Wollstonecraft“ und Edith Schotte, die also auch da die Publikationen zum „A Vindication of theRights“übersetzt hat. Also daher kannte ich sie gut. Deswegen war es für sie auch ganz logisch, dass wir uns dort auch darüber ausgetauscht haben und ich habe sie auch nie als Konkurrenz empfunden, ich habe gesagt, das machen wir auch so. Irgendwann war es dann auch richtig, weil die Belastung, die über den Verein… Ich merkte das auch immer mehr, unsere Vereinsvorsitzende, die war Lehrerin, die Dr. Gabriele Starke, die hatte noch mit ihrer eigenen Dissertation zu Gertrud Bäumer zu tun und es auch erfolgreich umgesetzt. Und wir merkten eben auch, dass doch eine Differenzierung stattgefunden hat. Interessanterweise waren ja im Verein doch eine ganze Reihe Männer Forscher dort drinnen: Professor Arendt, Scholze, Professor Müller, aber die hatten dann teilweise alle schon das Rentenalter erreicht und zogen sich jetzt zurück. Und einige Frauen haben dann, wie die Gudrun Partisch zum Beispiel, die auch speziell zu DFD gearbeitet hat, auch durch private Situationen und durch berufliche Veränderungen, wir waren ja alle im Veränderungsprozess begriffen, dann nun nicht mehr so die Muse, so aktiv zu arbeiten. Sodass das Häuflein derjenigen, die da noch … etwas geringer geworden ist. Ja, dass wäre das kurz dazu.
I: Ja, danke. Dann bist du dann daraufhin Mitglied im Verein geworden?
B: Genau. Ich bin, um das zu sagen, gleich im März 1993 dort Mitglied geworden und ich sage es immer gerne, nach Helmut Luft, der zweite Mann. (lacht) Dann kam Heiner. Wir waren so die ersten drei Männer. Also auch dort trafen sich wieder diejenigen, die auch schon vorher sich mit Frauengeschichte beschäftigt hatten. Gerade besagter Helmut Luft, ein Verwandter der Clara Zetkin und, sagen wir mal, unser Bindeglied in die Universitätsbibliothek, was also die Beschaffung von Quellen betraf, wo auch er nur der einzige war, der die Übersicht hatte. Die tauchten teilweise nirgendwo auf, aber Helmut hat das eben organisiert. Das war ein sehr engagierter Herr, mit dem es auch viel Spaß gemacht hat, sich nicht nur über Clara Zetkin zu unterhalten, sondern überhaupt über die Frauen in Leipzig.
I: Hast du Ämter oder andere Aufgaben für die Gesellschaft übernommen?
B: Also ich habe mich in Bezug auf Ämter, was Vorstandstätigkeit betraf, zurückgenommen, weil ich einfach gesagt habe, das müssen Frauen machen, jetzt gerade in dieser Umbruchsituation und das war auch so mit Johanna, sagen wir mal, privat auch abgestimmt. Ich habe Funktionen zeitweise gehabt, die aber immer mal mit konzeptionellen und inhaltlichen Gestaltungen zu tun haben. Zum Beispiel haben wir im Gründungsjahr 1993 eine Vorbereitungsgruppe, eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich allein zum Schwerpunkt gemacht hat, die Louise in das Öffentlichkeitsbewusstsein zu bringen und eine große Veranstaltung zu ihrem 175. Geburtstag zu schaffen. Und auch da hat wieder Johanna ganz geschickt verstanden, meine Tätigkeit, damals an der Kustodie zum Thema Ausstellung, damit zu kombinieren und sie sagte: „Menschenskinder, wir könnten doch zu dieser Veranstaltung eine Ausstellung gestalten.“ Das heißt also, das Leben und Wirken in Leipzig und darüber hinaus in Dresden an vorhandenen Dokumenten darzustellen, besonders auch an ihren Werken und das war meine Aufgabe. Das kann ich auch mit Dokumenten sehr schön belegen. (Papierrascheln) Auch, wo wir mehrfach zusammengesessen haben, wo wir zu Veranstaltungen, was die Konzeption, Vorbereitung, Umsetzung betraf, von der Öffentlichkeitsarbeit bis zum Beispiel der Rosental-Wanderung, ja auch zum Denkmal und so weiter… Aber meine Aufgabe war eben schwerpunktmäßig die Erfahrung, du hast mit Ausstellungen gearbeitet, du musst auch diese Ausstellung mal gestalten. Das habe ich dann so gemacht, dass ich die ganzen Vitrinen organisiert habe, es waren teure Ausstellungsvitrinen. Da gibt es auch Leihverträge mit der Kustodie auf meinem Namen, einen Leyh-Vertrag im wahrsten Sinne des Wortes. (lacht) Und dort haben wir also mehrere ausleihen dürfen, auch kostenfrei. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Professor Ilse Nagelschmidt mit der Universitätsarchivbibliothek gearbeitet, um dort die von uns recherchierten Originale der Louise Otto, also ihre Werke, auszuleihen. Das habe ich dann also auch übernommen. Ich bin nach Dresden gefahren, habe dort noch Bücher geholt, sodass wir wirklich dann zu dieser Veranstaltung überhaupt erstmalig eine kleine Ausstellung hatten, die das literarische und das publizistische Werk von Louise Otto-Peters dargestellt hat. Das war also schon mal ein Meilenstein. Und ich war da nicht nur der Autofahrer, ich war einer der wenigen, der sich ein Auto aufgrund der Selbständigkeit besorgt hatte, sondern ich habe dann auch noch den Transport abgesichert. Das war eine sehr schöne Ausstellung und das hat die Johanna so begeistert, dass Johanna dann mehrere Wanderausstellungen, auf diese aufbauend, gemacht hat. Dann aber unter dem Aspekt, dass wir dort auch mehr Tafeln gestaltet haben, wo wir dann das gesamte Lebenswerk auch so ein bisschen dargestellt hatten. Ja und zu dieser Veranstaltung selbst, die ja zum 175. Geburtstag war, gab es ja auch schöne Höhepunkte. Wir hatten ja dort auch Gratulanten, die dort aufgetreten sind und auch da war man an mich herangetreten. Ich habe dann dort Robert Blum vertreten. Es ist ja bekannt, die „Adresse eines deutschen Mädchens“ und so weiter. Das muss ich ja den Profis unter euch nicht erklären. (lacht kurz) Dort habe ich dann meinen Beitrag geleistet. Es war auch eine sehr schöne Veranstaltung und die eigentliche Überraschung war, ich hatte es euch ja schon angedeutet oder ihr wisst das auch, dass wir dann am Denkmal ja festgestellt haben, dass es sogar noch eine lebende Nachfahrin, also eine indirekte Nachfahrin der Louise Otto-Peters gegeben hat, die Frau Kiesel, hochbetagt und dass wir diese dann kurzfristig am Denkmal dann noch einladen konnten. Wir haben alles organisiert, abgeholt, ins Auto rein und hingebracht. Und dort habe ich dann auch den älteren Mitgliedern unserer Gesellschaft das Auto privat zur Verfügung gestellt, um sie von zu Hause abzuholen. Ab 1995 wird meine Tätigkeit in der Gesellschaft reduziert, mehr auf die Autorenschaft. Ich habe also als Autor gearbeitet, ab und zu bei Veranstaltungen. Ich habe mehrfach mit Ruth Götze und unter der Leitung von Johanna dort Veranstaltungen gemacht zu dem Trio Louise Otto-Peters, Henriette Goldschmidt und Auguste Schmidt, während ja Annerose Kemp mehr zu Henriette Goldschmidt gearbeitet hat, hat Ruth Götze zur Louise gearbeitet und ich bin so ein bisschen der Spezialist gewesen, auch was jetzt meine Materialsammlung betrifft, zu Auguste Schmidt. Und es war auch immer schön, dann im Kreis der Damen, wenn man als einer der wenigen Männer kam, dann auch freudig begrüßt wurde.
I: 1997 konnte das Louise-Otto-Peters-Archiv eröffnet werden. Kannst du dich daran erinnern? Kannst du uns davon erzählen?
B: Ich kann mich daran erinnern, ja. Aber ich konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht an der Eröffnung teilnehmen. Und ich habe auch immer im Vorfeld geholfen, so nach dem Motto, was haben wir an Buchmaterial et cetera, was wir ins Archiv überführen können, damit wir auch jetzt nicht in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen kamen, die sich, wie die Frauenbibliothek, dort spezialisiert hatten. Wir sagten, wir wollen den Fokus auf Louise Otto-Peters, auf ihren Mitstreiterinnen, auf den regionalen Aspekt legen. Aber, wie gesagt, ich hatte dort weder Anteil an der Raumfindung. Aufgrund meiner Maklertätigkeit wurde ich immer mal gefragt, wo können wir Räume anmieten? Denn es war ja immer für einen Verein, da gab es auch mehrere Wechsel, eine schwierige Sache, dort auch Gelder aufzutreiben oder Geldgeber zu finden, um dann auch die Miete bezahlen zu können. Auch nicht alle Räume, die wir hatten, waren… Da war ich auch immer als Immobilienmann gefragt und da musste man auch sagen, nein, das ist passt nicht, weil dort die Substanz, die Bausubstanz, Feuchtigkeit und andere Dinge wie Raumtemperaturen, es nicht zuließen, dass wir dort überhaupt Archivmaterialien oder Bücher lagern konnten. Auch war die Räumlichkeit manchmal nicht so nutzbar, dass man sagt, da konnte man mehrere Gäste empfangen, die dort arbeiten könnten und auch die Anfahrten waren schwer, denn es gab dort keine Parkplätze und so weiter. Also, um das zu sagen, diese Phase habe ich nur unter dem Aspekt der Rückfragen begleitet. Ich habe dort inhaltlich dann an der Eröffnung nicht teilnehmen können und habe auch dort jetzt nicht weiter im Archiv gewirkt.
I: Bleiben wir kurz bei den Räumen. Neben den Gründen, die du vorhin schon genannt hattest, weißt du, wie es dazu kam, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft zwischen 1993 und 2015 so häufig umgezogen ist?
B: Also ich weiß es aufgrund der Veranstaltung, wo darüber gesprochen wurde oder aufgrund von Gesprächen mit Johanna, wo sie eben auch gefragt hat: „Hast du nicht irgendwo die Möglichkeit, dass wir Räumlichkeiten anmieten können?“ Aus meiner Sicht waren es immer Dinge, die entweder in den Mietverträgen gelegen haben, die waren entweder befristet oder die Objekte wurden dann restauriert. Es gab Dinge, die betrafen die Miethöhe und auch die Raumnutzung, wo man festgestellt hat, das passt nicht. Das sind so Gründe, warum. Aber ich kann es jetzt nicht genau sagen, wann und jetzt zuordnen, bei welcher ehemaligen Adressen es um welche Eigenschaften ging. Das kann man gut nachlesen, denke ich mal, in den Protokollen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Wenn dann die Generalversammlung der Gesellschaft war, wurde dort über diese Dinge gesprochen, wurden auch benannt und da würdet ihr, denke ich, auch sehr gut fündig werden. Also detailmäßig ist es mir jetzt nicht so in Erinnerung.
I: Kannst du was dazu sagen, wie sich der Verein finanziert hat und was die Herausforderungen bei der Finanzierung waren?
B: Da ich nicht Vorstandsmitglied war und auch dort habe ich eigentlich nur das immer mitbekommen, wenn die Schatzmeisterin es vorgetragen hat… Wir haben uns die erste Zeit auch entweder nur über Mitgliedsbeiträge… Da wäre eigentlich Heiner Thurm zum Beispiel der bessere Ansprechpartner, denn in diesen Dingen der Finanzen kann ich jetzt keine Aussagen treffen und würde jetzt Fehlinformationen geben.
I: Wen hast du denn durch deine Arbeit für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft kennengelernt?
B: Ja, also eine ganze Reihe von Frauen nach der Wende, die also auch irgendwo entweder mit der Thematik Frau in der Gesellschaft, Frau in der Kultur, Frau in der Geschichte zu tun hatten. Das war, sagen wir mal, ein sehr interessanter Bereich. Das war aus der Literatur die Christel Hartinger gewesen ist oder aus der Pädagogik die Annerose Kemp, die ich ja schon vorher kannte, oder die Rosel Zeitschel. Alle, die auch so spezielle Schwerpunkte hatten (unverständlich). Die eine im antifaschistischen Widerstandskampf in Frauenlagern in dieser Zeit. Und diese Vielfalt an kleinen Mosaiksteinen war das eigentlich, was das Bunte in diesem Verein eigentlich sehr schön gemacht hat. Und das Verbindende war ja eigentlich, sagen wir mal, die Louise Otto-Peters, die ja aufgrund ihres Wirkens mit ihren Mitstreiterinnen Henriette Goldschmidt, Auguste Schmidt, zu dieser Organisation, zu dieser Bewegung geführt hat. Die ja erst alle Dinge möglich gemacht hat. Und dieses Kennenlernen der unterschiedlichen Motive von Frauen, die sich engagieren wollten… Was mich auch bewegt hat, waren viele Frauen, die auch aus ihren Berufen nach der Wende entwurzelt wurden, die ihre… So wie ich ja auch meine Berufung im akademischen Bereich beendet hatte. So war das eben hier, dass Frauen aus ihrem Boden herausgerissen wurden und auch nach Möglichkeiten suchten, sich wieder in die Gesellschaft einzubringen und sich auch für ihr Geschlecht einzubringen. Und das hat mich eben fasziniert und da sind Freundschaften entstanden und Kontakte und eben auch Verluste entstanden. Denn wenn man daran denkt, an dieser Zeit, es sind doch ein Großteil von den Pionierinnen der Gründung der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, einschließlich Johanna, Annerose Kemp oder meine Hochschullehrerin und Freundin Dr. Ruth Götze, nicht mehr da. Wir tragen sie weiter im Herzen und in der Erinnerung und eben auch jetzt durch euch weiter. Mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht, zu erleben, dass eben auch die Öffentlichkeitsarbeit durch den Verein, durch die Frauen, die ich kennengelernt habe, ob das die Gerlinde Kämmerer gewesen ist, die mit ihrem Frauenrundgang diese Persönlichkeiten dort lebendig gemacht haben. Bloß mal ein Beispiel: Eine unserer ersten Aufgaben 1993, die wir uns gestellt haben, war, wir wollten zur Louise Otto-Peters eine Veranstaltungsreihe im Rahmen der Volkshochschule machen. Das heißt, wir haben dort direkt einen Lehrgang beantragt, mit Dokumenten, wo wir, die Ruth Götze, Johanna Ludwig, Annerose Kemp und meine Person und Heiner, der auch mit dabei war, gesagt haben, wir bieten über die Volkshochschule ein zehn Vorlesungen umfassende Reihe an, wo es um Louise Otto-Peters ging. Wir haben eine Konzeption erarbeitet. Aber man hatte dann gemerkt, als es dann um das Einschreiben in diese Veranstaltung ging, war das im Bewusstsein der Leute… Wir hatten wir zwei, drei Interessenten, ein Mann und zwei Frauen, aber dadurch hat die Volkshochschule… Im Frühjahr, im April 1994 sollte diese Reihe laufen. Da hat man sich dann entschieden, diese Fortbildungsreihe nicht umzusetzen, aus Mangel an Beteiligung. Das sprach ja eigentlich dafür, dass die Aufgabe der Gesellschaft richtig war, weil wir eben gemerkt haben, es hat wenig reflektiert. Die Menschen wussten mit dem Namen vielleicht durch unsere Werbung etwas anzufangen. Aber in der Masse der Bevölkerung war das kein Bedürfnis. Es war vielleicht auch noch zu früh. 1994 hatten die Leute alle selbst mit sich zu tun, mit ihren beruflichen, privaten Veränderungen, Wegzüge und so weiter. Und viele Akademikerinnen, die hier waren, sind ja dann auch weggegangen, um irgendwo in Lohn und Brot zu kommen und so einfach war das nicht mit ABM-Stellen und dann gab es ja auch bestimmte Aktionen, wie Aktion 55.
I: Mit welchen Institutionen war die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft verbunden? Wie wichtig war das?
B: (überlegt) Also das ist eine Frage, die ich auch so im Detail nicht beantworten kann. Ich weiß, sie baute mit Netzwerke auf, die wir auch heute kennen. Aber da gab es Anfänge… Es gab Zusammenarbeiten mit den existierenden Frauenvereinen in Leipzig, wie ZAROF und wie sie alle hießen oder KuKuC und MONAliesA. Und ja, ich sage, wir haben mit Dresden zusammengearbeitet, mit Berlin. Die Netzwerke standen erst am Anfang, jetzt ging es erst einmal darum, die Gesellschaft als solche, sagen wir mal, aufzubauen. Das hat auch Jahre gebraucht, um sie wirklich in diese Form zu bringen, Dank das Engagements von Johanna, die da ja ihr Herzblut eingebracht hat. Ich habe immer so schön gesagt, das ist unsere Louise Otto-Peters in persona, was so ihre Art betraf. Johanna war ja sehr vereinnahmend. Die Johanna hatte mich angerufen und sagte: „Manfred, kannst du mal an dem Tag mit dem Auto mich dann dort und dorthin fahren, dass wir das und das machen können?“ Und et cetera. Also man musste sie manchmal auch schon ein bisschen bremsen, weil es ging dann schon, wenn man selbständig war oder berufstätig war… Da hat Johanna gesagt: „Man muss brennen…“, wie sie für die … Das hatten wir ja auch, wir wollten das ja auch und so weiter. Aber man musste das natürlich dann auch… Ich hatte eine junge, kleine Familie mit zwei Töchtern, die übrigens auch… Meine Frau ist Lehrerin, die auch sehr im Unterricht die Frauengeschichte einbaut. Sie ist Geschichtslehrerin und Ethiklehrerin und meine große Tochter war auch öfters Gast in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, meine Katharina, die war damals Studentin an der Universität Leipzig und meine kleine Tochter hat bei Ilse Nagelschmidt ihre, wir würden sagen, Diplomarbeit geschrieben. Und meine Große hat eben auch in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft einen Vortrag gehalten. Also da habe ich schon ein bisschen mit angesteckt (lacht) und zwei sehr emanzipierte Töchter. Deswegen sage ich auch, da muss ich auch keine Angst haben, dass dann die Dinge, die momentan bei mir existieren, verlorengehen, dass die dann entweder in Privatbesitz oder ins Archiv dann noch einmal gehen werden.
I: Wie kam es dazu, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft Kontakte nach Japan oder in die USA hatte?
B: Ich gehe mal davon aus, dass auf der einen Seite der eine oder andere Kontakt vielleicht auch über unsere Forschungsgemeinschaft kam, die ja Johanna auch gut kannte, wo sie, wie ich gesagt habe, unsere Lektorin gewesen ist. Wir hatten vorhin über den Namen Frau Professor Tetso Itu gesprochen. (überlegt) Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass eben doch eine ganze Reihe an Frauen in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, wie Frau Professor Kosack, Ilse Nagelschmidt und andere, natürlich auch durch ihre Arbeit, ob das jetzt im Rahmen der Universität, der Frauenvorlesungen, im Rahmen der Kontakte der Universität, zu anderen Universitäten, der Gleichstellungsbeauftragten und so weiter war, dass dort also eine ganze Reihe Kontakte geknüpft wurden. Und ich gehe mal davon aus, dass die teilweise auch durch Publikationstätigkeit, durch Veranstaltungen, die die Louise Otto-Peters-Gesellschaft gemacht hatte, zustande kamen. Ich erinnere bloß an den jährlichen Louise-Otto-Peters-Tag. Das ist ja auch eine Institution geworden, wo man dann also auch Forscherinnen gezielt angesprochen hat. Ja, und diese Forscherinnen, die teilweise in Deutschland manchmal gearbeitet haben, haben den Kontakt gesucht. Andere haben den Kontakt aus ihren Herkunftsländern zur Gesellschaft gesucht, weil sie eben, ich hatte es ja vorhin mal gezeigt, auch in Frankreich, Frau Hervé, zu Louise Otto-Peters gearbeitet hat oder zu Clara-Zetkin. Also, ich kann nicht verbürgen, warum Frau Professor X aus den USA den Kontakt hatte. Das war das Engagement einzelner Frauen unserer Gesellschaft, die die dort praktisch zur Gesellschaft zugeführt haben und wo dann auch durch Konferenz-Beiträge, Auftritte auch eine Mitgliedschaft entstanden ist. Inwieweit die von Dauer ist, kann auch nur die Schatzmeisterin sagen, denn sie weiß, wie lange sie zahlt oder ist sie noch Mitglied, kriegt sie noch Publikationen von uns, et cetera. Also das sind Dinge, die aus der Historie kommen, aber auch durch das Wirken der Gesellschaft und das Wirken unserer Protagonistinnen wie Johanna Ludwig, Ilse Nagelschmidt, Godula Kosack, Gerlinde Kämmerer und andere, dass das entstanden ist.
I: Daran anknüpfend, die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hat auf historischem Feld viel Grundlagenforschung geleistet. Vielleicht kannst du es nochmal aus deiner Sicht ausführen, wie das Verhältnis von außeruniversitärer und universitärer Forschung war?
B: Also wir haben eine ganze Reihe Mitglieder, die auch sehr aktiv sind. Ich nenne mal Ilse Nagelschmidt, die dort im Rahmen der Universität, ob das in der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten gewesen ist oder im Rahmen ihrer Vorlesung, die sie gestaltet hat oder im Rahmen ihrer Diplomarbeiten oder Examensarbeiten, im Rahmen der Dissertation, die dort die Forschung mit beflügelt hat. Was das Schöne und das Besondere daran ist, dass eben der Verein nicht nur schwerpunktmäßig die akademische Forschung innehatte, sondern dass es auch eine ganze Reihe von Frauen gibt, die jetzt nicht mehr in im universitären Bereich arbeiten und die jetzt eine Möglichkeit gesehen haben, ihr Forschungspotenzial, was sie teilweise schon besaßen oder was sie sich erarbeitet, erforscht haben, jetzt hier zu verknüpfen. Und dass ich manchmal sage, es gibt Phasen, wo sogar die außerakademische Forschung überwiegt in manchen Dingen, wobei wir ja aber auch gerade den universitären Bereich brauchen. Wenn ich an Professorin Susanne Schötz denke, die ja nun auch dort eine Pionierin der universitären Forschung ist und die das nicht nur in Leipzig gestaltet hat, sondern auch in Dresden eine Bastion errichtet hat, wo sie ihre Vorlesung hält, ihre Studentinnen betreut und so weiter und sofort. Auch dort sind Leipzigerinnen, die aus der ehemaligen Forschung kommen, wenn ich an die Professor Heidrun Pretschner denke, leider verstorben, an Frau Professor Sonja Koch in Dresden, die dort auch diese Forschungswurzel aus Leipzig mit nach Dresden gebracht haben. Also das begeistert mich natürlich, dass das so ist. Und wie wir dann auch an unserem Online-Projekt „Frauen machen Geschichte“ sehen, dort ist es ja auch eine wunderbare Mischung aus Autorinnen und Autoren, die aus der universitären Forschung stammen oder aus der außeruniversitären Forschung. Und es ist immer schön, dass auch außerhalb der Universität Beiträge geleistet werden, die also wirklich Anerkennung finden, wo ich einfach sage, weil sie eben dem Anspruch von akademischer Forschung entsprechen. (überlegt) Ich sage mal, ich komme nun aus beiden, ich komme aus der akademischen Forschung raus und bin jetzt auch Vertreter der außeruniversitären Forschung, insofern dass man seine Freizeit auch nutzt neben der beruflichen Tätigkeit, um dort in Archiven Luft zu schnuppern, Dokumente zu entdecken, Frauen aus der Vergessenheit zu entwickeln. Ihr kennt ja die Namen oder Seiten, was da für interessante Frauen bisher in Leipzig nicht bekannt waren. Mich hat es auch mit Stolz erfüllt, dass ich zu einer Protagonistin gearbeitet habe, zu der Tochter von Robert Blum, Ida Blum, und dass dort jetzt eine Grundschule den Namen Ida Blum haben will. Also nicht nur Straßenbenennungen, auch Schulen, so, dass man auch sieht, aus dieser Forschung werden auch Ergebnisse, praktische Ergebnisse.
I: Ein kleiner Themenwechsel. (B: lacht kurz) Welchen Bezug hattest du zu Computern in den 1990er-Jahren?
B: Um das ehrlich zu sagen, ich war, sagen wir mal so, in den Anfangszeiten des Computers sehr verhalten. Nicht verhalten, weil ich das Medium nicht akzeptiert habe, sondern weil ich mich da etwas schwer getan habe mit der Beherrschung der Dinge. (lacht) Und ich habe dann immer gehofft, dass es leichter wird. Wenn ich daran denke, wir hatten schon zu DDR-Zeiten Computer. Aber dieses ganze System war für mich etwas zu kompliziert. Und wenn ich dann denke, ich bin dann froh, dass ich dann später den Einstieg gewählt habe, wo man mit sehr vereinfachten Möglichkeiten mit dem Computer arbeiten kann und das nutze ich auch. Wobei ich, sagen wir mal, mit bestimmten Programmen weniger zu tun habe, also so etwas mit Statistik und Zahlen. Ich arbeite damit als Archivteil, als Publikationsmittel, als Kommunikationsmittel und so weiter. Dort habe ich mich angepasst an die Neuzeit. (lacht)
I: Um das Jahr 2000 herum hat die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft einen Computer bekommen. (B: Ja.) Und eine Internetseite ist online gegangen. Kannst du dich daran erinnern und kannst du dazu etwas erzählen? (B: Ich kann mich nicht daran erinnern. Ich würde jetzt schwindeln.) Wie hat sich die Arbeit der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft verändert, nachdem sie einen Computer hatte? Kannst du was dazu sagen?
B: Ja, also, ich sage mal, der Informationsaustausch ist leichter geworden. Es gefällt mir, dass durch die Arbeit mit dem Computer die Gesellschaft in anderen größeren Netzwerken erfasst wird, dass man auf Bestände zurückgreifen kann, dass, ich sage mal, man dann die Präsenz-Forschung… Also ich nutze gerne den Computer, wenn ich Periodika lese, die sich jetzt in Österreich im Staatsarchiv befinden. Die kann ich lesen, da muss ich nicht hinfahren. Man kann hier die Dinge als Kommunikationsmittel nutzen untereinander, was die Mitglieder betrifft, was Publikationen betrifft. Es hat die Arbeit erleichtert und entlastet, aus meiner Sicht auch den Umgang mit dem Original. Das wird vereinfacht, wenn es online gestellt ist, dass man sagt, man kann jetzt bestimmte Dinge… Man kann leichter auf den Bestand zurückgreifen und kann sehen, dass ist jetzt unter der Rubrik „Louise Otto“… Da gibt es ja die Erfassung nicht nur der Neuen Bahnen und ich denke, das ist gut, dass diese Digitalisierung hier Einzug gehalten hat.
I: Wie hast du die bundesdeutsche Frauenpolitik nach der Wiedervereinigung erlebt?
B: Ich sage mal, sehr differenziert. (überlegt) Das ist jetzt mein persönliches Gefühl. Ich habe das erlebt, es gab sehr engagierte… Diejenigen, die hier gearbeitet haben, die kannte ich, was jetzt die Geschichte oder Frauengeschichte angeht. Zur Frauenbewegung kannte ich nicht alle Frauenvereine oder Schwerpunkte der Forschung. Also ich habe mich ja weniger mit Geschlechterforschung beschäftigt. Ich sage es mal so. Oder auch sexuelle Fragen. Das hat jetzt für mich nicht die Rolle gespielt. Ich habe gemerkt, dass man sehr hart kämpfen musste, ob man nun Professorin wurde, Forschungsgegenstände in den universitären Bereichen Einzug hielten, die neue Frauenbewegung, die sich herausgebildet hat. Ich hatte immer gute Kontakte mit Frau Ursula Schröder und andere Protagonistinnen, auch im Zusammenhang der Clara-Zetkin-Forschung. (überlegt) Das war mir bekannt. Was mir aber selbst so bewusstgeworden ist, wir waren in einigen Dingen in der DDR, was die Situation der Frauen betraf, weiterentwickelt. Ich sage unsere Frauen waren so emanzipiert, sagen wir mal, dass sie ökonomisch unabhängig vom männlichen Geschlecht leben, eine Familie großziehen konnten und es gab auch viel mehr Gesetze, ob das jetzt die Trennung der Partnerschaft einfach ermöglicht hat, die Unterstützung von Frauen mit Kindergärten, Krippen und so weiter. Es waren einige Dinge da, wo ich sage… Auch die Arbeitsfelder der Frauen waren viel größer. Ob nun immer die Entlohnung dort gleichgezogen hat, das muss man erforschen, das muss man auch feststellen, das kann ich jetzt so Pi mal Daumen nicht sagen. Aber ich hatte das Gefühl, unsere Frauen hatten ein Bewusstsein. Sie haben sich auch gesellschaftlich engagiert, auch dann, was den Transformationsprozess 89 betraf, waren sie sehr engagiert und so weiter. Und das habe ich dann in diesem Maße in der alten Bundesrepublik nicht so gespürt. Da gab es Frauen, das waren eben die Pionierinnen auf bestimmten Gebieten. Und deswegen hatte ich dann auch gehofft, dass also auch die Frauenbewegung der alten Bundesländer, sagen wir mal, vom Beispiel ihrer Ost-Frauen lernen können. Auf der anderen Seite waren ja auch unsere Frauen gezwungen, sagen wir mal, mehr oder weniger ein neues gesellschaftliches System für sich als Frau, als Familie, als Berufstätige, die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Mutterschaft zu erarbeiten, in der Richtung. Und ich sage mal jungen Frauen, euch, ist es vielleicht manchmal gar nicht so bewusst. Aber ich denke mal, Frauen, die jetzt bestimmte Dinge erlebt haben… Deswegen werdet ihr es auch in Interviews eben auch oft erleben, dass da eben auch die eine oder andere sehr positiv über ihre Situation in der DDR berichtet. Nicht nur weil sie hier sozialisiert ist, sondern weil sie auch bestimmte Dinge in ihrem alltäglichen beruflichen Leben so empfunden hat und so weiter. Und manchmal hatte man das Gefühl, dass immer noch die eine oder andere aus den alten Bundesländern das nicht nachvollziehen konnte, wie man auch bestimmte Dinge in der DDR loben konnte. Oder, sagen wir mal, hervorgehoben hat, dass es positiv ist. Wenn wir es jetzt so sehen, wir haben jetzt auch wieder so Dinge im Gesundheitswesen, wo es dann wieder zurückgeht, wie die Poliklinik. Das hatten wir alles schon. Oder die ganze Frage der Kindergärten, das war eben anders.
I: Auf welche Art und Weise hat sich denn die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft in den Neunzigern in tagespolitische Themen eingemischt?
B: In ganz aktuelle. Ich sage mal, allein dass sie die Tatsachen, dass sie die Frauen in den Mittelpunkt ihres Wirkens gestellt hat. Dass man die Historie der Frauen, ihre Wurzeln in den Mittelpunkt gestellt hat. Dass Frauen begreifen, dass eben Rechte, die man heute als Selbstverständlichkeit nimmt, dass man wählen kann, dass das eben nicht so gewesen ist. Und dass es da eine Zeit bedurft hat, wo Frauen mit Leib und Seele auch bis hin zur Aufgabe, sich dafür engagiert haben, gekämpft haben, unter manchmal ganz, ganz schlechten Voraussetzungen. Und sie hat sich in der Tagespolitik engagiert. Sie hat dazu beigetragen, dass also auch, sagen wir mal, eine gewisse Männerdominanz, die in der Forschung vorhanden war, die in der Straßenbenennung vorhanden war, wo man sagt, wir haben dazu beigetragen, dass Frauen, die würdig sind dort… Oder Channa Gildoni oder so… Mir ist leider der Name entfallen. Die als erste Ehrenbürgerin Leipzigs... Wenn man so sieht, was sich in den Medien jetzt auch widerspiegelt, an Dingen, da hat man schon einen Qualitätssprung erreicht. Dass Frauen heute wieder auch auf die Straße gehen, um für Rechte zu kämpfen. Oder wo man auch historische Objekte in den Mittelpunkt stellt, wo eine bedeutende Persönlichkeit geboren ist, gewirkt hat. Ja, wenn ich an die Tafeln denke. Ich selbst habe zu Clara Zetkin die Tafel in Wiederau geschrieben. Aber wir haben doch jetzt auch hier für den Besucher Leipzigs, für die Leipziger selbst zu sehen: Aha, hier hat jene Frau gewirkt, ist bedeutend gewesen. Oder wo man gekämpft hat, wenn ich an dieses Verbrechen denke, aus meiner Sicht, wo man das Henriette-Goldschmidt-Haus abgerissen hat. Es sind immer Aktionen gewesen, wo die Gesellschaft Position bezogen hat, wo man also auch das in der Öffentlichkeit deutlich gemacht hat: „Hallo, wir sind die Gesellschaft, wir stehen im Sinne unserer, sagen wir mal, verehrten Louise Otto-Peters und ihrer Frauen in deren Sinne dafür ein, in der praktischen Politik.“ Und ich denke auch, dass ist auch schon der einen oder anderen Partei im Leipziger Stadtrat bewusstgeworden, dass man auch den Kontakt zu der Gesellschaft sucht, für Meinungsäußerungen et cetera.
I: Bleiben wir mal beim Henriette-Goldschmidt-Haus. Wie hast du denn den Kampf um den Erhalt des Henriette-Goldschmidt-Hauses erlebt?
B: Ja, wir haben uns da engagiert. Allein in unserem Heft hier, im Mitteilungsblatt, da gibt es… Ein Beispiel hier. (zeigt Artikel in Broschüre) Da haben wir dann eine aktuelle Dokumentation gemacht: „Ein Haus macht Geschichte(n), das Verwirrspiel um das Henriette-Goldschmidt-Haus“ Und dort haben wir alles das mal zusammengefasst, was an Artikeln lief, welche Positionen, Annerose Kemp zum Beispiel hatte dort… Und wir haben es ja zum 30-Jährigen gesehen, wo wir Filmmaterial… (sucht nach Worten) Dort über den MDR… Das sind alles so Aktionen, wo ich sage, da hat die Gesellschaft beigetragen, dort Position zu beziehen, aber eben leider mit dem Ergebnis, dass sie in diesem Fall verloren... Eigentlich ist die Stadt der Verlierer gewesen des Ganzen.
I: Warum wurden viele Aktionen rund um das Henriette-Goldschmidt-Haus für Kinder gestaltet?
B: Ja, das hängt ja mit Henriette Goldschmidts Berufung zusammen. Sie hat ja nun ihre Schule für Kindergärtnerinnen, Kindererziehung, ihre Hochschule für Frauen und sie hat dort ja eigentlich auch als, sagen wir mal in Gedanken, Fröbel-Schülerin, seine Philosophie, seine Politik umgesetzt. Es gab ja auch noch andere Frauen, die dort in der Richtung… Wenn ich an Angelika Hartmann denke, in Leipzig, die auch Vorsitzende des Fröbel-Vereins gewesen ist, die aber auch in Beziehung zu Henriette Goldschmidt eine Konkurrentin gewesen ist, was die Schule betraf. Aber es war ja positiv, weil zwei Einrichtungen existierten, die sich für Kindererziehung, Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen und so weiter ausgesprochen hat. Und ich gehe davon aus, man muss ja auch damit deutlich machen, das war eben Henriette Goldschmidt, deren Namen wir dort wieder und wieder in den Schmutz ziehen, wie es eben auch die Nazis geschafft haben, mit Henriette Goldschmidt als Jüdin. Wobei sie, sagen wir mal, für mich eine ist, die ihr Judentum nicht so in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt hat.
I: Hat der Abriss des Henriette-Goldschmidt-Hauses die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft verändert?
B: Ja, es hat vielleicht eben auch aufgezeigt, dass man auch Niederlagen einstecken muss. Leider, ja. Aber dass man wieder dadurch… Durch diesen Kampf gab es ja wieder ein engeres Zusammenrücken. Man hat auch Menschen aktiviert durch diesen Kampf, die auf die Gesellschaft aufmerksam wurden und so weiter, dass ich einfach sage, man hat dort schon mit seinem Kampf die Thematik in den Mittelpunkt gerückt und die ist auch hängengeblieben, gehe ich mal davon aus. Und das ist eigentlich für mich das Wichtigste, dass man auch in der Öffentlichkeit und aus dieser Niederlage eben auch Erfahrungen gesammelt hat. Man hat eben auch gemerkt, wie man mit bestimmten Mitteln auch kämpfen kann oder kämpfen muss. Und manchmal eben auch leider, wie schon gesagt, eine Niederlage einstecken muss. Ja, und es ist nicht eine Niederlage der Gesellschaft. Es ist eigentlich eine Niederlage, wie gesagt, der Stadt Leipzig, dass eben dieses Haus, dieses historisch geschichtsträchtige Haus, dort verloren gegangen ist und dass auf eine so kriminelle Art und Weise, wie das passiert ist.
I: Was waren denn andere große Herausforderungen während deiner Zeit bei der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft?
B: Herausforderungen? Für mich sind immer… Wir haben die Inhalte, die sind bekannt, die werden erweitert und so weiter. Aber eine Herausforderung ist, dass ein Verein oder eine Gesellschaft auch weiterhin überlebt. Wir haben es jetzt 30 Jahre geschafft. Aber wir merken natürlich auch, dass in diesen 30 Jahren von den ursprünglichen Gründerinnen nur noch wenige am Leben sind oder sich aus unterschiedlichen Gründen, krankheitsbedingt oder manche vielleicht auch aus der Verärgerung heraus… Ja, ich erinnere mich an unsere letzte Veranstaltung, die dort doch einige Konsequenzen bei der einen oder anderen hatte. Mir geht es einfach darum, die größte Angst besteht darin, dass eine Gesellschaft, wie die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, die sich jetzt immer mehr im Bewusstsein etabliert, wir merken es an Forschungsmöglichkeiten, Geldern, Unterstützung und so weiter, dass die am Nachwuchs scheitert. Und das war jetzt in letzter Zeit das, was mich darum wieder erfreut hat, dass es hier einen Zuwachs an jungen Frauen gegeben hat, wie ihr es auch seid, die den Weg zur Gesellschaft gefunden haben. Jeder hat für sich auch ein anderes Motiv gehabt. Das ist gut so. Aber ihr vereint euch jetzt zusammen, indem ihr euch dieser Zielstellung der Gesellschaft stellt und sie umsetzt, ja, und auch, wie durch unser heutiges Gespräch, auch Erfahrungen damit sammelt. Und das ist das Positive daran. Aber das war eben auch jetzt, in den letzten Jahren auch eine meiner Grundsorgen, dass es dort nicht gelingt, die Gesellschaft, sagen wir mal quantitativ, nicht qualitativ… Aber auch da muss man aufpassen, dass die Qualität an Arbeit nicht auf zu wenigen Schultern lastet, dass man junge Mitstreiterinnen verbrennt, weil sie eben zu viele Dinge tun. Man muss, eben auch ab und zu mal Nein sagen. Man muss auch mal sagen können, pass auf, als Gesellschaft, das ist jetzt meine individuelle Meinung, wir müssen mal bei dem einen oder anderen Projekt mal etwas leiser treten, weil wir das personell vielleicht nicht in dem Umfang umsetzen können. Auch ihr werdet eines Tages mal aus unterschiedlichsten Gründen Veränderung suchen, lokale Veränderung, private Veränderungen, wirtschaftliche Veränderungen, wo man dann sagt, da muss man auch Sorge tragen, dass der Staffelstab auch immer weitergereicht wird. Dass das, was hier aufgebaut wurde, was ihr jetzt wesentlich mittragt und wo ihr auch die Erinnerung an Ursprüngliches wachhaltet, dass das weitergeht. Alles andere, sage ich, da kann man kämpfen, aber das ist für mich eines der wesentlichen Dinge, dass die Gesellschaft in dem Sinne ihrer Gründerinnen und der Gründungsmutter, ich sage es mal so, weiter existiert.
I: Würdest du sagen, dass du über die Aktivitäten für die Gesellschaft Freundinnen gefunden hast? (B: Das kann ich sagen, ja.) Kannst du das ein bisschen ausführlicher beschreiben?
B: Ich hatte es ja auch schon versucht, im Gespräch deutlich zu machen, dass es eine ganze Reihe tolle Frauen gibt, mit denen ich befreundet bin, ob das jetzt die Ilse Nagelschmidt ist, Susanne Schötz, ob das meine Lehrerin Ruth Götze gewesen ist oder die Annerose Kemp. Und so ist es auch in dem Bereich der Jüngeren. Mit Franziska oder die Constanze und andere, dass man da einen guten Draht miteinander hat. Man hat sich ja vorher nicht gekannt, auch die Wertschätzung für die Arbeit des anderen. Ob sie nun als Lehrerin, als Verantwortliche in einer Schule oder anderes, dort jeder seinen Beitrag leistet oder ob wir hier zusammensitzen, das sind alles Dinge, wo ich sage, da entstehen Punkte, wo man sich austauschen kann und auch Kommunikation betreiben kann, im Sinne unserer gemeinsamen Arbeit.
I: Wie würdest du denn das Verhältnis unter den aktiven Mitgliedern untereinander jetzt als Außenstehender beschreiben? Vielleicht auch gerade so in den Neunzigern? War das auch freundschaftlich? Gab es vielleicht Konflikte?
B: Das ist unterschiedlich. Das hängt auch vom Menschentyp ab. Es gibt Menschen, die sind sehr auf sich bezogen. Der eine oder andere drängt ein bisschen mehr in den Mittelpunkt, in die Öffentlichkeit, ist auch vielleicht etwas bestimmender. Andere sind da vielleicht etwas zurückhaltender und so weiter. In jedem Verein, und das hat die Louise Otto-Peters kennengelernt, die August Schmidt, wenn es unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Charaktere gibt, wird es nicht immer nur Friede, Freude geben. Es wird auch Spannungen geben. Es wird Meinungsstreit geben über unterschiedliche Auffassungen zu Wegen oder zu Vorhaben oder Umsetzungsmöglichkeiten. Entscheidend ist einfach, dass man das dann nicht, sagen wir mal, in den privaten Bereich hineinbringt, sodass man es persönlich wird, sondern dass man dieses wirklich fair umsetzt.
I: Kleiner Themenwechsel nochmal. (B: Ja?) Wie hast du das Verhältnis zwischen deiner Familie und dem Engagement für den Verein erlebt?
B: Sehr positiv. Ich bin immer so der männliche Feminist in der Familie. (lacht) Meine Mädels, meine Töchter sind zwei tolle Töchter. Ich bin sehr stolz auf sie, die sich sehr engagieren, sehr empathische Menschen sind, was also auch soziales Denken betrifft. Und die in keiner Form mich jetzt da irgendwo humoristisch auf dem Arm nehmen, aufgrund meiner Zusammenarbeit. Im Gegenteil, sie sind eigentlich stolz darüber. Und ich hatte es vorhin schon gesagt, meine Große hat den Weg zur Gesellschaft gefunden als sie in Leipzig war und meine kleine Tochter auch, weil sie sich ja auch einem Thema gewidmet hat, was Ilse Nagelschmidt betreut hatte, da ging es um Frauenpresse im 18., 19. Jahrhundert, also die Anfänge der Frauenpresse. Es war auch ein sehr spannendes Thema, auch für mich, es mal als Papa zu lesen. (lacht kurz) Und bei meiner Frau, habe ich es ja sowieso gesagt, sie ist Lehrerin, Geschichtslehrerin, und dort hat Frauengeschichte bei ihr eine Rolle gespielt schon immer. Frauen, die immer der Indikator gewesen sind in Revolutionen. Die haben als erste gespürt, wenn der Brotkorb leer war und man auf die Straße gehen musste. Und deswegen sage ich, es sind die Frauen da ein ganz wichtiger Faktor in der Geschichte. Und deswegen sehen wir unseren Beitrag auch, diesen Faktor einfach deutlich zu machen. Also es ist zusammengefasst positiv.
I: Wir haben auf Fotos auch gesehen, dass Kinder im Archiv waren, bei Veranstaltungen. Kannst du dazu etwas sagen?
B: Ich weiß, dass es so ist. Meine Frau zum Beispiel geht auch mit ihren Schülern ins Stadtarchiv, da arbeiten die teilweise auch an Dokumenten. Aber konkret den Fall X jetzt hier im Archiv, das kann ich jetzt nicht sagen. Da weiß ich jetzt nichts dazu. Also da war ich nicht dabei und kann auch jetzt nicht sagen, wann das war, wie das war und wer das war. Und ich finde es sehr positiv, dass das so ist, weil es den Kindern Spaß macht, an der Historie zu arbeiten. Weil die gar nicht die bestimmten Medien mehr kennen, aufgrund des Handys und allem. (lacht kurz) Aber mal an einer historischen Urkunde schnuppern oder ein historisches Buch, das ist schon mal was und dann kindgerecht auch ein bisschen arbeiten zu dürfen, das finde ich gut. Und das sollte man auch nutzen. Weitermachen.
I: Kannst du was dazu sagen, warum es für die Gesellschaft wichtig war, ABM-Stellen zu haben? Und ob es einen Unterschied zwischen Ehrenamtlichen und ABM-Beschäftigten gab?
B: Ja, der Unterschied ist immer da. Der Ehrenamtliche macht das ehrenamtlich. Also ohne Ehrenamt kann ein Verein nicht leben. Und ich finde es ganz legitim, dass jeder Verein versucht, natürlich auch das Mandat zu unterstützen durch Menschen, die genauso Spaß haben an der Tätigkeit, die aber momentan noch wirtschaftlich gezwungen sind, wirklich auch von einer gewissen Arbeit zu leben und deswegen finde ich gut, wenn der Staat also auch bestimmte Projekte fördert, mit ABM oder Projektstellen oder Projekten auch als solche, die dort auch honoriert werden. Ich sehe da, das eine schließt das andere nicht aus. Es ist wichtig. Klar, ursprünglich war das Ehrenamt das Primat, denn sonst wäre die Gesellschaft gar nicht entstanden und die ABM-Stellen sind eine notwendige Ergänzung, um diese Arbeit, die dann entsteht, auch umzusetzen, zu meistern. Das können nicht mehr die Ehrenamtler alleine leisten. Im Gegenteil. Und da ist es wichtig, dass man junge Menschen findet, aber auch ältere Menschen gefunden hatten, wie damals die Aktion 55 beispielsweise, die dort mitgearbeitet haben.
I: Hast du Reisen oder Fahrten für die Gesellschaft unternommen und kannst du davon erzählen?
B: Ja. Das habe ich nur, wenn ich irgendwo mal in den Anfangszeiten Teilnehmer, wenn ein großer Kongress war, wie Ostfem, was ich erzählt habe, oder in Dresden, aber ich selbst … Das sind immer Konferenzen gewesen, wo ein Schwerpunkt war, der einen Bezug zu uns hatte oder wo jemand von uns auch aufgetreten ist. Oder wenn ich an Meißen denke, da war ich leider erkrankt. Dort wäre ich auch im Auftrag der Gesellschaft gewesen, wo ich dann mit Heiner Thurm da einen Beitrag gehabt habe, den der Heiner dann verlesen hat. Da wäre ich auch gewesen entweder als Autor oder als Referent und so weiter. Aber dass ich jetzt, sagen wir mal, für die Gesellschaft irgendwo hingefahren bin, dann noch einmal, um als Repräsentant der Gesellschaft dort zu sein, das habe ich nicht gemacht. Das habe ich dann denjenigen überlassen, die hier auch arbeiten.
I: Welchen Einfluss hatte die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft ganz konkret auf deine wissenschaftliche Tätigkeit?
B: Welchen Einfluss hatte sie? Ja, sie hat… Ich war ja, sage ich mal, aufgrund meiner Tätigkeit an der Pädagogischen Hochschule in der Forschungsgemeinschaft, da war mein Forschungsschwerpunkt die sozialdemokratische Frauenbewegung, die entstehende sozialdemokratische Frauenbewegung und ihre Protagonistinnen in Deutschland und im Ausland, speziell auch zum Frauenwahlrecht, Frauenstimmrecht und Weltbund für Frauen. Ich habe auch eine ganze Reihe Diplomarbeiten betreut, wo es dann aber auch um bürgerliche Frauenstimmrechtsbewegungen ging. Sagen wir mal, eine sehr schöne Arbeit ist von meinem Studenten Jens-Uwe Jopp, der ist Lehrer am Schiller-Gymnasium und steht öfters mal in der Zeitung. Er hat auch viele Jahre wie ich Kabarett gespielt. Und der hat eine sehr schöne, sehr gute Arbeit geschrieben über die englische Suffragetten-Bewegung. Also, dass die militante Bewegung, sehr aktuell heute, weil diese Frauen ja auch durch Verärgerung Minister verhauen haben, Kunstwerke zerstört haben. Und wir haben ja jetzt auch eine Bewegung… Aber, wie gesagt, jetzt habe ich die Frage… (I: Wie der Einfluss der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft…) Ach, ja. Mit der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und damit der Wegfall auch der Forschungsgemeinschaft und der Aufgabe des Mitteilungsblattes Frauen in der Geschichte, was wir haben, habe ich also dort auch den Fokus der Gesellschaft übernommen, weil ich ja dort Mitglied geworden bin. Und das heißt, damit ist die sozialdemokratische Frauenbewegung nicht ad acta gelegt, nicht tabu, weil wir ja im Rahmen auch der Online-Frauenporträts, wenn ihr die euch mal anschaut, die sind sehr, sehr unterschiedlich von der sozialdemokratischen, pazifistischen, von der bürgerlichen Frauenbewegung, von der nicht-organisierten Frau, die aber auch eine sehr spannende Vita hat, was die Rolle der Frau betrifft oder als Beispiel für die Frauen gilt, im kommunalen Bereich Leipzig und darüber hinaus. Also da habe ich schon auch neue Impulse, neue Aspekte gehabt, auch durch die Zielstellung der Gesellschaft.
I: Hat das Engagement für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft dein Verhältnis zu gegenwärtigen frauenpolitischen Fragen verändert?
B: Ja, wenn du in einer Gesellschaft ehrenamtlich arbeitest, dann ist es schon so, dass du dort auch das Frauenbild der Gesellschaft akzeptierst, mitträgst. Es gibt auch Unterschiede. Das gibt es also auch. Wir müssen aufpassen, wir müssen unseren Schwerpunkt machen. Wir haben dort einen Unikat-Charakter mit unserer Gesellschaft. Es gibt viele Frauenvereine, die sich in Städten ähneln, die sich da auch unter dem Aspekt vereinen. Aber ich denke mal, hier haben wir eine Gesellschaft, die ein gewisses Unikat für sich darstellt, ein Alleinstellungsmerkmal, auch in Deutschland. Und das kommt ja auch politisch zum Tragen. Und Frau Professor Schötz hat das ja auch gerade aktuell auf mehreren Konferenzen erlebt, wie auch der Name Louise Otto-Peters selbst vom Bundespräsidenten genutzt wird. Und auch da können wir von ihr Louise Otto-Peters lernen oder von bestimmten Denkweisen, die sie hatte. Oder auch aus bestimmten Werken, die sie uns hinterlassen hat. Da sind so viele Sachen, die wir in der aktuellen Frauenpolitik brauchen. Und wir sehen ja selbst, wenn Frauen bei uns Minister sind, müssen sie nicht unbedingt eine frauenfreundliche Politik umsetzen. Und das ist eben das, was ich immer wieder sage, dass es auch der Politik gelingt, auch immer wieder Frauen, die sich vielleicht ursprünglich engagiert haben, wenn ich an die eine oder andere GRÜNE-Frau denke, die jetzt plötzlich eine ganz andere Politik macht. Die also ihre eigenen Ideale des Pazifismus und was nicht alles verwirft und ganz aktiv für Militarisierung und Geldausgaben für Militarisierung kämpft, anstatt dieses Geld zu nutzen, um es für die Mitglieder der Gesellschaft, für Kinder, Frauen, Gesundheitswesen auszugeben. Wir haben so viele Bereiche, wo das Geld in Milliardenhöhe besser angelegt ist, als irgendwo hinzugehen, um damit eigentlich zu töten.
I: Letzte Frage: Ist dir noch irgendetwas wichtig, was wir jetzt nicht gefragt haben? Möchtest du noch irgendwas erzählen?
B: Es gibt viel zu erzählen. Es wäre vielleicht eines Tages auch mal interessant, die Geschichte unserer Gesellschaft aufzuarbeiten. (I: Also des Vereins?) Des Vereins Frauen in der Geschichte oder der Forschungsgemeinschaft, weil auch deren Protagonisten nicht mehr da sind. Also das Gros ist auch schon weg. Ich bin einer von der jüngeren Generation, aber schon ein Alter. Und dass man rechtzeitig erkennt, dass man mit diesen Mitteln, wie ihr es heute hier auch mit mir gemacht habt, die Erinnerungen erfasst, weiterhin. Das ist eigentlich auch Aufgabe eines Archivs. Denn die ursprünglichen Aufgaben eines Archivs, wo man hier mit Papier und bestimmte Dinge hat, das wird immer mehr zurückgedrängt, weil es dort weniger Dokumente gibt. Viele Dokumente sind digital und deswegen müssen wir auch diese digitalen Dinge nutzen, um das zu erhalten. Und einen Wunsch habe ich: Ich hoffe, ihr macht weiter, macht eine Arbeit im Sinne der Vereinssatzung, der Louise Otto-Peters und auch euch gelingt es, sagen wir mal, immer wieder anstehende Probleme im Sinne der Gesellschaft zu lösen. Gut, ansonsten hoffe ich, dass ihr alle schön gesund bleibt und noch lange der Gesellschaft erhalten bleibt.
I: Danke für das Gespräch. (B: Bitte.)
Ende