Interview mit Gerlinde Kämmerer

geführt für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. von Laura Peter am 27. April 2023 in Leipzig

Nach dem Transkript überarbeitete und redigierte Fassung von Gerlinde Kämmerer, Laura Peter und Kathrin Will.

Rechte vorbehalten.

 

I: Interview mit Gerlinde Kämmerer, anwesend sind Kathrin Will, Interview führt Laura Peter im Louise-Otto-Peters-Archiv am 27.04.2023 vormittags. Hallo Gerlinde, danke, dass du dich für dieses Gespräch bereit erklärt hast. Zum Einstieg magst du vielleicht erzählen, was du in den 1990er-Jahren beruflich gemacht hast?

 

B: Ja erstmal danke für die Einladung, zumal ich ja erst 2003 in die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft eingetreten bin, gleichwohl aber vorher schon frauengeschichtlich aktiv war. Ich bin Diplom-Kulturwissenschaftlerin, habe in Leipzig studiert, habe hier eine Familie gegründet und querbeet in fast allen Bereichen der Leipziger Kultur gearbeitet. Aus dem Grund, dass ich immer Lektorin werden wollte und das auch gerne im Studium eingeschlossen hätte, aber als wir uns hier immatrikuliert haben und nur genau in diesem Moment wurde festgelegt und uns verkündet, dass es kein weiterführendes Verlagsstudium gibt… Wir haben uns trotzdem immatrikuliert. Und das war schon die erste Überraschung und ich habe dann wirklich vom Film, vom Lichtspielwesen, über Galerien, Buchhandel, Veranstaltungen, Sportmuseum/Stadtgeschichtliches Museum in sehr vielen Bereichen gearbeitet, was mir, ja, viele Kontakte eingebracht hatte, die ich dann mein ganzes Berufsleben hindurch auch nutzen konnte. Also: Ich bin als Diplom-Kulturwissenschaftlerin eh breit aufgestellt, an jeglicher Kultur interessiert im weiteren Sinne. Und das war von daher also wenigstens günstig, auch wenn mein eigentlicher Lebenswunsch, Lektorin zu werden, sich nicht erfüllt hat. Ja, und zur sogenannten Wendezeit war ich Buchhandlungsleiterin, das heißt Antiquariatsleiterin. Es gab in Leipzig das Zentralantiquariat mit einem großen Bücherlager in der Talstraße und mit fünf Ladengeschäften, Ankauf-Verkauf in der Stadt, vom sehr edlen bis hin zum schlichteren Antiquariat. Und das war ein sehr traditionsreiches, was ich geführt habe, das ehemalige Antiquariat Gent, direkt am Nikolaikirchhof gelegen, Grimmaische Straße/Ecke Nikolaistraße. Dort haben wir bis heute eine Art Antiquariatsmeile. Das edelste Geschäft hatten wir in der Grimmaischen Straße. Es gab ein Fachbuch-Antiquariat, ein Grafik-Antiquariat und ein Musik-Antiquariat. Ja, da Kulturbetriebe auch Nischenbetriebe waren, politische Nischenbetriebe zu DDR-Zeiten, war es so, dass doch sehr viele der Beschäftigten sich schon an den Montagsdemonstrationen, auch weit vor dem 9. Oktober beteiligt haben, und dass wir im Zentrum des Geschehens saßen. Auch am 9. Oktober war alles ja ziemlich gänsehautmäßig. Aber das führt jetzt zu weit, das zu erzählen. Und dann sind wir wie viele andere DDR-Betriebe auch von einem Westbetrieb übernommen worden. Und im Laufe der Zeit sind die Immobilien anderen Zwecken zugeführt worden und die Läden sind auch nach und nach aufgelöst worden, was dann zu meiner Arbeitslosigkeit geführt hat.

Und ich war schon Anfang der Neunziger mit einer Freundin in der alternativen Frauenszene unterwegs: Fraueninitiative Leipzig, Unabhängiger Frauenverband. Und diese Freundin hat dann später in diesen alternativen Frauenkreisen den ersten ostdeutschen Frauenbuchladen TIAN, gegründet. Daraus oder daran angeschlossen hat sich dann die Gründung des Kunst- und Kulturzentrums für Frauen, KuKuC e.V., 1991. Und das wiederum war ein Parallelverein zur heute noch bestehenden FrauenKultur. Einiges davon, nur einiges davon, kann man in Jessica Bocks Dissertation nachlesen, die immerhin wirklich einige wichtige Aspekte dort benannt hat und damit festhalten konnte. Und an unserem KuKuC e.V. waren damals zum Beispiel die MONAliesA angegliedert, die heute noch bestehende feministische Frauenbibliothek, zwei Lesbengruppen und das Projekt Leipziger Frauenstadtrundgang. Und dieses habe ich übernommen, auf ABM-Basis, und durfte das dann immerhin drei Jahre führen. Das war eine Zeit, wo auch durchaus qualifizierte Frauen schon Arbeiten machen mussten, die nicht ganz ihrer Ausbildung entsprachen. Das war in dem Sinne eigentlich ein Glücksfall, wissenschaftlich arbeiten zu können. Und das Ganze führte dann dazu, dass 1995 das Buch herauskam: „Leipziger Frauengeschichten. Ein historischer Stadtrundgang“.

Und dann nähern wir uns allmählich auch der Louise-Otto-Peters Gesellschaft. Deren Gründung habe ich eigentlich als Zeitungsnotiz wahrgenommen, hatte gleichwohl aber mit schon eher frauenhistorisch arbeitenden Menschen wie zum Beispiel Manfred Leyh von alma Frauen in der Wissenschaft oder mit Rita Jorek, Kunstwissenschaftlerin und Journalistin, später auch mit der 1992 gegründeten GEDOK oder auch mit damals noch Dr. Susanne Schötz von der Leipziger Uni und ihren Studierenden Kontakt. Und die hatten auch sehr, sehr spannende frauenhistorische Themen.

Ich konnte mit Fördermitteln innerhalb dieser Zeit zwei ziemlich große Tagungen ausrichten und dann auch Beiträge von Wissenschaftlerinnen aus der Bundesrepublik wie auch aus Leipzig mit in das Buch aufnehmen. Also eine sehr anspruchsvolle, spannende Arbeit. Das Buch ist bis heute ein Standard. Und die Arbeitskontakte, die ich genannt habe, und viele andere habe ich bis heute. Und da ist schon eine gewisse Verschränkung mit der Louise-Otto-Peters Gesellschaft vorhanden. Rita war auch fast von Anfang an dabei in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Dr. Manfred Leyh ist auch noch 1993 eingetreten, Susanne Schötz dann etwas danach und 1995, im Jahr des Erscheinens dieses Buches, konnte ich auch von einem für mich sehr bedeutenden Netzwerk, das waren Miss Marples Schwestern, ein bundesweit arbeitendes Netzwerk zur Frauengeschichte vor Ort… Das ist ein Netzwerk, ein ideeller Zusammenschluss. Und aus Anlass des Bucherscheinens habe ich 1995 dann die Jahrestagung in Leipzig organisiert und dazu, endlich, Johanna Ludwig eingeladen als Louise-Spezialistin und als Begründerin der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Und Johanna Ludwig war ja immer sehr aufmerksam unterwegs und hat natürlich diese Möglichkeit maximal genutzt. Die Miss Marples Schwestern waren seit damals, jetzt leider nicht mehr offiziell, ein wichtiger Arbeitskontakt für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Dort sind verbunden: Gesellschaften, Einzelforscherinnen, Vereine; wirklich ideell, die sich mit Frauengeschichte bundesweit beschäftigen in ihren einzelnen Städten. Wir hatten also, oder die Louise-Gesellschaft hatte, seitdem engen Kontakt, zum Beispiel zur Luise-Büchner-Gesellschaft in Darmstadt. Agnes Schmidt, die Begründerin, war oft Referentin bei unseren Louise-Otto-Peters-Tagen. Im Juli 2023 ist Agnes Schmidt für ihre Verdienste um die Frauengeschichtsforschung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden. Dazu gehört hat zum Beispiel auch Anna-Maria Reinhold, die in Wuppertal die ersten Frauengeschichtsführungen organisiert hat, die dann auch Mitglied in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft wurde, die Ende 22 hochbetagt gestorben ist und deren Nachruf ich für unsere Website Miss Marples Schwestern geschrieben habe. Oder Claudia von Gélieu, eine Freundin aus Berlin, Miss Marples Schwester von Frauentouren Berlin, die auch mehrfach als Referentin, zuletzt auch beim letzten Louise-Otto-Peters-Tag dabei war. Also wirklich total wichtige Arbeitskontakte. Johanna hat dann dort auch in den anderen Städten geschaut, wie dort Frauengeschichtsrundgänge aufgebaut sind, wie die durchgeführt werden, was dann später auch zu unserem eigenen Faltblatt hier im Verein geführt hat.

 

I: Ja, zu Miss Marples Schwestern kommen wir später auch noch mal. Aber erstmal würde ich noch mal zurückgehen. Du bist jetzt schon ein bisschen auf die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft eingegangen. Aber meine Frage wäre: Was ist denn deine erste Erinnerung an die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft? War das schon davor oder war das dann in diesem Kontext?

 

B: Na, wirklich in diesem Kontext. Ich habe Familie, wir haben zwei Söhne. Es war eine Zeit, die man sich heute eigentlich, auch wenn man Bücher darüber liest, nicht mehr vorstellen kann. Es lief bei fast allen mit, dass es um die Sicherung der eigenen Existenz ging. Und dazu braucht man Geld. Also, es ging nicht nur um familiäre, soziale Existenzsicherung, es ging schon wirklich um sehr, sehr viel mehr. Es war absolut alles im Umbruch: Familien, Arbeitsverhältnisse. Die Vereine haben ja dann, auch die später gegründeten, ein Teil vom Arbeitspotential auch abfangen müssen, weil ganz viele Menschen in Ostdeutschland wirklich keinen Platz mehr gefunden haben auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt. 1993, mit Gründung der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, waren die Verhältnisse geklärt. 1991/1992 waren es noch sehr, sehr unsichere Verhältnisse. Es hat sehr viel dazugehört, dann auch noch zu erwarten, dass jemand sich in Vereinen einbringt. Aber deswegen habe ich auch nicht umsonst die Lesbengruppen genannt. Das war nach DDR-Zeiten für viele die erste Möglichkeit, sich wirklich freier zu bewegen, auch eigene Sachen zu machen.

 

I: Ja, auf alle Fälle sehr spannend, wie du das darstellst. Trotz dem du in so vielen Gruppen dann unterwegs warst, die Frage, wie kam es dann, dass du in diesem Verein Mitglied geworden bist?

 

B: Der KuKuC e.V., ich hatte vorhin gesagt, es war ein Parallelverein zur FrauenKultur, hatte aus verschiedenen Gründen sich dann aufgelöst. Das führt jetzt zu weit, es hier darzustellen. Und es kam dazu, dass ich 2003 arbeitslos geworden bin. Ich bin Anfang der Neunziger erstmals arbeitslos geworden, hatte dann die ABM bis 1995. Ich habe dann das Buch veröffentlicht und habe mich dann beworben, interessanterweise erfolgreich, im Kuratorium Haus des Buches. Und ich war verantwortlich für Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen/Ausstellungen, die Arbeit mit den Vereinen, die zum Teil heute immer noch hier bei uns in der Nähe, in der ersten Etage sitzen dürfen. Ja, und das ging bis 2003. Dann gab es hier einen Wechsel, eine neue Leitung, da die alte Leitung, die Geschäftsführerin, in Rente gegangen ist. Das war verbunden mit meiner Arbeitslosigkeit.

Und ich hatte immer mal wieder Johanna Ludwig gesehen. Sie hat als begabte und sehr leidenschaftliche Menschenfischerin möglichst viele Leute für den Verein geworben und dann geschaut, wie die einzelnen sich so machen, wofür sie verwendet werden können. Viele sind dabeigeblieben, manche sind gleich wieder gegangen. Und wir trafen uns immer mal bei unserer gemeinsamen Hausärztin. Und so gab es immer mal wieder eine Einladung, doch Mitglied zu werden. Und da das der einzige frauenhistorisch arbeitende Verein in Leipzig war, bin ich dann Mitglied geworden, da das voll meinen Interessen entsprach, weil ich da meine Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen gut untergebracht wusste.

 

I: Welche Ämter und Aufgaben hast du in den Jahren, seitdem du Mitglied bist, für den Verein übernommen?

 

B: Ich war sofort, wie das so Johannas Art war, im Vorstand. Dann hat sich eben gefiltert, wer eignet sich, wer eignet sich nicht, wer möchte weiter mitmachen, wer eher nicht? Ein Verein gibt Menschen die Möglichkeit, ihre Interessen zu verwirklichen und auch ihre Fähigkeiten einzubringen. Das geht bis zur inhaltlichen Orientierung von Vereinen. Ich kam aus der Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, aus der Veranstaltungs- und Ausstellungstätigkeit und habe diese dann, zumindest ehrenamtlich, nahtlos hier weitergeführt. Presse-/Öffentlichkeitsarbeit die ganze Zeit hindurch, Veranstaltungen/Ausstellungen eigentlich auch. Die Ausstellungen hat bei uns fast, also sehr durchgehend, zum Beispiel auch Kerstin Kollecker gestaltet. Bei meiner Mitwirkung in den Ausstellungen ging es eigentlich darum, die dann auch finanziell untersetzt zur Ausleihe anzubieten. Oder mit Evelin Garz zum Beispiel eine Zeitlang dann komplett diese ganzen Ausstellungstafeln… Wir hatten ja, dem Stil der Zeit entsprechend, Tafelausstellungen, die man auch als Wander- und Wechselausstellungen verwenden konnte. Sie mussten schon auch immer mal inspiziert und inventarisiert werden. Ja, Veranstaltungen sowieso. Ihr wisst ja, dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft nach dem Vorbild des Frauenbildungsvereins, auch so genannt, Abendunterhaltungen durchgeführt hat, sehr weitgehend. Die waren wirklich breitgefächert, aber vorrangig doch frauenhistorische Themen bedienend. Weniger aktuell-politisches. Das ist aber jetzt schon wieder eine Frage nach dem Charakter, nach der Einordnung der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft.

 

I: Würdest du sagen, dass du stolz bist auf das, was für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft geleistet hast oder, dass das etwas Besonderes ist?

 

B: Ja etwas Besonderes, das ist dann schon so eine eigene Hervorhebung. Aber Presse-Öffentlichkeitsarbeit in dem Sinne hätte es so nicht gegeben. Ich wurde bis zum vorigen Jahr oder irgendwann noch von Mitgliedern angesprochen, warum denn das Jubiläum nicht in der Zeitung stand? Und ich musste dann einfach sagen, ich bin nicht mehr dafür zuständig. Also, es wurde immer wie selbstverständlich erwartet, dass ich für die entsprechenden Meldungen, wir haben ja nicht so viel Presse hier, in der Leipziger Volkszeitung, später in der Internetzeitung, sorgte. Wenn das drinstand, war es gut. Wenn es nicht drinstand, wurde es aber angezählt. Aber natürlich haben wir letztlich keinerlei Recht, zu fordern, dass die Zeitung unsere Sachen veröffentlicht. Da gehört schon ein bisschen mehr Hintergrund dazu. Ganz wichtig war da zum Beispiel Dr. Ingrid Müller. Die gehört zu denen, die fast vergessen sind, die ganz viel für den Verein eingebracht hat. Die hatte zum Beispiel vorher beim Amtsblatt gearbeitet und hatte viele Pressekontakte, die sie mir übergeben hat, froh, dass jemand anderes jetzt die Presse-Öffentlichkeitsarbeit weiterführt. Ich habe mich um Werbemittel gekümmert, was auch nicht ganz so einfach war wie heute, weil wir einfach dafür keine Fördermittel hatten. Aber das führt schon wieder in die Verästelungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Unsere heutige Satzung ist euch bekannt. Wir haben zum Beispiel, also Johanna vorrangig hat diese Satzung meines Erachtens sehr, sehr klug aufgestellt. Eine Satzung muss möglichst Jahrzehnte überdauern, soweit man das selbst beeinflussen kann, von Veränderungen im rechtlichen Raum jetzt mal abgesehen. Und das hat unsere Satzung auch gehalten, bis auf einige dann doch gravierende Veränderungen. Aber erst das Kulturamt Leipzig musste, nicht nur uns als Verein, mitteilen, bei der vorletzten Satzungsänderung, dass bei uns das Wort Kultur fehlt. Und wenn so ein Wort fehlt, ist das zuständige Amt überhaupt nicht gehalten, zu fördern. Wir haben uns andererseits gewundert und gefreut, dass wir ein, maximal zwei Veranstaltungen über das Kulturamt gefördert bekamen. Hintergrund war, dass wir eigentlich dort gar nicht förderfähig waren. Manchmal liegt es an ganz einfachen Sachen. Ich habe das jetzt gerade in Leipzig von einem anderen, viel breiter finanziell und internationaler aufgestellten Verein erfahren, die hatten auch keine Kultur in ihrer Satzung, also als Begriff. Genauso wie wir natürlich auch kein soziokulturelles Zentrum sind oder sein wollen. Und auch da ist die Förderung für unseren Verein sehr, sehr schwierig für die Ämter. Wir sind eine, sage ich mal, Forschungs- und Bildungsgesellschaft, und alles andere gruppiert sich dann an. Und ein soziokulturelles Zentrum, auch teilweise Aktivitäten der MONAliesA, die von meiner Freundin Susanne Scharff einst gegründet worden ist, die ganz zeitig Mädchenarbeit mit dazu genommen hat, einfach, weil Mädchen dort in der Frauenbibliothek auftauchten, die auch beschäftigt werden wollten, das sind dann Sachen, die das Jugendamt durchaus fördern kann. Also fällt bei uns schon erstmal sehr vieles weg.

Und wir haben als Alleinstellungsmerkmal in diesem Sinne immerhin das Archiv. Das Archiv hat Bestände, Bestände müssen untergebracht und präsentiert werden. Daraus folgt, dass man Raummieten braucht und diese Raummieten, das wisst ihr auch, fördert dankenswerterweise seit ganz, ganz langer Zeit das Referat für Gleichstellung als unsere Hauptförderin in der Stadt, kommunal. Von Landesförderung und von vielleicht teilweise Bundesförderung mal abgesehen. Das ist die wichtige Basis, auf die wir uns beziehen können und zunehmend, also mindestens seit 2013, mit dem Projekt, was ich auch leite, Frauen machen Geschichte. Leipziger Frauenporträts online, wo auch das Referat für Gleichstellung dafür die einzige und Hauptförderin ist. Ansonsten macht das Referat natürlich auch zunehmend Förderung von kulturellen und anderen Veranstaltungen. Aber Basis ist wirklich die Übernahme der Mietkosten und auch ein Teil von Ankaufgeldern oder ähnlichem, sodass das Archiv überhaupt weiterarbeiten kann.

 

I: Was waren denn so die Themen der Frauenbewegung in Leipzig in den 1990ern? Kannst du das vielleicht noch ein bisschen mehr aufmachen? Oder was waren für dich wichtige Themen?

 

B: Die Themen waren schon, gegen die wieder entstehende Frauen-Arbeitslosigkeit, gegen „Frauen zurück an den Herd“ vorzugehen, mit unterschiedlichsten Mitteln. Dann hatten wir die ganze Diskussion um den Paragrafen 218. Es war ja, wie ihr wisst, ein Anschluss und keine Vereinigung, geschweige denn Wiedervereinigung, denn es nichts wiedervereinigt worden, es ist ein völlig neues Konstrukt landesmäßig, gesetzmäßig entstanden. Und einer der wenigen, wenn nicht überhaupt der einzige Punkt, der intensivst diskutiert wurde, für das Grundgesetz, wir hatten die DDR-Verfassung, die Bundesrepublik hatte das Grundgesetz, das war der Paragraf 218 und der Umgang damit. Da sieht man schon, ich meine die Hälfte der Menschheit sind Frauen, wie Frauen betroffen waren. Und bis heute ist diese Diskussion nicht abgeschlossen. Und immer wieder auch bei uns im Verein, wir haben noch eine Postkarte online stehen „Paragraf 218“, ist es ein wichtiges Diskussionsthema. Ja, also, das ist eine ganz wichtige Sache gewesen, sich die Errungenschaften, die die DDR gesetzmäßig garantiert hatte, nicht wieder nehmen zu lassen. Es war, glaube ich, der sächsische Landesfürst Kurt Biedenkopf, der von der „unnatürlichen Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen“ sprach. Das ist ein Wort, das haben Nachwachsende erst dann von uns später wieder gehört. Das war vielleicht so fast zehn Jahre lang vergessen und wurde nicht thematisiert. Aber das sind die Sachen, mit denen wir zu tun hatten. Eine „unnatürliche Erwerbsneigung ostdeutscher Frauen“ – wunderbar als Begriff. Das schiebt die Schuld der hohen Arbeitslosenraten in Ostdeutschland voll den Frauen zu, die gefälligst zu Hause bleiben sollen. Wobei man dann, das wisst ihr auch, sagen muss, dass die DDR-Lohn- und Gehälter-Szene völlig anders aufgestellt war, mit vollem Bewusstsein und vollem Ziel der DDR-Regierung. Hier sollten Frauen mitarbeiten, hier mussten Frauen mitarbeiten. In der Regel hat ein Gehalt des Mannes, der Lohn des Mannes, nicht gereicht, um eine Familie durchzubringen. Und das war volle Absicht. Und in der Bundesrepublik war es dementsprechend so, dass Frauen zu Hause bleiben sollten, in der Regel. Und die Gehälter der Männer und die Löhne waren so, dass sie eine Familie erhalten konnten. Das sind total diametral entgegengesetzte Sachen, mit denen wir umgehen. Und nun wurde dieses andere System hier aufgestülpt, und die Frauen hatten oft als erste ihren Arbeitsplatz verloren. Wir hatten es auch bei dem einen Louise-Otto-Peters-Tag Olivia Golde eingeladen, die zur Kaufhaus-Schließung, „Karstadt waren wir“, in der Gegenwart geschrieben hatte, und ich hatte dann noch mal die Schließung der Frauenbetriebe in Leipzig angefügt: Textilbetriebe, Spinnereien, Baumwolle, Wollkämmerei. Dort haben tausende, zehntausende Frauen gearbeitet, die dann schlagartig arbeitslos geworden sind. Und es gab keinen Ersatz dafür. Es waren schon sehr soziale Themen und auch existenzielle Themen, die da verhandelt worden sind. Also wir als Louise-Otto-Peters-Gesellschaft sind ein luxuriöser Verein, der sich mit Frauengeschichte beschäftigt. Das ist also ein sehr weiter Überbau. Es muss natürlich erst einmal Geld erwirtschaftet werden, um solche Forschung auf jeglicher Basis überhaupt zu ermöglichen. Die meisten von uns sind sich dessen auch bewusst.

 

I: Vielleicht an dieses Thema des Überbaus anknüpfend, du hast es schon erzählt, dass du in den 1990er-Jahren diverse historische Publikationen als freie Autorin verantwortet hast. Und jetzt vielleicht deine Einschätzung, wie war das Verhältnis von außeruniversitärer und universitärer Forschung, vielleicht auch im Verein, aber so generell?

 

B: Generell ist mir mit dem Eintritt in das Miss Marples-Netzwerk 1992 aufgefallen, dass dort zunächst sehr großer Wert darauf gelegt wurde… Es war ein bundesdeutsch gegründetes Netzwerk, was zum Teil dann einige Ost-Ableger fand, Und dort wurde auf außeruniversitäre Forschung, das heißt autonome Forschung sehr großen Wert gelegt. Also kaum jemand kann autonom forschen.

Und zum Netzwerk Miss Marples Schwestern gehört zum Beispiel der Kölner Frauengeschichtsverein, der ist von Miss Marples Schwester Irene Franken mitgegründet worden, als allererster Frauengeschichtsverein in der Bundesrepublik überhaupt. Und auch das war ein außeruniversitärer Verein. Mittlerweile haben sich die, ich sage mal, Gegensätze etwas abgeschliffen, aber den Westfrauen war es total wichtig, vor allem die außeruniversitäre Forschung zu betonen, weil dort mehr Unabhängigkeit möglich war. Natürlich musste auch das letztendlich finanziert werden. In Leipzig war es so, dass über Professor Hartmut Zwahr an der Geschichtsfakultät auch zu frauenhistorischen Themen geforscht wurde und dort Susanne Schötz mitgearbeitet hat, was ihren Werdegang dann auch sehr beeinflusst hat. Sie hatte dort mehrere Studierende betreut, die sich ebenfalls, Männer und Frauen, mit Frauengeschichte befasst haben. Einer dieser Studierenden, von dem ich dann auch einen Beitrag im „Leipziger Frauenstadtrundgang“ veröffentlicht habe, war zum Beispiel Dr. Jens Blecher, heute Leiter des Universitätsarchivs. Ja so schräg gegenüber. (lacht) Andere Studierende von Susanne haben dann später auch bei den Louise-Otto-Peters-Tagen Referate gehalten. Und auch dort gingen die Kontakte sehr, sehr weit zurück in dieser Zeit. Es gab auch, wie gesagt, alma Frauen in der Wissenschaft, von Dr. Manfred Leyh mitbearbeitet.

 

I: Die Miss Marples Schwestern sind jetzt schon häufiger gefallen und wir haben jetzt auch schon gehört, wie die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft dort Mitglied geworden ist. Welche gemeinsamen Themen gab es denn von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft und den Miss Marples Schwestern?

 

B: Es sind die gleichen Themen. Alle im Miss Marples-Netzwerk arbeiten frauenhistorisch. Man konnte ganz viele Instrumente, Möglichkeiten, Themenfelder dort mit kennenlernen und auch zum Teil mit übernehmen. Das war sehr, sehr bereichernd. Das ging bis dahin, die verschiedenen Formen, wie Frauenstadtrundgänge durchzuführen, vom Kostüm, von Dialogen bis hin zu meiner Art, einer Kombination zwischen frauengeschichtlichem Vortrag und Regionalkunde und Stadtgeschichte. Und es gab natürlich auch immer mal gemeinsame Aktionen.

Immer mal wieder kamen andere Kräfte und Orientierungen im Miss-Marples-Netzwerk zum Tragen. Zum Beispiel waren wir zweimal in Gorleben, eine niedersächsische Gemeinde mit dem Atommüll-Zwischenlager seit 1995. Heute geht es wieder um Atomkraft, ja oder nein, obwohl das längst entschieden ist, zum Glück. Ein wichtiges Erbe von Angela Merkel. Und da konnte man zum Beispiel lernen, dass zwei Generationen von Menschen vor Ort in Gorleben nur damit beschäftigt waren, ihren Lebensraum möglichst frei zu halten von diesem Atommüll-Endlager. Es war dermaßen berührend und beeindruckend. Und eine Gruppierung von Miss Marples hat dann eben Frauengeschichte vor Ort geschrieben und versucht, Zeitzeuginnen-Interviews zu machen. Und einige davon, wir sind ja mit dem FFBIZ auch über i.d.a. und über das DDF verbunden, müssten dort auch archiviert sein. Ja, also, das war ganz wichtig. Wir sind in viele Regionen der Bundesrepublik gekommen durch diese Jahrestreffen. Also zumindest ich habe das anfangs immer selbst finanziert und es war einfach nur bereichernd. Es gab damals, je weiter man von der ostdeutsch-westdeutschen Grenze sich entfernte Richtung Westen, immer mehr Offenheit und auch Unterstützung für die ostdeutsche Frauenszene. Und man ist auch in Regionen gekommen und hat Mentalitäten von Frauen dort kennengelernt, die mir so nicht begegnet wären. Auch Diskussionen, die man dort führen konnte, denn ich glaube, viele Leute konnten nicht mit ihren West-Verwandten in dieser offenen, direkten Art und Weise vielleicht über soziale Umbrüche im Osten diskutieren. Auch das fand ich zumindest sehr bereichernd.

Also, es waren die gleichen Themen. Es ging um Frauengeschichte quer durch die Jahrhunderte. Die ganze Themenbreite habe ich ja auch in meinem Buch erstmalig kurz zusammengefasst Wir sind auch mit wirklich vielen, vorher vielleicht doch unbekannten Themen in Berührung gekommen. Und genauso bereichernd war es dann eben hier, die Referate von einzelnen Miss-Marples-Schwestern zu hören. Wenn Anna-Maria Reinhold, die eigentlich von Haus aus Lehrerin war, dann über die Bildungsszene in Nordrhein-Westfalen gesprochen hat und wir das dann eben hier vergleichen konnten. Louise Otto-Peters war über den Allgemeinen Deutschen Frauenverein vernetzt in ganz Deutschland bis hin ins Ausland. Gleichwohl haben wir immer den Fokus auf Leipzig und andere Frauen gelegt und da sind wir sehr ausgelastet damit, denn hier ist Spezialwissen genau zu diesem Allgemeinen Deutschen Frauenverein, zu diesen Protagonistinnen: Louise Otto-Peters, Auguste Schmidt, Henriette Goldschmidt, den Windscheids und anderen. Und genauso war aber natürlich im Süden Deutschlands Marianne Weber ein Begriff, oder andere Frauen. Und das haben wir auch bei diesen Reisen noch mal anders wahrnehmen können. Also für mich zumindest hat sich der Fokus dann noch mal ein bisschen erweitert. Ja.

 

I: Bleiben wir mal kurz bei diesen Ost-West-Verbindungen und bei den Aktivistinnen aus Westdeutschland. Du hast ja schon ein bisschen was dazu gesagt, jetzt auch noch einmal. Und auch, dass da die außeruniversitäre Forschung sehr wichtig war. Vielleicht noch ein bisschen weitergehend, wie hast du die Aktivistinnen aus Westdeutschland erlebt? Gibt es da noch etwas, was du vielleicht ergänzen kannst?

 

B: Das Netzwerk ist ja bis heute… Das kann man sich, glaube ich, von außen nicht vorstellen: das ist freiwillig. Also ob man als Verein oder als Einzelfrau dabei ist, es gibt keinen Mitgliedsbeitrag in dem Sinne. Das Einzige, was wir gemeinsam haben außer unseren Themen, ist die Website, die durch eine ganz geringe Summe von den Einzelnen, die dazu gehören und sich dort präsentieren wollen, bezahlt wird. Es geht von den katholischen Frauen in Augsburg bis hin zu Gorleben, bis hin zu den Hamburgerinnen, bis zu den Berlinerinnen, wo auch wieder sehr, sehr viele unterschiedlicher Art arbeiten. Das ist ja gerade das Spannende, dass wir als ideelles Netzwerk trotz aller Verwerfungen, politischen Streitigkeiten und anderem gleichwohl noch diese gemeinsame Website für nötig befinden. Wir haben eine Darstellung des Netzwerks von Claudia von Gélieu, inzwischen als DDF-Aufsatz nachzulesen. Da kann sich jeder noch einmal informieren.

Und die Diskussion am Anfang, das hatte ich, glaube ich schon erwähnt, war sehr unterstützend, hilfreich vonseiten der Westfrauen. Der schon erwähnte Frauen-Buchladen TIAN in Leipzig wie auch die MONAliesA haben absolut generöse Frauenbuch-Sachspenden bekommen, kostenlos. Also das war schon toll. Man wollte helfen, hat auch sehr interessiert hier auf die Szene geguckt, was dann passiert. Aber es sind trotz allem natürlich völlig unterschiedliche Herkünfte. Natürlich gab es auch im Westen Frauen, die immer für ihren Lebensunterhalt gearbeitet haben. Die Stifterinnen-Szene ist im Westen naturgemäß aufgrund des anders vorhandenen Kapitals, auch in Privathaushalten, anders ausgebildet als im Osten. Wir haben bei Miss Marples ein Mitglied, was auch mal, wenn es dringend notwendig war, sehr große finanzielle Spenden machen konnte in dieses ideelle Netzwerk. Wir haben gemeinsam zum Beispiel auch eine Gedenktafel geschaffen für Hilde Radusch.

Und was für mich zum Beispiel interessant war, wenn irgendjemand sagt, in Deutschland war es so. Nein, es war nicht in Deutschland so. Wir hatten sehr lange, von 1949 bis 1990, zwei deutsche Staaten. Und ich stand der DDR in Teilen sehr kritisch gegenüber, anerkennen muss man aber, dass die Gesetzgebung, die Frauen und Familien betraf, wesentlich fortschrittlicher war. Und Paragraf 218 und alle möglichen anderen Sachen, Arbeitsmöglichkeiten für Frauen, die waren eben ganz anders umgesetzt. Und von daher kann man nicht sagen in Deutschland war es so und so. Wir hatten auch ein Quiz auf unserer Marples-Seite, was dann wirklich revidiert werden musste, weil es unterschiedliche Entwicklungen gab. Ja, und das deutlich zu machen, war und ist mir immer noch ein Anliegen.

 

I: Schauen wir mal auf ein anderes Thema. Das Thema Digitalisierung. Aus deiner Perspektive, was würdest du sagen, welche Chancen hat die Arbeit mit dem Computer beziehungsweise mit dem Internet in Bezug auf die historische Forschung und Vernetzung eröffnet?

 

B: Ja, also, da haben wir natürlich inzwischen fantastische Möglichkeiten. Aber die Digitalisierung selbst ist in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft eher sehr spät angekommen. Digitalisierung bedeutet halt nicht, dass man eine Schreibmaschine durch einen Personal Computer ersetzt. Und in dem Sinne hat es bei uns dann doch etwas lang gedauert.

Ich hatte Glück, da mein Mann im technischen Bereich arbeitet. Ich hatte mir das Buchprojekt aus dem Projekt Frauenstadtrundgang herausentwickelt, was sehr, sehr anspruchsvoll war. Ich habe nie Schreibmaschine Schreiben gelernt, also ich schreibe sehr schnell, aber kein Zehnfingersystem und es war meine Rettung, dass wir zu Hause schon einen PC hatten, ich entsprechende Hilfe hatte, also auch in technischen Einweisungen, also für mein Personenregister dann verschiedene Knöpfe bedienen konnte und nicht in Texten einzelne Namen raussuchen musste. So, das ist der private Start. Für mich war Mitte der Neunziger Jahre PC-Technik erst einmal schon gesetzt, sonst wäre ich gar nicht weitergekommen.

Bei der Arbeit im Haus des Buches war es zum Beispiel so, auch total interessant, dass wir hier eine der ersten offiziellen E-Mail-Adressen in Leipzig hatten, Kraft meines Mannes. Ich habe ab 1995 hier gearbeitet, bis 2003. Ich konnte also damals schon mit West-Verlagen Fotos tauschen oder so auf diesem elektronischen Weg, was dann doch Erstaunen auslöste, auch bei der Presse. Und die Digitalisierung in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft ist sehr, sehr langsam vorangekommen auf jeden Fall. Bei den erstgegründeten alternativen Frauen-Vereinen war eine Zeitlang richtig viel Geld für technische Ausrüstung da. Wir hatten alle in den Vereinen unsere Computer und so weiter. Als die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft gegründet wurde, waren die Fördermittel, sage ich mal, im Prinzip verteilt. Man musste sich als Verein neu beweisen.

Bei uns hat es sich das hier im Verein so dargestellt, dass viele der Frauen, auch vom Vorstand, zu Hause einen PC stehen hatten, aber nicht alle E-Mail hatten. Irgendwann gab es dann im Verein eine eigentlich unseriöse E-Mail-Adresse, die man so nicht nimmt, mit web.de. Die haben wir dann versucht, umzustellen. Also auf info@lopleipzig. Und dann war es so, dass hier im Vereinsbüro nur vereinzelt der Computer genutzt wurde. Jeder hat zu Hause gearbeitet, seine Dokumente mitgebracht. Und nun hatten wir seit, ich glaube, das habe ich aufgeschrieben, 2000 immerhin eine Website. Die hat Johanna Ludwig angeregt. Ringsum haben die Leute und Vereine sich Websites geschaffen. Also hat Manuela Petschauer, die Tochter einer Mitbegründerin der Gesellschaft, die Website gestaltet. Die habe ich dann 2005 für die nächsten 15 Jahre übernommen und konnte die sehr viel später in meiner ABM 2011 durch Förderung von KULTURPATEN Leipzig und einem Webdesigner wirklich auf dieses Computer-Self-Management-System TYPO3 umstellen. Und der Webdesigner hat uns komplett diese ganze neue Grafik geschenkt, kann man sagen, und die meisten Inhalte auch noch selbst dort mit eingepflegt. Also, es war wirklich ein Geschenk, sodass wir jetzt die Möglichkeit haben, auf dieser Basis die Website sehr, sehr attraktiv zu gestalten, denn der Einbau von Fotos und so etwas, das war logisch schon alles vorgesehen. Also das ist für mich schon Digitalisierung, über eine Website, die eigenen Ideen, Veranstaltungen und so weiter auch publik machen zu können. Und hier im Verein war eine, glaube ich, auch schon vergessene Person, Brigitte von Förster, sehr hilfreich. Das war jemand, der an PC-Technik ausgebildet war. Die hat an der Recherche des Faltblatts „Auf den Spuren der Begründerinnen der ersten deutschen Frauenbewegung“ mitgearbeitet und hat hier sehr, sehr viele Tipps gegeben. Und dann war es so, dass ich, als ich 2011 die ABM hier hatte, vor dem Problem stand, dass ich zu Hause im Computer, wie alle anderen Vorstandsfrauen wahrscheinlich, total viele Dokumente hatte, unsere Rundbriefe, alles Mögliche, was man selbst gemacht hat und hier im Verein also maximal die ausgedruckten Förderanträge und bestätigten Förderanträge im Original vorhanden waren. Und es war keine Stelle, wo man alles einsehen konnte. Und wenn man hier als ABM arbeitet, das wisst ihr vielleicht auch inzwischen, ist das Tagesgeschäft durchaus sehr umfassend, was man irgendwie trotzdem miterledigen muss. Also das kann schon sehr ausufernd werden. Und man muss sich auskennen. Und wenn man sich auskennen will, muss man auch Bereiche von anderen überschauen. Und dazu muss man wissen, wo die Unterlagen sind, wie ist der Stand? Und die ABM-Kräfte, oder auch andere, die hier saßen, waren ja nicht Mitglied in den Vorstandssitzungen. Also: Es war keine Kommunikation gewährleistet. Und dann war meine Grundidee, um hier als Vorstandsmitglied einfach auch Auskunft geben zu können, wenn ich im Büro saß, alle Akten, alle Unterlagen an einem Punkt zusammenzuführen. Das war auch eine Frucht der Digitalisierung. Ich habe diese Bürosystematik entwickelt. Immerhin ist das jetzige System schon zwölf Jahre alt und kann immer noch genutzt werden. Und Sinn dessen ist, dass jemand, der dafür verantwortlich ist, das pflegt und praktisch den Bereich dann kreativ weiterentwickelt. Und Sinn ist auch, dass in der E-Mail-Ablage oder in den Aktenordnern im Schrank oder in den privaten Arbeitsunterlagen, in den Projektordnern überall die Nummern übereinstimmen. Und wenn das nicht mehr der Fall ist, kann man es dann auch aufgeben. Da sind wir wieder bei dem Zustand, den ich damals übernommen hatte. Und für mich blieb damals nichts Anderes übrig. Es war so viel aufgelaufen. Also, wenn Rundbriefe hier nicht gespeichert sind, aber zum Beispiel bei jeder, die damit zu tun hat, zu Hause im PC, dann ist irgendetwas falsch, weil die ABM-Kräfte hier gar keinen Zugriff hatten. Das war mein Anliegen. Es war echt eine Sisyphusarbeit. Da sind wir schon wieder bei der Digitalisierung. Den größten Schub gab uns wirklich der i.d.a.-Dachverband. Da sind wir, auch dank Barbaras Bemühungen, Mitglied. Das hat sich aus einer normalen Sache entwickelt: „Wir sind bei Miss Marples, wir sind bei i.d.a., wunderbar.“ i.d.a. hatte auch jährlich mindestens ein Archive-Treffen. Es überschnitt sich zum Beispiel auch mit vielen Miss-Marples-Gruppen, also Tübingen oder Köln oder so. Es sind teilweise die gleichen Frauen, die dort dann auch mit teilnahmen. Dort gab es dann, Jahreszahl müsste man suchen, die Einführung der Archivsoftware FAUST. Und damit wurde alles anders. Die wurde als i.d.a. verbindlich vorgegeben. Es war ja alles weit vor Gründung des Digitalen Deutschen Frauenarchivs, wo jetzt über dieses Bundesministerium Fördermittel akquiriert werden können. Die Kosten von FAUST mussten wir selbst als Louise-Otto-Peters-Gesellschaft aufbringen. Da konnten wir zunächst auf niemand zurückgreifen. Es musste also hier den Fördermittelgebern klargemacht werden, wir brauchen das dringend. Und man musste sich als Vorstand zunächst dazu entschließen, das überhaupt zu machen. Bis das sich hier durchgesetzt hat und wirklich alle Archivmitarbeitenden verstanden haben, dass das wichtig ist und nicht alte Arbeiten kaputtmacht, war es auch ein echt langer Weg. Angefangen hat dann Hannelore Rothenburg mit den Eingaben, unterstützt von einem jungen Mann, der über Susanne Schötz hier zu uns kam und der eben auch einer der nirgendwo groß erwähnten Unterstützer war, damals Jörg Broy. Dann wurde es weitergeführt von den jeweiligen, die hier als ABM saßen oder später als BFD. Und ihr wisst ja, dass mit der Gründung des Digitalen Deutschen Frauenarchivs die Fördermittelsituation für die einzelnen dort angeschlossenen Archive eine wesentlich bessere geworden ist. Denn auch das FAUST-System muss erweitert werden, aktualisiert werden. Aber das ist jetzt unser Fenster zur Welt, kann man sagen. Der Beginn war ja, die Bestandsnachweise zu digitalisieren. Also das, was man irgendwo auf Karteikarten hatte, dann in den Computer einzupflegen, möglichst den vorgegebenen Masken entsprechend, was aber ein Thema für sich ist. Nach den Bestandsnachweisen ging es ja dann darum, auch einzelne Bestände digital sichtbar zu machen, was für die Nutzung nochmal viel wichtiger ist, indem man, wenn man jetzt die Website des Digitalen Deutschen Frauenarchivs öffnet, sehr, sehr viele Dokumente nicht nur bei Louise, sondern auch in anderen Archiven schon digital praktisch zur Forschung verwenden kann. Es ist ein ungeheurer Schub passiert.

Frauengeschichte sichtbar machen. Das ist so mein Grundprinzip eigentlich seit 1990. Ich hatte auch einige Projekte hier im Verein so genannt und durchgeführt. Und das ist das Anliegen auch des Digitalen Deutschen Frauenarchivs. Denn je mehr wir von Frauengeschichte sichtbar machen, desto mehr haben heutige Nachwachsende die Möglichkeit, sich zu orientieren. Es ist schön, Erstaunen zu erregen, vielleicht auch bei der jüngeren Generation, wenn man von irgendwelchen Aktivitäten aus dem neunzehnten Jahrhundert erzählt. Oder es war total interessant und faszinierend zu sehen, wie agil die Frauen damals schon waren und sein mussten. Liest man Neue Bahnen, ja, Korrespondentin in Amerika. Ja, das war ein Einwanderungsland, das alle Arbeitskräfte brauchte, demzufolge auch Frauen. Bis hin zu einer Frauenklinik in New York, wo dann deutsche Medizinstudierende so eine Art Praktika ableisten konnten. Also ganz, ganz viele Sachen. Oder Lebensverhältnisse. Es gab eben nicht nur festgefügte Ehen. Dann die ganzen Frauenfreundschaften, die auch durch die Forschung sichtbar geworden sind. Nicht jede Lebensgemeinschaft ist eine lesbische Lebensgemeinschaft gewesen. Es gab ganz viele auch sozial und finanziell begründete Lebens- und Wohngemeinschaften von Frauen. Das muss man dann auch immer noch mal unterscheiden. Aber ganz, ganz viele Sachen haben, also zumindest bei mir, das vorhandene Bild des neunzehnten Jahrhunderts verändert: alles schön geordnet und starr und in den vorgegebenen Schemen ablaufend, so war es halt nicht. Es war schon immer sehr abenteuerlich das Leben der Frauen. Und das sichtbar zu machen und dann vielleicht auch anderen Lust zu machen, das zu entdecken, ist eigentlich auch mit unsere Aufgabe.

 

I: Alles klar. Kommen wir noch mal ganz kurz zurück in die Neunziger und nochmal kurz zurück zum Thema Technik und Digitalisierung. In Leipzig gab es in den 1990ern das FrauenTechnikZentrum. Hattest du Kontakt dahin?

 

B: Ja. Genka Lapön stammt, in Anführungsstrichen, zum Beispiel aus dem FrauenTechnikZentrum. Die Leiterin war Traute Spangenberg, die noch heute im Projekt arbeitet. Ja, ganz, ganz wichtig. Da haben Männer und Frauen gearbeitet. Und es gab damals, wie schon erwähnt, Mittel, Technik anzuschaffen. Man hat, und Frau auch, Technik angeschafft. Dann musste die bedient werden. Und dazu ist das FrauenTechnikZentrum gegründet worden. Aber wir hatten auch, viele, viele Jahre später, nach den Neunzigern… Wenn es geht, konnte man dort anrufen und sagen, wir haben hier das und das Problem... Das war kein privatwirtschaftlich arbeitender Verein, sondern eine geförderte Einrichtung. Und dann kam jemand vorbei und hat uns bei diesen technischen Problemen geholfen. Es war schon eine sehr schöne Sache. (I: Kannst du ganz kurz erzählen, was die Idee vom FrauenTechnikZentrum war?) Die Idee, ich habe gedacht, dass ist deutlich geworden, war, Frauen die Möglichkeit zu geben, die mit Fördergeld angeschaffte PC-Technik auch zu bedienen, und zwar über die Schreibmaschinen-Funktion hinaus, um dann allmählich zu einer echten Digitalisierung zu kommen. Die damals, glaube ich, aber noch nicht so hieß.

 

I: Genau, wir haben jetzt schon häufiger gehört, das Frauengeschichte sichtbar zu machen, dein Thema ist. Jetzt kommen wir noch mal ein bisschen zurück, auf die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft in den 1990er-Jahren. Kannst du dich an Aktionen erinnern, an denen die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft beteiligt war, wo das gemacht wurde, also, wo Frauengeschichte sichtbar gemacht werden sollte?

 

B: Naja, unsere ganze Vereinsarbeit entspricht zunächst diesem… (I: Ob du da dabei warst in den Neunzigern?) Nein, in den Neunzigern nicht. Das habe ich aber natürlich wahrgenommen, weil, wie gesagt, ich war sehr intensiv in einem anderen Verein beschäftigt. Und ihr habt ja den Frauen-Streiktag zum Beispiel von 1994 schön im Blog ausgeführt. Eine ganz wichtige Sache. Solche Aktionen waren aber nicht unbedingt typisch für die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Also es war eine historisch arbeitende Gesellschaft, die sich natürlich aber solchen Sachen, die dann von außen herangetragen wurden, wie Unterschriftsaktionen oder ähnliches, nicht verweigert haben. In dem Teil waren wir immer auch Teil der Leipziger Frauenszene. Also Aktionen… Ja, Frauengeschichte sichtbar machen, ist für mich die gesamte Forschung in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, allein dadurch, dass wir das durch Tagungen, immerhin Fachpublikum, sichtbar machen, durch die Veröffentlichung in den „LOUISEn“ zum Nachlesen Leuten in die Hand geben konnten und durch übriggebliebene Gelder 2015 kam es dann dazu, ein langgehegtes Ziel, woran viele nicht geglaubt haben wieder, zu verwirklichen, nämlich übriggebliebene Gelder für Druckkostenzuschuss einzusetzen. Und seitdem hat unser „LOUISEum“ eine ISBN und ein durchaus flottes Gesicht und erscheint im Sax-Verlag. Das hat nichts damit zu tun, dass die Inhalte der alten Hefte schlechter sind. Im Gegenteil, es tut einem in der Seele weh, wenn man weiß, was dort verborgen ist, was aber kaum sichtbar wird. Auch Digitalisierung hat mein Mann hier auch ziemlich unterstützt. Also er hat mich bei der Pflege der Website damals unterstützt. Über HTML, was ich nie gelernt hatte, hat er die Veranstaltungsmeldungen eingestellt, bis ich dann 2011 durch das neue System für TYPO3 selbst in der Lage war, das einzustellen. Er hat sehr spät dann die „LOUISEn“, die nicht mit ISBN erschienen waren, komplett digitalisiert. Die sind jetzt bei uns abrufbar.

Wir hatten dann auch natürlich bewusst Aktionen. Zum Beispiel direkt unter diesem Projekttitel die Aktion, gefördert vom Referat für Gleichstellung, „Frauengeschichte sichtbar machen“. Dann waren DIE GRÜNEN an mich herangetreten mit einer Bitte, ein, zwei Frauen-Namen zu nennen, die für Schulbenennungen möglich wären. Und da hatte ich Fanny Goetz ausgewählt und Maria Grollmuß. Mit Maria Grollmuß hatte ich zu tun im Fachbeirat Frauenorte Sachsen des Landesfrauenrates, wo ich seit 2015 ehrenamtlich im Fachbeirat tätig bin. Und wir hatten dann eine Tafel in Radibor enthüllt. Und mir war das schade, dass das Gedenken in Leipzig auch wieder nur von einer Straße in der Peripherie irgendwie in Nord-Gohlis… Es gab noch das Porträt von Kerstin Kollecker im Frauen-Online-Portal, das ist aber auch nicht täglich sichtbar. Und wir hatten dann unter dem Titel „Frauengeschichte sichtbar machen“, die Maria Grollmuß-Aktion durchgeführt. Und das Ganze führte dazu, dass die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN einen Stadtratsbeschluss durchsetzen konnte, dass dieses kleine grüne Rasendreieck, der sogenannte kleine Westplatz, in diesem Jahr noch gestaltet wird plus eine Vorhaltefläche freigelassen wird, dass in irgendeiner Form dann dort Maria Grollmuß geehrt wird, die in der Nähe gewohnt hat und in der Nähe auch eine Schule besucht hatte. Also auch das, die Frauengeschichte direkt im Stadtraum sichtbar zu machen, ist mir ein wichtiges Anliegen. Haben wir oft gemacht. Die schönste Geschichte oder eine der schönsten ist wirklich dann, dass wir 15 Jahre daran erfolgreich gewirkt haben, die Tafel zum 150. Gründungsjubiläum des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in der Ritterstraße zwölf an einem Universitätsgebäude anbringen zu dürfen. Das beziehe ich immer in meine Frauengeschichtsführungen mit ein.

 

I: Wann wurde die Tafel angebracht?

 

B: 2015. (I: Danke.) Und die Aktivität dafür begann 2000. Damals hieß es, 30 mal 30 Mark für eine Gedenktafel. Wir alle haben gespendet. Das war noch vor meinem Eintritt in die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Als ich dann Mitglied war, habe ich logischerweise gefragt: „Was habt ihr mit dem Geld gemacht?“ Und ja, das war natürlich längst für andere Sachen verbraucht worden, da wir auf Grund verschiedener Dinge dort keine Tafel anbringen durften, trotz Zusagen der Universität Leipzig. Dann kam das Jahr 2009 mit allen Vorbereitungen. Die Universität hat sich zu ihrem 600. Gründungstag ein eigenes Bildprogramm mit diesen Acrylglas-Platten gegeben und eine eigene Hausschrift. Und in diesem Zuge war es dann möglich, unter die universitäre Tafel auch unsere Tafel anzubringen. Wir haben noch mal Geld eingeworben, diesmal 2.000 Euro. Die brauchten wir aber nicht, da man sich allgemein davon verabschiedet hat, Edelmetall-Tafeln als Gedenktafeln im öffentlichen Raum auszuhängen. Nicht, weil man die geehrten Persönlichkeiten nicht mehr schätzt, sondern weil es einfach zu viele Metalldiebe gibt. Deswegen haben sich die meisten auf die Acrylglastafeln verständigt, die gleichwohl natürlich auch künstlerisch gestaltet werden können. Diese Restgelder übrigens sind dann in die Druckkostenzuschüsse eingeflossen, mit Zustimmung der Sparkasse, die auch zunächst die Gelder ja bewilligt hatte und diese nicht unbedingt zurücknehmen wollte und zum Zweiten: beides ist nachhaltig, also, diese Gedenktafel, wo auch die Sparkasse mit erwähnt wird, wie auch dann die Druckerzeugnisse des LOUISEum, das folgte. Vor meiner Zeit als Mitglied der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft, 1995, gab es schon die Einweihung der Gedenktafel in der Kreuzstraße als Erinnerung an die letzte Wohnadresse Louises in Leipzig. Und 2006 konnten wir die auf Initiative unseres Vereins benannte Louise-Otto-Peters-Allee im Norden Leipzigs mit einweihen. 2015 folgte unsere Gedenktafel zum 150. Gründungsjubiläum des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in der Ritterstraße und 2016 der Gedenkbaum für Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt.

 

I: Du hast eben den Frauenstreik, den 8. März 1994 erwähnt. Wie erinnerst du dich denn da dran? Warst du da auch unterwegs?

 

B: Ich war da nicht unterwegs und ich erinnere mich aber an die vielen flotten Fotos und die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft hat, wie bei vielen anderen Aktionen dort mitgemacht. Denn das ist ja nicht unser Hauptanliegen, solche tagespolitischen Dinge zu unternehmen. Das würde uns schlicht überfordern. Das ist nicht so, dass wir keinerlei tagespolitische Interessen haben, aber es muss schon sehr genau geschaut werden, was man kräftemäßig überhaupt schaffen kann.

 

I: Wie hast du denn den Kampf um das Henriette-Goldschmidt-Haus in den Neunzigern erlebt?

 

B: Ja, da war ich zweimal mit vor Ort und habe das sehr bewusst miterlebt. Die Louise-Gesellschaft war ja dann auch in dem Verein von Ines Hantschick und Inge Brüx mit involviert. Und es gab ein breites Bündnis. Dass die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft sich seit der Gründung schon damit beschäftigt, ist mir erst später bekannt geworden. Es ist auch nicht so öffentlich zum Tragen gekommen. Es ist umso beeindruckender. Wir hatten in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V., das kommt aber auch nicht von ungefähr wirklich mehrere Frauen, die sich ganz explizit ihr ganzes Leben dann auf eine oder mehrere Frauenpersonen, Frauengeschichtspersonen ausgerichtet haben. Johanna Ludwig wurde auch im Miss Marples-Netzwerk oft als „Louise“ angesprochen, weil ihre Leidenschaftlichkeit einfach dafürsprach, immer mit Entschuldigung von beiden Seiten, aber dann doch wieder als „Louise“. Sie hatte sich also nach dem Beginn der Arbeitslosigkeit und nach der ABM entschlossen, sich komplett Louise Otto-Peters zu widmen und auch privat ihr ganzes Leben darauf einzustellen, was natürlich dann auch wirklich diese schönen Früchte getragen hat. Nicht alleine, schon mit Recherchen vieler Mitarbeiterinnen in der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Gleichwohl ist es ihr Hauptlebenswerk und Johanna hat dann postum die Biografie von Louise Otto-Peters „Eigener Wille und eigene Kraft“ veröffentlichen können. Wir haben aber auch, um zum Goldschmidt-Haus zurückzukommen, zum Beispiel die Studiendirektorin, Annerose Kemp, mit der ich auch befreundet war, im Verein gehabt. Und Annerose und ihr Mann Horst haben auch über Jahrzehnte Henriette Goldschmidt erforscht, Leben und Werk. Und dann kann man an dem Haus nicht vorbeigehen. Und diese ganzen Bestrebungen sind natürlich durch Annerose auch hierhergetragen worden. Also das ist eine ganz wichtige Sache. Und Rita Jorek, die sich mit Helga M. Novak, einer Schriftstellerin, mit der sie zusammen studiert hatte und mit der sie bis zu ihrem Tode befreundet war, die sie unterstützt hatte. Aber sie beschäftigt sich eben auch mit einer Frau des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, mit Elsa Asenijeff ihr Leben lang bis heute. Und das sind alles Forscherinnen, die wirklich völlig unbekannte Sachen dann für uns gerettet haben und in die Gegenwart und ins Bewusstsein gebracht haben. Und für mich ist es total beeindruckend. Es gab natürlich auch Widerstand in der Stadtverwaltung gegen den Abriss des Goldschmidt-Hauses. Das zählt aber nicht, denn es zählt echt der Verkauf und der Abriss des Hauses. Und das Haus hätte zum einen wirklich Frauengeschichte sichtbar gemacht. Der KuKuC e.V. saß am Frauenbuchladen TIAN. Er ist privat geführt gewesen; der Verein war öffentlich gefördert. Wir hatten dort ein winziges Hinterzimmer, wo sich nacheinander oder wochentagsmäßig die einzelnen Initiativen trafen: MONAliesA, die Lesbengruppen eins und zwei, dann der Frauenstadtrundgang, dann der Verein überhaupt. Dann war schon die Woche rum. Und Räume nach der Wende zu finden, war ungeheuer schwer. Es war zu DDR-Zeiten schon schwer, auch für Familien, irgendwelche Räume zu finden. Die Situation wurde nicht besser. Man konnte zwar zunächst irgendwelche Räume besetzen, aber das hielt alles nicht so lang. Man braucht also nicht nur Fördergeld, sondern zumindest auch erst einmal Räume, die man findet und dann wirklich anmieten kann. Und das Goldschmidt-Haus hätte die Möglichkeit geboten, mehrere Frauen-Initiativen dort unterzubringen.

Und mehrere hatten sich auch bereit erklärt. Auch die FrauenKultur musste sehr oft umziehen. Die waren damals dann schon im Stande, dass sie, glaube ich, dann nicht hätten einziehen müssen. MONAliesA saß im Haus der Demokratie, relativ zeitig und konnte dann noch mal erweiterte Räume beziehen. Ja, also die Raumfrage war immer sehr, sehr brisant, gerade für uns. Und ja, die vielen Umzüge hattet ihr, glaube ich, auch schon irgendwo angesprochen. Diese Räume, die wir jetzt haben, nach vielen, also unendlich schwierigen Umzügen, denn das Archiv ist größer geworden, es ist immer mehr geworden, nicht weniger, das ist der absolute Glücksfall. Um uns etwas entgegenzukommen, hat man den Mietpreis im Haus des Buches so gestaltet, dass auch das Referat für Gleichstellung zustimmen konnte. Das vorher bezogene Vereinshaus Dresdener Straße 82 klingt erstmal toll, da haben wir schöne Kooperationen gehabt mit dem Bürgerverein Ostvorstadt, mit LEBENSZEITEN e.V. Das war vom Rat der Stadt einem Privateigentümer übergeben worden, glaube ich, auch günstig. Und der Eigentümer wiederum hatte ebenfalls für 20 Jahre Vereinen dort sehr geringe Mieten ermöglicht. Aber auch dort waren die 20 Jahre um und wir sind mit am Ende dieser Zeit dort mit eingezogen und mussten auch Knall auf Fall ausziehen. Also wir Vorstandsleute haben unsere damalige Weihnachtszeit mit der Raumsuche verbracht. Und HeideSteer hatte die Idee, hier nachzufragen, also ich wäre niemals auf die Idee gekommen. Und dann haben wir erfahren, dass es die Möglichkeit gibt, hier einzuziehen, zu einem Geld, das wir aufbringen können.

 

I: Wir sind im Archiv über die AG Frauenprojekte gestolpert. Kannst du uns was zur Gründung und zum Entstehen der AG Frauenprojekte erzählen?

 

B: Also das Gründungsjahr nicht. Es gab mal eine Aktion, die ist ewig her. Die müsste vielleicht damit zusammenhängen: „alarm.leipzigerinnen“ Da gibt es eine Website, da kann ich jetzt leider nicht erschöpfend Auskunft geben, müssten wir jetzt gleich mal aufmachen. Und es gab auch parallel eine Aktion „Fünf für Leipzig!“, dass fünf Prozent der Kulturmittel auch für die freie Szene ausgegeben werden können. Und die AG Frauenprojekte war eine ganz wichtige Sache, weil wir, um auf solche Veränderungen in Rechtslagen, in Fördersituationen reagieren zu können, uns zusammenschließen mussten. Und das passierte mit der AG Frauenprojekte. Und da sind wir auch schon sehr lange dabei. HeideSteer, die bei uns lange im Vorstand war, mit der ich auch sehr gern zusammengearbeitet habe ziemlich lange Zeit, und die auch zum Beispiel bei Terre des Femmes aktiv war, die immer schon bei der Stadt in der Kultur gearbeitet hat, dementsprechend die Kontakte hatte, verdankt die Stadt Leipzig zum Beispiel auch die Rettung des Heinrich-Budde-Hauses, wo wir viele Louise-Otto-Peters-Tage durchgeführt haben, als Stadtbezirkskommunikationszentrum. Denn das ist ja ehemals eine Fabrikantenvilla gewesen, die auch gut privat wieder hätte rückveräußert werden können. Also es war nicht HeideSteer allein, auch der Bürgerverein. Aber sie hat den Finger dort draufgelegt und war eben jemand, der sich nicht nur auskannte, sondern sich, ja, hundertzwanzigprozentig ehrenamtlich eingebracht hat, auch in die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft. Und HeideSteer hat uns meistens vertreten in der AG Frauenprojekte. Ich war da auch dabei. Und über die AG Frauenprojekte laufen ja bis heute unsere gemeinsamen Aktivitäten bis hin zur Organisierung vom Frauenfestival und ähnlichen Dingen. Aber Ursprung war, glaube ich, „alarm.leipzigerinnen“, wo es wirklich darum ging, aufmerksam zu machen, dass die Fördersituation sich ändert und zu wenig Geld da sein wird. So habe ich es im Gedächtnis.

 

I: Wie hast du denn die Stadt in deiner aktiven Zeit als politischen Akteur erlebt? Und welche Rolle hat die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt?

 

B: Wie auch schon mehrfach erwähnt, ist das Referat für Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Leipzig so ziemlich von Anfang an unsere einzige und unsere verlässlichste Förderin. Das ist das Archiv mit den Mietkosten, mit den Ankaufgeldern, mit Projektgeldern für einzelne Veranstaltungen, und das ist nach wie vor unsere Basis der Existenz. Inwieweit sich das dann mal aufweitet, wir jetzt mit dem neuen Satzungszusatz „Kultur“ größere Chancen beim Kulturamt bekommen, vielleicht bis hin zu einer institutionellen gewünschten Förderung, weiß man nicht, kann man nur weiterverfolgen. Und ja, ohne das Referat für Gleichstellung kann ich mir nicht vorstellen…

 

I: Jetzt schauen wir noch mal ein bisschen auf die innere Zusammenarbeit oder das innere Verhältnis im Verein. Wie würdest du denn das Verhältnis unter den aktiven Mitgliedern beschreiben? War es freundschaftlich?

 

B: Also, es gibt ein Grundinteresse an Frauengeschichtsforschung und Zusammenarbeit. Ehrenamt bedeutet für alle, ob sie sozial und finanziell, als Rentnerin oder nicht, gut aufgestellt sind oder ob sie auf der Suche nach eigenen Berufsmöglichkeiten waren oder sind, die Grundvoraussetzung. Es muss ein gemeinsamer Nenner da sein. Das ist hier schon die Frauengeschichtsforschung und der Einsatz, ja, eigentlich der feministische Einsatz ist, kann man sagen. Jede und jeder hat seinen Grund, hier mitzuwirken. Und es gibt viele Projekte, worauf wir uns verständigen können. Es gab auch allein bei Projekten viele, auch heiße Diskussionen.

Zu Johannas Zeit kamen die meisten maßgeblichen Anregungen und Zielrichtungen von ihr. Sie war die Vereinsgründerin, die Initiatorin. Gleichwohl war natürlich Platz für Ideen. Also, wenn mir irgendeine Veranstaltung oder eine Kooperation eingefallen ist und ich die im Vorstand vorgestellt habe, konnte das, wenn es Sinn machte, auf jeden Fall natürlich verwirklicht werden. Jedes einzelne aktive Vereinsmitglied bringt ja einfach auch Anregungen und wertvolle Bereicherung mit. Und wir hatten da querbeet einfach sehr, sehr schöne Sachen. HeideSteer ist zum Beispiel studierte Kulturwissenschaftlerin; aber im Zweitfach Musik. Bei mir ist das Zweitfach Literatur. Und sie hat dann eben einfach mal so diese Teil-Inszenierung von Louises Nibelungen-Oper übernommen, mit Studierenden der Hochschule für Musik und Theater. Natürlich nicht allein, aber sie war als Fachfrau prädestiniert dafür. Heiner Thurm ist als studierter Historiker ein akribisch Recherchierender, der ungeheuer viele neue Erkenntnisse, Frauen-Lebensläufe gerettet, vor dem Vergessen bewahrt hat. Manfred Leyh hat von seinen ersten Aktivitäten als Begleiter der großen ersten Ausstellung 1995, glaube ich, in der Universitätsbibliothek, weil er damals sowieso mit Ausstellungen befasst war, zum Beispiel auch als Akteur bei literarisch-musikalischen Veranstaltungen verschiedene Figuren, ich glaube auch Robert Blum verkörpert. Also viele, viele Leute haben hier ihre Expertisen in schöner Art und Weise eingebracht und sich auch selbst damit Erfolgserlebnisse und Freude verschafft. Man muss ja auch das lieben, glaube ich, was man macht. Ich hatte hier auch zwei Freundinnen, die hier Mitglieder waren. Eine ist noch Mitglied, die andere ist dann wieder ausgetreten. Aber mit denen war ich vorher befreundet. Mit denen werde ich auch danach befreundet sein. Genauso mit den Verschränkungen bei Miss Marples, wo ich auch viele persönliche Freundschaften pflege. Aus dem Verein selbst habe ich auch in einem Fall, kann man sagen, eine persönliche Freundschaft, eine sehr, sehr gute Bekanntschaft gewonnen. Es ist auch jemand, der längst ausgetreten ist. Und ja, also ich denke, es geht eher, wenn man das antiquierte Wort benutzen kann, um kameradschaftliches und vertrauensvolles und engagiertes Zusammenwirken, so kann man das sagen. Denn zu erleben waren natürlich auch, dass sehr viele Eigeninteressen da waren, die natürlich entsprechend gebündelt und kanalisiert und auch diskutiert werden mussten. Und ja, wir waren mal, glaube ich, zehn Frauen im Vorstand. Auf der Website fehlt bis heute, es ist nur sporadisch mal erwähnt, es muss nachgetragen werden, wann und wer im Vorstand war.

Und schön ist oder war auch, dass jeder und jede sich mit den eigenen Fähigkeiten einbringen konnte. Also es waren nicht nur hehre Wissenschaftlerinnen, die hier gefragt waren. Es war genau so viel Alltagsarbeit nötig. Wir haben viele Vereinsmitglieder, die eben mit praktischen Sachen auch geholfen haben. Und die haben das gerne gemacht, weil sie keine Wissenschaftlerinnen waren, wussten aber, sie unterstützen das, was sie gut finden. Also es ist ein Verein, der viele breite Möglichkeiten eröffnet hat.

Vereine sind auch so eine Art Sammelbecken. Viele verschiedene Menschen kommen zusammen, haben unterschiedlichste Vorstellungen. Und ich muss auch sagen, wir sind in Ostdeutschland. Es gibt ganz viele gebrochene Biografien, viele Menschen, die völlig ungerecht und nicht selbstverschuldet nie wieder an ihre alten Tätigkeiten anknüpfen konnten. Was das mit menschlicher Psyche und menschlichen Entwicklungswegen macht, das müsste irgendwann mal untersucht werden, jetzt nach 30 Jahren. Es gibt jetzt ja auch verstärkt, auch aus der jungen Generation, die zum Teil die DDR gar nicht mehr erlebt hat, Darstellungen, Bücher über Herkunft. Empfehlen kann ich zum Beispiel Marlen Hobrack „Klassenbeste“. Das sagt euch vielleicht etwas? (I: Nein, bis jetzt nicht.) Sehr wichtig. Ganz viele Bücher, die Herkunft, Prägungen und Ähnliches behandeln von Menschen, die in der Regel eine andere Prägung haben als die im Westen. Also wirklich eine Herkunftsliteratur. Wir hatten mit Brigitte Reimann in der DDR, also vor meiner Zeit schon fast, die Ankunftsliteratur. Und jetzt erscheint es mir so, dass es wirklich eine Art Herkunftsliteratur gibt, was ganz, ganz wichtig ist. Und da sind diese ganzen 30 Jahre nach der Wende eben auch ungeheuer wichtig. Denn viele haben es geschafft, die sind dann so im Lichte. Und ganz viele andere nicht.

 

I: Okay, wir müssen jetzt leider zum Schluss kommen. Vielleicht, wenn du ganz kurz noch die Möglichkeit haben möchtest, was zu erzählen, was dir gefehlt hat, was dir noch wichtig ist?

 

B: Bei den tagespolitischen Sachen und Unternehmungen war mir noch eingefallen… Wie gesagt, wir sind ja nicht per se aufgestellt, jetzt tagespolitische Dinge zu begleiten. Gleichwohl sind wir Betroffene, durch die eigene Situation, durch Ereignisse in politischer Art, die man einfach nicht unwidersprochen hinnehmen kann. Und da war mir wichtig, 2018 diese Sache, dass die AfD in Berlin bei einem Marsch das Motto von Louise „Dem Reich der Freiheit werb‘ ich Bürgerinnen“ vorangestellt hat. Das hatte mir kurz vorher eine sehr engagierte Berliner Miss Marples-Schwester mitgeteilt. Und dann habe ich das so weit wie möglich verbreitet. Aber für so was sind wir eben in keinster Weise gerüstet und aufgestellt. Oder, sag ich mal, waren es nicht. Denn wir haben überlegt, was machen wir? Wir wollten und wir wussten schon, also wir, ein Teil vom Vorstand, dann auch Gisela Notz dazu, dass wir jetzt nicht mit der AfD in irgendeinen offiziellen Dialog treten wollen. Und das haben wir dann, da kann man vielleicht bessere Formen finden, so gelöst, dass wir seitdem auf unserer Startseite das Statement haben, als PDF, also gegen die Vereinnahmung von Louise Otto-Peters von rechts. Louise Otto-Peters war eine fortschrittliche Demokratin, gegen Judenhass, gegen völkerverachtenden Nationalismus. Man braucht ein paar Grundwerte, wo man sich gemeinsam darauf einigen kann. Und dann kann man über alles Mögliche diskutieren.

 

I: Alles klar. Vielen Dank für das Gespräch.

 

Ende